Borussia Mönchengladbach:"Fußball ist pervers"

Der Tabellenletzte Mönchengladbach versucht sich auf die Champions League einzustimmen. Nicht nur die Form bereitet Probleme, gegen Sevilla muss Trainer Favre die nächste Verletzung eines Spielers verkraften.

Von Christopher Gerards, Mönchengladbach

Max Eberl hat jüngst einen Film gesehen, der ihn derart berührt hat, dass er eine Gänsehaut bekam. Die Geschichte handelte von einem Fußballverein, der 2011 fast aus der Bundesliga abgestiegen wäre, sich dann aber rettete und 2015 sogar die Champions League erreichte. "Auf, auf, auf in die Champions League" stand im Titel, und Eberl hatte selbst eine Rolle übernommen in dem Streifen. Max Eberl, der Manager von Borussia Mönchengladbach, spielte Max Eberl, den Manager von Borussia Mönchengladbach. Der Film handelte von Eberls eigener Mannschaft, und er beruhte auf wahren Begebenheiten.

Am Dienstagabend bricht Mönchengladbach in ein Abenteuer namens Champions League auf. Gegner ist der FC Sevilla, und bislang galt es als ausgemacht, dass die Tour durch Europa das Beste sein wird, was der Borussia widerfahren konnte. Aber nach vier Bundesligaspieltagen wissen sie gerade selbst nicht mehr so richtig, ob sie sich noch freuen dürfen oder nicht. Max Eberl sagt: "Fußball ist pervers."

Borussia verlor am Freitag das Heimspiel gegen den Hamburger SV 0:3. Das ist bemerkenswert: Zum einen hieß der Gegner, wie gesagt, Hamburger SV; zum anderen bleibt Borussia Tabellenletzter. Vier Spiele, vier Niederlagen, 2:11 Tore: Das dämpft die Vorfreude auf Europa.

Borussia Mönchengladbach: Grübeleien des Trainers Lucien Favre. Wo nur bekommt er ein Champions-League-Team her? In Sevilla fehlt auch der verletzte Martin Stranzl.

Grübeleien des Trainers Lucien Favre. Wo nur bekommt er ein Champions-League-Team her? In Sevilla fehlt auch der verletzte Martin Stranzl.

(Foto: Martin Meissner/AP)

Seit Freitag planen sie wieder einen Film in Mönchengladbach, unbestätigten Informationen zufolge heißt der Arbeitstitel "Auf, auf, auf in die Einfachheit". Das Projekt ist auch eine Reaktion auf die vielen Unzulänglichkeiten, die sich gegen den HSV beobachten ließen. Die Tore von Pierre-Michel Lasogga (11., 44.) und Nicolai Müller (52.) hatte Gladbach mit grober Fahrlässigkeit in der Defensive ermöglicht. Beispielhaft das 0:1, als Tony Jantschke mit einem zu kurz geratenen Rückpass Lasogga bediente. "Wir müssen wieder einfacher werden", sagte Eberl deshalb - und meinte vor allem die Verteidigung.

Eigentlich war Martin Stranzl dafür vorgesehen, den Raum vor dem Gladbacher Tor dichtzuhalten. Nach sechs Monaten Verletzungspause spielte der Kapitän wieder in der Innenverteidigung. Er sei kein "Wunderwuzzi", hatte Stranzl vorab zwar gesagt, aber das wollte ihm niemand so recht abnehmen. Die meisten Menschen, die kein Österreichisch sprechen, wussten wahrscheinlich nicht mal, dass Wunderwuzzi so viel bedeutet wie Tausendsassa. Aber ein Wunder klingt ja immer gut. Doch Stranzl, der Hoffnungsträger, konnte nicht nur drei Gegentore nicht verhindern - er prallte in der 65. Minute überdies derart heftig mit dem Kollegen Havard Nordtveit zusammen, dass seine Augenhöhle brach. Stranzl wurde operiert, er fällt sechs bis acht Wochen aus.

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Formprobleme, Verletzungen: Lucien Favre saß am Freitagabend auf einem Podium und machte nicht den Eindruck, dass ihm die Champions League gerade gut in den Terminkalender passt. "In Sevilla haben wir den gleichen Kader wie heute - ohne Stranzl", sagte er. Er bemängelte vor allem die Laufwege seiner Mannschaft: "Es fehlt die Bewegung, defensiv und offensiv." Dass die Verpflichtungen in Europa ihm einige Trainingseinheiten rauben, verbesserte Favres Laune nicht gerade.

Die Mannschaft tagte am Samstag und diskutierte ihre gegenwärtige Lage. Angreifer André Hahn trat später vor die Mikrofone und verkündete die Ergebnisse des Seminars. Man wolle "mehr Gas geben" und "als Team auftreten". Es klang so, als brauche Mönchengladbach keinen Wunderwuzzi, sondern einfach mehr Selbstvertrauen.

Am Samstagabend nahm Manager Eberl dann im Sportstudio Platz. Sein Nacken schmerzte ein wenig, bei der Anreise hatte er einen Auffahrunfall. Mehr noch störten ihn aber die jüngsten Betriebsunfälle: "Glücklich ist keiner bei uns", sagte er. Gleichwohl hofft Eberl darauf, dass die Champions League eine therapierende Wirkung entfalten könnte: "Wir wollen sie nutzen, um uns positive Eindrücke zu holen." Eberl sagte: "Wenn Sie mich fragen: Möchten Sie gegen Sevilla gewinnen oder gegen Köln? - Dann würde ich Köln nehmen." Die größere Priorität im Mönchengladbacher Mehrebenensystem, das bedeutete dieser Satz, hat die Bundesliga. Danach erst kommt die Champions League.

Es gehört zu den guten Sitten im Sportstudio des ZDF, dass der Gast am Ende der Sendung auf eine Torwand schießt. Eberl trat trotz Nackenverletzung an und traf zweimal, einmal häufiger als sein Gegner. "Erster Sieg für Gladbach in dieser Saison", sagte der Moderator. Eberl lächelte gequält.

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