Süddeutsche Zeitung

Borussia Mönchengladbach:In Mailand bitte keine Witze

Zum Auftakt in strapaziöse englische Wochen kann sich Borussia Mönchengladbach schon mal an späte Anstoßzeiten gewöhnen. Gegen Wolfsburg reicht es dabei nur zu einem 1:1.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Marco Rose hat Humor. Er mag es, Menschen zum Lachen zu bringen. Nach dem eigentlich witzlosen 1:1-Unentschieden gegen den VfL Wolfsburg wurde der Trainer von Borussia Mönchengladbach gefragt, wann sein wegen akuter Vaterschaft ausgefallener Angreifer Alassane Plea wohl ins Team zurückkehre, und Rose antwortete trocken: "Sofort, denn ich gehe nicht davon aus, dass er ein Baby-Jahr einlegen will."

Während eines Spiels hält sich der 44-Jährige mit Schenkelklopfern allerdings zurück und erwartet das auch von seinen Spielern. Über Wolfsburgs späte Pointe zum 1:1-Ausgleich in der 85. Minute konnte Rose gar nicht lachen. "Selbst wenn man einen spielerischen Ansatz verfolgt, muss man auch mal humorlos klären können", sagte er genervt. Es war nach dem 1:1 bei Union Berlin (Ausgleich 80. Minute) für Gladbach schon die zweite spät verspielte Führung. Mit vier Zählern mehr wäre man jetzt punktgleich mit Bayern München und Borussia Dortmund. Da bleibt Rose das Lachen im Hals stecken.

Der Trainer Antonio Conte, der Stürmer Romelu Lukaku und der Mittelfeldspieler Arturo Vidal sind nicht als große Spaßmacher bekannt. Mit solch resoluten und humorlosen Burschen bekommen es die Gladbacher am Mittwochabend zu tun. Beim italienischen Titelanwärter Inter Mailand im Giuseppe-Meazza-Stadion bestreiten sie ihr erstes Champions-League-Spiel seit vier Jahren. Im Dezember 2016 hatte sich der Klub mit einer 0:4-Niederlage beim FC Barcelona aus dem bedeutendsten Klubwettbewerb verabschiedet, nun meldet er sich auf der großen Bühne zurück. Da erscheint die Frage berechtigt, ob der Trainer Rose seinen Spielern die Bedeutung von humorlosem Fußball kurzfristig noch einmal einbläuen will. "Nö!", antwortet er aber keck auf diese Frage und erläutert: "In Mailand ist es vor allem wichtig, mutig zu spielen."

Mut jedoch gewinnt man aus Erfolgserlebnissen, und die hat es für Gladbach zuletzt nur in überschaubarem Ausmaß gegeben. Nach einer 0:3-Niederlage zum Auftakt in Dortmund und dem 1:1 gegen Union Berlin schien ein 3:1-Sieg in Köln die Wende zu bedeuten; der Eindruck wurde durch eine starke, wenn auch torlose erste Halbzeit gegen Wolfsburg bestätigt. Doch in der zweiten Hälfte ging den Gladbachern die Luft aus. "Da sind wir merklich müde geworden", sagte Rose und warf seinen Spielern vor, nicht "zu Ende verteidigt, zu Ende gespielt und zu Ende gefightet" zu haben.

Dinge nicht zu Ende zu bringen, ist in einer hart umkämpfen Branche wie dem Fußball mehr als eine Ordnungswidrigkeit - und im Fall Gladbach außerdem unverständlich. Da hatten sie sich im Sommer selbst dafür gefeiert, keine Leistungsträger abgegeben zu haben und bekamen von allen sogenannten Experten genau dafür einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Kontrahenten wie Leipzig, München, Dortmund oder Leverkusen angedichtet - nun startet die vertraute Borussen-Truppe aber derart müde in eine Hinrunde, die noch dazu jetzt erst richtig stressig wird.

Sieben Pflichtspiele binnen 23 Tagen absolvieren die Gladbacher bis zum 8. November und nach der Länderspielpause bis Weihnachten weitere zehn Pflichtspiele binnen 33 Tagen. "Das werden intensive Wochen", sagt Rose, und man glaubt, einen kleinen Seufzer in seiner Stimme zu vernehmen. Zugeben würde er das aber nie, denn Spiele gegen Inter Mailand, Real Madrid, RB Leipzig oder Bayer Leverkusen sollte man nicht bedauern, sondern proaktiv bejubeln, und genau das leben Rose und Sportchef Max Eberl vor. "Geile Gruppe!", schwelgte Eberl über die Champions-League-Kontrahenten Inter, Real und Donezk, auch wenn diese Konstellation vermutlich wieder bedeutet, dass man es nicht in die K.o.-Runde schafft.

Über die Länderspiel-Beanspruchung seiner Spieler mag Rose nicht klagen, zumal man bei Florian Neuhaus und Jonas Hofmann das Gefühl hat, dass ihre ersten Einsätze im DFB-Trikot sie bestärkt haben. Gegen Wolfsburg bedurfte es zwar eines Elfmeters, um das Führungstor zu erzielen, aber das gelang Hofmann in Roses Sinne: humorlos.

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Quelle:
SZ vom 19.10.2020/cat
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