Sieger der NBA-Finalserie:Das Sternensystem von Boston

Lesezeit: 3 Min.

Die Boston Celtics sind NBA-Champion – als dieser Moment gekommen war, lagen sich in ihrer Heimarena alle in den Armen. (Foto: David Butler II/USA TODAY Sports via Reuters Con)

Die Boston Celtics haben auf ihrem Weg zum NBA-Titel nur drei Playoff-Spiele verloren. Manager Brad Stevens ist ein Meisterstück der Kaderplanung und eine Abkehr von der Superteam-Ära gelungen – der unterlegene Luka Doncic findet deutliche Worte.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es wäre eine Frechheit, auch nur ein Wort mehr zu sagen über diese letzte Partie dieser NBA-Saison als das reine Ergebnis: 106:88 für die Boston Celtics, die damit nach 16 Jahren Durststrecke den 18. Titel der Vereinsgeschichte holten, einen mehr als sonst lediglich die Los Angeles Lakers. Man sollte schweigen aus Respekt vor den Dallas Mavericks, die sich tapfer gewehrt haben, den Celtics aber kein Duell auf Augenhöhe liefern konnten; Boston steht eher im Verdacht, die vierte Partie in Dallas locker genommen zu haben, um den Titel in eigener Halle, vor den eigenen Fans holen zu können. Es wäre auch eine Frechheit, über die anderen Playoff-Partien der Celtics zu reden. Nur so viel: Es braucht vier Siege zum Weiterkommen, Bostons vier Playoff-Gegner Miami, Cleveland, Indiana und Dallas schafften insgesamt drei. Die Ergebnisse: 4:1, 4:1, 4:0, 4:1.

Die Frage ist vielmehr: Warum haben die Celtics derart dominiert? In einer Liga, die über zahlreiche und für Laien kaum zu begreifende Regeln mittelfristig Chancengleichheit garantieren soll - und zwar für alle, sowie in allen Playoffs hochklassige und spannende Duelle sogenannter „Superteams“.

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Für eine Antwort muss man zurück ins Jahr 2007, in den Sommer vor dem letzten Celtics-Triumph. Der damalige Manager Danny Ainge hatte die Basketballgrößen Kevin Garnett und Ray Allen geholt und ihnen Paul Pierce zur Seite gestellt. Das war die Blaupause für die Superteam-Ära: Miami Heat (LeBron James, Chris Bosh, Dwyane Wade), Golden State Warriors (Steph Curry, Klay Thompson, Draymond Green, später gar noch Kevin Durant). Der Titel der Dallas Mavericks 2011 gilt heute als Ausnahme, der die Superteam-Regel bestätigt. Denn Dirk Nowitzki war der einzige im Kader, der in jener Saison ins All-Star-Team berufen wurde. Die Superteam-Regel dagegen besagte eigentlich, dass es für Erfolg drei sogenannte Superstars benötigt und drum herum hungrige Jünglinge mit günstigen Rookie-Verträgen sowie erfahrene Spieler, die für die Titeljagd auf ein paar Millionen verzichten.

Mit ihrem Konzept hat die NBA die Einnahmen seit 2014 auf mittlerweile knapp elf Milliarden Dollar verdoppelt

Die Kombination aus Superteams und Klubs wie die Philadelphia 76ers, die beim Versuch, eines zu kreieren, Niederlagen in Kauf nehmen, führt zwar zu Langeweile während der regulären Saison, aber auch für Leckerbissen, wenn’s drauf ankommt. Das ist ganz im Sinne von NBA-Chef Adam Silver, der die Liga als hybrides Sport- und Popkultur-Produkt versteht. Er hat die Einnahmen seit Amtsbeginn 2014 mehr als verdoppelt auf mittlerweile knapp elf Milliarden Dollar – von denen wiederum die Spieler laut Tarifvertrag 51 Prozent als Gehälter einstreichen.

Manager Ainge wollte bis 2021 ein Superteam in Boston kreieren – es reichte jedoch nicht mehr zum Titel. Es folgte Brad Stevens, davor acht Jahre lang Cheftrainer, und der wählte einen anderen Zugang. Er hatte bereits zwei Bekanntheiten, Jayson Tatum und Jaylen Brown, die allerdings bis zum Triumph am Montag den zweifelhaften Rekord für die meisten gemeinsamen Playoff-Partien (107) ohne Titel gehalten hatten. Stevens kannte beide, und er wollte keinen dritten Anführer – was er wollte, ist: das Sternensystem von Boston.

Brad Stevens war selbst Trainer der Celtics, danach wurde er Manager des Klubs. (Foto: Morry Gash/AP)

Er holte drei Spieler, die bereits bei anderen Vereinen All-Stars waren, und übernahm die teuren Restlaufzeit-Verträge von Kristaps Porzingis und Rückkehrer Al Horford. Beide überzeugte er davon, danach etwas weniger Geld zu nehmen. Jrue Holiday lockte er mit einem Vertrag über vier Jahre. Dazu holte er noch Derrick White im Februar 2022 mit der Aussicht, in Boston Stammspieler und vielleicht All Star zu werden. Gesamtgehalt der vier in dieser Saison: 88 Millionen Dollar. Zum Vergleich: Bei den Phoenix Suns bekommen die beiden alternden Helden Kevin Durant und Bradley Beal insgesamt 101 Millionen Dollar.

Luka Doncic empfiehlt, die Einkaufsidee des NBA-Meisters nachzuahmen

Was ist besser im Jahr 2024: zwei Berühmtheiten für 101 Millionen Dollar (plus 36 Millionen für den dritten hochkarätigen Zocker Devin Booker) oder vier hungrige Etablierte für 88? Nun, die Suns haben alle vier Partien der ersten Playoff-Runde verloren, also mehr Niederlagen hinnehmen müssen als die Celtics insgesamt auf dem Weg zum Titel.

Trainer Stevens ist angesichts des Tarifvertrages zwischen Liga und Spielergewerkschaft mit härteren Regeln bei Gehaltsobergrenze und Tauschgeschäften ein Meisterwerk gelungen – und zwar so sehr, dass auch Mavericks-Leader Luka Doncic kein Wort zur Finalserie verlor: „Das ist ein großartiges Team, schaut euch nur den Kader an: Die sind eingespielt, erfahren, haben gemeinsam was durchgemacht. Das erkennt man, wie sie jetzt miteinander spielen. Von denen können wir lernen.“ Das klang weniger wie eine Botschaft ans eigene Team, sondern wie eine Forderung ans Mavericks-Management, die Planungen der Celtics nachzuahmen – angesichts des eigenen Kaders, in dem nur zwei der regelmäßig in den Playoffs eingesetzten Akteure älter sind als 27 Jahre (Kyrie Irving und der Deutsche Maxi Kleber).

Die Celtics als Vorbild haben Brown mit einem Supermax-Vertrag (57,2 Millionen Dollar pro Saison), gültig von nächster Saison an, langfristig an Boston gebunden; der von Tatum gilt noch bis 2026. Es würde, Stand jetzt, also niemanden wundern, würden die Celtics auch in der kommenden Saison den Titel holen. Andererseits war das brennende NBA-Thema der New York Times zu Saisonende nicht der Titel der Celtics – freilich auch wegen der tiefen Abneigung zwischen New York und Boston – sondern: Welcher Klub kann beim Werben um vertragslose Spieler ein Meisterteam basteln? Dieses Werben begann laut Reglement, kein Witz, Dienstagfrüh.

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