Tabellenführer Gladbach:Die Idee vom "Rose-Fußball"

Lesezeit: 3 Min.

Trainer Marco Rose hat Borussia Mönchengladbach an die Tabellenspitze geführt. (Foto: dpa)
  • Trainer Marco Rose hat Borussia Mönchengladbach nach sieben Spieltagen auf den ersten Tabellenplatz geführt.
  • Für den Trainer ist Fußball zur Wissenschaft geworden.
  • Um seinen Stil auf die Borussia zu übertragen, setzt er auf ein Trainerteam, das so groß ist wie eine Fußball-Elf.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Für das zehnte Pflichtspiel gibt es noch keine Blumen, nicht mal, wenn man Rose heißt. Der neue Trainer des neuen Tabellenführers Mönchengladbach hat vor dem 5:1 gegen den FC Augsburg, anders als sein Stürmer Patrick Herrmann für das 300. Pflichtspiel, keinen Strauß erhalten. Aber Komplimente hat er zuhauf bekommen nach dem Kantersieg, der die Borussia unverhofft erstmals seit acht Jahren wieder an die Spitze der Bundesliga geführt hat. "Marco Rose hat den größten Anteil daran", lobte Mittelfeldspieler Christoph Kramer, und von Journalisten erhielt Rose ein verstecktes Kompliment bei der Frage, ob Gladbach spielerisch bei "einhundert Prozent Rose" angekommen sei. Doch Rose wollte gar keine Blumen, weder echte noch rhetorische. "Das war kein Rose-Fußball", dementierte er brüsk und deutet damit auch an, dass Gladbach auf dem Gipfel der Bundesliga nicht den Ausblick genießt, sondern weiter visionär gen Himmel schaut.

Als die Borussia letztmals solch ergiebige erste sieben Saisonspiele hingelegt hatte, war der gebürtige Leipziger Rose im September 1976 zwei Wochen alt. 43 Jahre ist das her, und von ähnlich historischem Ausmaß, so hätte man gedacht, müsste nun auch der Stolz am Niederrhein sein. Doch die Spieler winkten ab, und Rose teilte nur nüchtern mit, man müsse "solche Dinge sachlich einordnen". Spitzenreiter am siebten Spieltag? Kein großes Ding!

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Erstmals seit acht Jahren führt die Borussia die Tabelle an - dabei läuft unter dem neuen Trainer Marco Rose noch gar nicht alles rund.

Von Ulrich Hartmann

Lieber würde dieser Trainer wohl eines Tages stolz mitteilen, die Borussia habe nun tatsächlich "Rose-Fußball" gespielt. Allerdings ist das ein hehres, vielleicht sogar nur ein idealistisches Ziel.

Ein Trainerteam so groß wie eine Fußball-Elf

Für den Trainer Rose ist der Fußball zur Wissenschaft geworden. Der frühere Linksverteidiger des VfB Leipzig, von Hannover 96 und Mainz 05, der als Spieler gerade mal auf 65 Bundesliga-Einsätze kam, schärft als Trainer seinen obsessiven Blick auf die taktischen Geheimnisse des Fußballs immer weiter. Zu diesem Zweck hat sich Rose ein Trainerteam zusammengestellt, das genauso groß ist wie eine Fußball-Elf: im Zentrum er selbst als Chefcoach und Experte für das Spiel "gegen den Ball", für die Offensive sein Assistent Alexander Zickler, fürs Ballbesitzspiel René Maric, für die allgemeine Spielanalyse Frank Geideck, für die Integration der Nachwuchsspieler Eugen Polanski - und dann noch dazu zwei Torwart- und vier Athletiktrainer.

Keine noch so kleine Facette des Spiels darf vernachlässigt werden, und wer einen solch mikroskopischen Blick auf den Fußball hat, ist natürlich nicht euphorisch, bloß weil man mal 5:1 gewonnen hat gegen eine Augsburger Mannschaft, die eindeutig neben sich stand. Und doch war in diesem Gladbacher Spiel recht gut zu erkennen, was Rose von seinen Spielern will. Jeder Einzelne soll latent aktiv sein, immer offensiv denken und den Gegner unter Stress setzen. Dazu ist eine hohe Grundaggressivität unerlässlich, sowohl ohne Ball als auch mit. Ist das Spielgerät erst erobert, geht es entweder schnell in Richtung Tor oder, wenn alles zugestellt ist, mit gewisser Geduld in die Ballzirkulation.

An Roses Anspruch nach Tempo, vielen Sprints und unabdingbarem Gegner-Stressen sind die Gladbacher in den ersten zehn Spielen ein paar Mal verzweifelt. Man hat das vor allem beim 1:3 gegen Leipzig sowie beim 0:4 gegen Wolfsberg und beim 1:1 bei Basaksehir Istanbul in der Europa League gesehen. Es hat aber auch Spiele mit allerhand Blitzmomenten gegeben wie das 3:1 in Mainz oder das 3:0 in Hoffenheim. Da dachte mancher schon, Gladbach könne "Rose-Fußball" nur auswärts spielen, aber dann kam dieses 5:1 gegen Augsburg mit drei Toren in den ersten 13 Minuten. Katapultstart. So etwas gefällt dem Trainer.

Sechs Siege, zwei Unentschieden, zwei Niederlagen, so lautet Roses Bilanz in drei Wettbewerben. Das Torverhältnis steht bei 17:11. Bester Torschütze mit vier Treffern und bester Vorbereiter mit fünf Assists ist der Franzose Alassane Plea, zweitbester mit vier Treffern und einer Vorlage der Franzose Marcus Thuram. Zusammen mit Breel Embolo bilden sie einen vorbildlich aktiven Sturm. An 16 der 17 Tore war mindestens einer der drei beteiligt. Vergessen sind in Mönchengladbach Zeiten, als das Spiel so gemächlich aufgezogen wurde, dass aufgerückte Abwehrspieler die torgefährlichsten Borussen waren.

Doch schon bald, nach der Länderspielpause, werden die Gladbacher auf eine harte Probe gestellt, und das liegt nicht nur daran, dass sie am übernächsten Samstag bei Borussia Dortmund spielen und fünf Tage später bei AS Rom. Sie müssen dann vermutlich auf Rechtsverteidiger Stephan Lainer verzichten - sowie auf Innenverteidiger Matthias Ginter, der sich gegen Augsburg die Schulter ausgekugelt hat. Beim Österreicher Lainer ist ein Kapselband im linken Sprunggelenk gerissen.

Die beiden waren zwei von fünf Spielern (neben Torwart Yann Sommer, Mittelfeldmann Denis Zakaria und Stürmer Plea), die bisher in jedem der zehn Pflichtspiele unter Rose in der Startelf gestanden haben. Der Trainer wird jetzt neu tüfteln müssen. Aber umso besser, dass er den jüngsten Triumph nicht allzu sehr abgefeiert hat. Jeder weiß doch, wie schnell Blumen verwelken können.

© SZ vom 08.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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