Borussia Mönchengladbach:Schmetterling mit Flugproblemen

Der Trainer schimpft auf die Medien, der Sportdirektor verteidigt den Coach: Gladbachs Verantwortliche reagieren gereizt auf die Kritik an ihrer teuer renovierten Mannschaft. Schon das Abendspiel gegen den Hamburger SV könnte Anzeichen liefern, wohin die Reise des Klubs geht.

Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Kürzlich saß der Fußballmanager Max Eberl lässig auf der Armlehne eines Flugzeugsitzes. Das Jackett war abgelegt, der Hemdkragen aufgeknöpft, die Ärmel waren nach oben geschlagen. Auf dem Kopfschoner jedes Sitzes im Flugzeug prangte das Wappen von Borussia Mönchengladbach. Vor Eberl befanden sich zahlreiche bunte Mikrofone.

Bayer 04 Leverkusen - Borussia Moenchengladbach

Probleme in Gladbach: Trainer Lucien Favre (rechts) und Granit Xhaka.

(Foto: dapd)

Die Chartermaschine war mit Fußballern, Sponsoren und Journalisten zum Europapokal nach Zypern unterwegs. Die stolze Borussia bereist erstmals seit 16 Jahren wieder den Kontinent. Ein schöner Anlass. Eberl saß auf der Armlehne und lächelte. In gut zehn Kilometern Flughöhe geben normalerweise Staatschefs Interviews - für Eberl ein neues Gefühl.

Doch nicht nur die Form, auch der Inhalt der Gespräche hat sich inzwischen gewandelt. Für mehr als 30 Millionen Euro hat der 39 Jahre alte Niederbayer neue Spieler fürs Gladbacher Team verpflichtet. Und weil es noch nicht recht rund läuft im teuer renovierten Kader, muss Eberl sich bisweilen heftige Kritik anhören. Aber er schlägt auch zurück. Auf Kritik am neuen Stürmer Luuk de Jong oder an der ungewohnt ausgiebigen Rotation durch den Trainer Lucien Favre reagiert der Sportdirektor gereizt und wirft den Medien Polemik und Ahnungslosigkeit vor. In Mönchengladbach weht ein neuer Wind.

Doch das war ja absehbar. Noch im März 2011 hatte sich der Klub in akuter Abstiegsnot befunden und bereits in der zweiten Liga gewähnt. Im Mai 2011 gewann er eine enge Relegation gegen den VfL Bochum und nur ein Jahr später gehörte er als Bundesliga-Vierter plötzlich zur nationalen Elite. Aus der Raupe war unerwartet ein Schmetterling geworden, der sich momentan mit dem Fliegen allerdings ein bisschen schwer tut.

"Das war Müll"

Während die abgewanderten Spieler Marco Reus, Roman Neustädter und Dante mit Borussia Dortmund, Schalke 04 und Bayern München in der Champions League spielen, hat Gladbach vor allem mit sich selbst zu tun. Die Integration der neuen Akteure Alvaro Dominguez, Granit Xhaka und de Jong dauert an, und allmählich bekommen selbst die Optimisten unter den Fans ein Gefühl dafür, dass die Mannschaft mit dieser neuen Spieler-Achse vielleicht eine ganze Saison braucht, um wieder so schön spielen zu können wie zuvor. Vielleicht sogar noch länger.

Die Unzufriedenheit im Umfeld nach dem Champions-League-Aus gegen Kiew, der 2:3-Heimniederlage gegen Nürnberg und dem Europa-League-Nullnull mit einer B-Elf auf Zypern hat nicht nur mit den konkreten Ergebnissen zu tun. Beim 0:0 in Limassol, als Favre fünf neue Spieler einsetzte, führte nicht die Rotation als solche zu einiger Skepsis, sondern eher die Erkenntnis, wie schwach die alternative Elf da spielte. Und an Luuk de Jongs Integrationsproblem ist weniger die bislang mangelhafte Anbindung ans Spiel bedenklich, sondern der Umstand, dass der zwölf Millionen Euro teure Niederländer bislang überhaupt die Anzeichen für seine Klasse schuldig geblieben ist. Die Verantwortlichen im Verein mahnen nun allenthalben zur Geduld - und verlieren doch ihrerseits bereits die Geduld mit der nach wie vor erwartungsfrohen Öffentlichkeit.

Nicht einmal der Spielplan lässt Nachsicht walten, denn Gladbach stehen harte Wochen bevor. An diesem Mittwoch empfängt die Mannschaft den Hamburger SV, am Samstag spielt sie bei Borussia Dortmund, am Donnerstag nächster Woche geht es in der Europa League gegen Fenerbahce Istanbul und drei Tage später gegen Eintracht Frankfurt. Binnen vier Spielen könnte sich zeigen, wohin die Reise dieses Klubs und seiner unlängst noch so euphorisierten Fans zunächst geht.

Dabei ist der Saisonstart rein statistisch ja nicht einmal missraten. In acht Pflichtspielen hat Gladbach nur gegen Kiew und Nürnberg verloren. Aber es läuft halt spielerisch noch nicht rund. "Das war Müll", hat der Spielgestalter Granit Xhaka nach dem glücklichen 1:1 in Leverkusen formuliert. "Wir dürfen uns nicht verrückt machen lassen, wir sind in einem Lernprozess", warnt Abwehrspieler Martin Stranzl. "Spielerisch gibt es noch viel zu tun", sagt Favre und erwartet von seinem Team im Spiel gegen den HSV "mehr Druck nach vorne". Die Situation, diese neue Mannschaft wieder zu alter Harmonie zu führen, findet der Trainer "sehr interessant".

Der Sportdirektor Max Eberl sagt, es nerve ihn schon ein bisschen, dass er zurzeit ständig Erwartungen korrigieren müsse, die er selbst nie gehabt habe. Und vielleicht sei es gar nicht so abwegig, diese Saison als "Übergangssaison" zu bezeichnen. "Das Puzzle muss neu zusammengesetzt werden", sagt Eberl, aber nichts anderes habe er bereits vor dieser Saison gesagt: "Wenn dann am Ende Platz neun herausspringt, wäre das für mich keine Enttäuschung."

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