Borussia Mönchengladbach:"Das ist eine ganz enge Kiste"

Borussia Mönchengladbach - Inter Mailand

Gesprächsbedarf: Gladbachs Trainer Marco Rose nach dem 2:3 gegen Inter Mailand in der angeregten Analyse mit Schiedsrichter Danny Makkelie.

(Foto: Marius Becker/dpa)

In der spannendsten Champions-League-Gruppe ist Gladbach vor dem letzten Spieltag Tabellenführer.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Weihnachten bedeutet dem Trainer Marco Rose offenbar viel. Als Borussia Mönchengladbachs 2:3-Niederlage gegen Inter Mailand gerade abgepfiffen war, sprang der 44-Jährige schnurstracks auf den Schiedsrichter Danny Makkelie zu und redete heftig auf ihn ein. Rose gestikulierte und redete, redete und gestikulierte, und als er hinterher gefragt wurde, was er dem Schiedsrichter denn da alles gesagt habe, antwortete er: "Ich habe ihm frohe Weihnachten gewünscht."

Das war ein feiner Zug von ihm, denn er hätte dem Niederländer auch vorhalten können, zwei fragwürdige Entscheidungen getroffen und ein Champions-League-Spiel mit einem Streitwert von 2,7 Millionen Euro zugunsten Inter Mailands womöglich beeinflusst zu haben. Vor Inters 2:1-Führungstreffer war der ballführende Gladbacher Marcus Thuram gefoult, aber nicht in Opferschutz genommen worden, und Borussias vermeintlicher 3:3-Ausgleich kurz vor Schluss wurde annulliert, weil Breel Embolo dem Mailänder Torwart bei Alassane Pleas Schuss die Sicht verdeckt haben soll. Sowohl die Abseitsposition als auch die Sichtblockade wurden intensiv diskutiert.

Nachdem Rose den Referee mit den besten Wünschen zum Fest verabschiedet hatte, stellte er die spielentscheidenden Szenen im Fernsehinterview zur Debatte. Er wollte gerade andeuten, dass hier "zwei Fifty-fifty-Entscheidungen" wohl kaum zufällig zugunsten des großen europäischen Topklubs Inter Mailand gefallen seien, als er kurz innehielt und sich bewusst machte, dass die Gladbacher bei ihrer dritten Champions-League-Teilnahme und mit den Dauergästen Real Madrid, Inter Mailand und Schachjtar Donezk als Gruppengegner genau das nicht wollten: sich klein machen, zum Außenseiter stilisieren, für unbedeutend erklären und von Schiedsrichtern benachteiligt fühlen. Und so brach Rose seinen Satz unvermittelt ab und sagte: "Aber Borussia Mönchengladbach ist auch ein großer Klub - er hätte die Entscheidungen also auch zu unseren Gunsten treffen können."

Diese Selbstwahrnehmung verrät viel über die Gründe dafür, warum die Gladbacher in einer Gruppe, in der ihnen kaum Chancen eingeräumt worden waren, nach fünf von sechs Spieltagen nächsten Mittwoch als Tabellenführer zum Showdown nach Madrid reisen. Sie betrachten sich selbst als jenen europäischen Topklub namens Borussia, von dem seit Ende der Siebziger Jahre nicht mehr viele Menschen wussten, dass es ihn noch gibt. Es gibt ihn jetzt aber wieder. Die Ergebnisse gegen Donezk (6:0, 4:0), Mailand (2:2, 2:3) und Madrid (2:2) haben gezeigt, dass Gladbach die Opferrolle in dieser Gruppe nicht anzunehmen bereit war und fußballerisch tatsächlich mithielt.

Es kann natürlich sein, dass sie nächsten Mittwoch bei Real verlieren, hinterher nur Dritter sind und nächstes Jahr in der Europa League weiterspielen müssen. Aber das Selbstbewusstsein, das sich die Spieler in dieser elitären Champions-League-Gruppe geholt haben, das nehmen sie als Prämie sozusagen mit. Und noch ist ja auch alles möglich. "Wir sind noch mit dabei", sagt Rose, "das haben uns nicht viele zugetraut, aber wir fahren als Tabellenführer nach Madrid und wollen dort weiterkommen." Diese Gruppe, in der das von Gladbach zwei Mal gedemütigte Donezk kurioserweise zwei Mal gegen Real Madrid gewann, ist die spannendste aller acht Champions-League-Gruppen. "Das ist eine ganz enge Kiste, alle vier können noch weiterkommen", sagt Rose, "was will das Fußball-Herz mehr?"

Die Konstellation ist herrlich verzwickt. Zum Weiterkommen ins Achtelfinale dürfen die Gladbacher in Madrid sogar verlieren, aber nur dann, wenn Mailand und Donezk unentschieden spielen. Und für genau diese Voraussetzung im Parallelspiel nächsten Mittwoch war es sogar gar nicht schlecht, dass den Gladbachern der Ausgleich gegen Inter verwehrt wurde. Hätte ihr Treffer gezählt und hätten sie also unentschieden gespielt, dann wäre Mailand schon raus gewesen - und hätte Donezk nächsten Mittwoch womöglich eine maue Mannschaft entgegengestellt. Im Fall eines Sieges von Donezk und einer eigenen Niederlage hätte Gladbach dann als Dritter in die Europa League gemusst. So aber werden sich Inter und Donezk einen harten Kampf liefern. Es wird wild nächsten Mittwoch.

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