Wenn der angehende Fußballstar Mahmoud Dahoud vom Spielfeld in die Kabine stapft, säumen seinen Weg Dutzende von Berichterstattern mit Fernsehkameras, Radiomikrofonen und Notizblöcken. Mit ein paar Worten hier und ein paar Sprüchen dort könnte der Spieler europaweite Aufmerksamkeit erregen. Aber er will das nicht. Wenn der Mittelfeldmann von Borussia Mönchengladbach wie nach dem 1:0-Erfolg gegen den 1. FC Köln als Siegtorschütze vom Feld geht und allenthalben um ein Statement gebeten wird, läuft er stur weiter, hebt nur kurz den Daumen und sagt scheu lächelnd: "Dankeschön." Gladbachs Sportdirektor Max Eberl erklärt die Zurückhaltung des 20-Jährigen voller Verständnis und Sympathie: "Mo ist der klassische Straßenfußballer, er will das ganze Ballyhoo nicht, er will einfach nur Fußball spielen."
Mo Dahoud, der einfach nur Fußball spielen will, könnte bald für 20 Millionen Euro zu Borussia Dortmund wechseln oder für 30 Millionen zu Juventus Turin oder für 40 Millionen zu Manchester City. Die Summen und die Klubs sind in diesem spekulativen Spiel frei wähl- und austauschbar. Nur eines steht fest: Nie war der Weg vom unbedarften Straßenkicker zum millionenschweren Fußballstar so kurz wie heute, und der gebürtige Syrer Dahoud, der gerade erst 21 Stunden Bundesliga-Fußball gespielt hat, ist eines der besten Beispiele für den wachsenden Wahnsinn. "Wir wissen, welche Situation uns im Sommer erwartet", sagt Eberl über all die Millionen, die vom britischen Fußball mit seinen exorbitanten TV-Geldern in den Markt gepumpt werden. "Vielen Vereinen mit guten Spielern droht diese Gefahr", glaubt Eberl, "aber als Verein, in dem vernünftig gearbeitet wird, werden wir uns mit möglichen Angeboten auseinandersetzen."
"Reus, Herrmann, Jantschke, ter Stegen, Dahoud - bei uns kann man zum großen Spieler werden."
Mo Dahoud, 20, und Granit Xhaka, 23, ein Deutscher syrischer Herkunft und ein Schweizer mit albanischen Eltern, sind in diesen Tagen die auffälligsten Gladbacher Fußballer und gelten darum als potenzielle Millionen-Verkäufe im kommenden Sommer. Gegen Köln haben Dahoud und Xhaka wie so oft in den vergangenen Wochen als zentral-defensives Mittelfeldpärchen die Abwehr organisiert und das Aufbauspiel initiiert. Nicht immer war das zuletzt so gut gelungen wie diesmal. In der 9. Minute hat Dahoud sogar das Siegtor geschossen. An ihm soll Borussia Dortmund Gerüchten zufolge auch deshalb interessiert sein, weil der positionsgleiche Dortmunder Ilkay Gündogan bei Manchester City gehandelt wird. Der künftige Klub des Trainers Pep Guardiola soll auch mit Xhaka flirten. Borussias Sportchef Eberl sagt: "Ich amüsiere mich über all die Spekulationen; Xhaka wird gehandelt, Gündogan und Toni Kroos ebenfalls - aber in Manchester dürfen sie, glaube ich, in der nächsten Saison auch bloß zu elft spielen."
Eberl nennt die drohenden Ausuferungen des globalen Transfergeschäfts nur noch: "Monopoly." Er fürchtet, dass sich die wachsenden Ablösesummen auf Spieler jeglicher Couleur auswirken, dass sich also auch junge Fußballer oder solche aus der zweiten Liga künftig um gleich mehrere Millionen Euro verteuern könnten. Er hält das für gefährlich.
Aber zunächst erwartet er Anfragen für seine besten jungen Spieler mit Spannung und Interesse. "Bislang gibt es kein Angebot", sagt er über die meistgehandelten Xhaka und Dahoud. "Bei beiden haben wir das Heft des Handelns in der Hand, beide haben einen Vertrag ohne Wenn und Aber über den Sommer hinaus." Heißt: ohne Ausstiegsklausel. Erst im Sommer 2017 soll Xhaka dem Vernehmen nach für festgeschriebene 30 Millionen Euro aus seinem bis 2019 gültigen Vertrag herauslösbar sein. Dahouds Vertrag gilt bis 2018, offenbar ganz ohne Ausstiegsklausel.
Statt sich ins Schicksal als offener Basar für solventere Weltklubs zu fügen, stilisiert Eberl seine Borussia derweil lieber zum attraktiven Ausbildungsklub, auch, um künftigen Spielern die Vorteile eines Wechsel an den Niederrhein schmackhaft zu machen. "Reus, Herrmann, Jantschke, ter Stegen, Dahoud" nennt Eberl als Belege, wenn er behauptet: "Bei uns kann man zu einem großen Spieler werden."
Weitere Beispiele dafür sind derzeit der 19-jährige dänische Innenverteidiger Andreas Christensen (ausgeliehen vom FC Chelsea) und der 19-jährige Schweizer Rechtsverteidiger Nico Elvedi (für vier Millionen Euro vom FC Zürich gekauft). So viel Zukunftspotenzial in der Abwehr fordert in der Gegenwart allerdings mitunter Tribut. Nur mit Fortune und einem gut aufgelegten Torwart Yann Sommer haben die Gladbacher gegen Köln ihr 1:0 ins Ziel gerettet, obwohl sie in der zweiten Halbzeit ganz schön ins Schwimmen gerieten. Doch diesmal hielt endlich die Null.