Borussia Dortmund zieht ins Champions-League-Finale ein:Die schönste aller Niederlagen

Borussia Dortmund Champions League Finale 25. Mai Real Madrid BVB

Dortmund nach der Niederlage - reif fürs Finale trotz Zitterpartie.

(Foto: dpa)

Geht es spannender, geht es dramatischer? Borussia Dortmund steht im Champions-League-Finale - trotz eines 0:2 bei Real Madrid. In einem Spiel mit unzähligen Großchancen fallen die Tore erst in der Schlussphase. Ein starkes Real wird nicht belohnt - auch, weil sich Dortmund reif fürs Endspiel zeigt.

Von Dominik Prantl

José Mourinho ist nicht nur der beste Trainer der Welt, wenn nicht gleich der gesamten Galaxis, sondern freilich auch ein fantastischer Prophet. Im Hinspiel von Real Madrid in Dortmund hatte er schon zur Halbzeit gewusst, dass seine Mannschaft mindestens 1:4 verlieren würde, wenn sie nicht all diese furchtbaren Fehler abstellen würde.

Wahrscheinlich hat es aber nicht einmal der Fußballfachmann Mourinho geahnt, welch ein unerhörtes Drama seine Mannschaft im eigenen Stadion liefern würde. Denn trotz des 2:0-Siegs der Madrilenen steht Borussia Dortmund im Finale der Champions League am 25. Mai in London. Dortmunds Trainer Jürgen Klopp meinte angesichts des knappen Weiterkommens nach dem Spiel: "Dortmund gibt es nur All inclusive. Da ist alles dabei. Aber wenn man ins Finale will, braucht man auch ein wenig Glück." Morgen kann der FC Bayern als zweiter Bundesligist ins Wembley-Stadion folgen.

Als die Borussia das Finale vor 16 Jahren zuletzt erreichte, war Mario Götze keine fünf Jahre alt und selbst der Älteste aus dem heutigen Kader, Sebastian Kehl, durfte noch nicht Auto fahren. Kein Wunder also, dass Lukasz Piszczek trotz ganz und gar unspanischen Temperaturen das Zwicken an den Adduktoren vergaß und sich dankbar in die Anfangsformation berufen ließ.

Während Dortmund damit im Vergleich zum Hinspiel unverändert auflief, verzichtete Mourinho auf Pepe sowie Sami Khedira, brachte Michael Essien und Angel di Maria. Hatte doch der königliche Trainer persönlich angewiesen: "Wir müssen im Vergleich zum Hinspiel alles anders machen, weil wir einfach zu schlecht waren."

Seine Fußballer machten vorerst wirklich vieles anders. Verschwunden war die Zaghaftig- und Ratlosigkeit der vergangenen Woche. Stattdessen zeigte sich die prophetische Gabe von Jürgen Klopp. Eine "anstrengende Anfangsviertelstunde" hatte Dortmunds Trainer erwartet.

Genau die gab es dann. Nach knapp vier Minuten klärte Roman Weidenfeller in höchster Not gegen Gonzalo Higuain per Fuß, nach sieben Minuten war Madrid schon viermal zum Eckball angetreten, ehe sich Robert Lewandowski plötzlich vor Diego Lopez materialisierte (13). Er scheiterte aber ebenso wie Sekundenbruchteile später Cristiano Ronaldo an Weidenfeller (13.).

Es ging weiter im Stile einer Eishockeybegegnung. Götze musste mit Oberschenkelzerrung raus, ausgerechnet Götze im vorletzten Champions-League-Spiel im Dortmunder Trikot, aber viel Zeit zum Nachdenken blieb nicht. Kevin Großkreutz kam rein (14.), Schmelzer pennte, Özil verzog alleine vor Weidenfeller stehend (15.).

Auf der Tribüne beruhigte derweil der spanische König Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke mittels Händchenhalten.1:0, 2:0, 3:1; all das wären logische Ergebnisse nach diesem furiosen Auftakt gewesen. Das torlose 0:0 höhnte der Wucht des Spiels, vor allem aber der Spielfreude Madrids.

Klopp kündigt eine längere Nacht an

Alle hatten es vor dem Anpfiff beschworen, die Dortmunder als Drohung, Madrid als Motivationshilfe: Drei Mal schon hat Real in den vergangenen 40 Jahren auf europäischem Parkett einen Rückstand von drei Toren oder mehr aufgeholt, in den Siebziger und Achtziger Jahren gegen Derby County, Anderlecht und Mönchengladbach. Aber Dortmund 2013 ist eben nicht Derby County, Anderlecht und Mönchengladbach aus dem Mittelalter des Fußballs.

Der deutsche Meister der vergangenen beiden Jahre ist gereift; er kann jetzt mehr als nur gnadenlosen Sturm und Drang. Nach der Angriffswelle schüttelten sie sich wie begossene Pudel, um dann mehr Zugriff auf das Spiel zu bekommen, wie das im Fachsprech so schön heißt. Oder anders: Dortmund kickte jetzt mit. "Wir haben da den Schlüssel zum Spiel verloren", befand Mourinho.

Fabio Coentrao und Sergio Ramos fuhren prompt Fußsohle und Ellbogen aus, bevorzugt gegen Robert Lewandowski, als wollten die beiden aus der Defensivabteilung dem vierfachen Torschützen des Hinspiels signalisieren: Wir haben gelernt. Heute nicht Bürschchen! "Da hätte ich mir gewünscht, dass er ein bisschen mehr Schutz kriegt", sagte Klopp.

Dennoch: Die Luft war irgendwie raus bei den Gastgebern. War es der fast unheimliche Angriffssturm zu Beginn, der so viel Kraft gekostet hatte? Hoben Sie sich den Atem für die zweite Halbzeit auf? Oder war die Erinnerung an Derby County, Anderlecht und Mönchengladbach schon dahin und mit ihr der Glaube an das Unglaubliche?

Beinahe hätte Lewandowski, der unfassbare Lewandowski, sämtliche Diskussionen kurz nach der Halbzeit endgültig beendet. Erst verballerte er aussichtsreich aus zehn Metern, dann jagte er die Kugel nach feinem Konter über Marco Reus an die Unterkante der Latte (50.). Kaum mehr etwas war zu sehen von Mesut Özil, fast nichts von Ronaldo, und wo war eigentlich der offensive Khedira-Ersatz di Maria?

Stattdessen hielt die Borussia das Tempo hoch, kein Sturm und Drang, aber kontrollierte Offensive. Ilkay Gündogan gelang nach erneuter Vorarbeit von Reus das Kunststück, aus fünf Metern Lopez zu treffen (62.) und Lewandowskis Schuss blieb irgendwie noch in der Abwehr hängen.

1:2, 3:2, 2:4, all das wäre jetzt logisch gewesen. Lange Zeit hatte es sich dieses Spiel offenbar vorgenommen, als bestes Null-zu-Null der Champions-League-Geschichte in die Annalen einzugehen.

Die Fans denken schon an Malaga

Es sollte anders kommen, das Spiel höhnte weiter, nun aber dem Dortmunder Konterfußball. Karim Benzema traf nach schönem Zuspiel von Özil (82.) zum 1:0, ein Hoffnungsschimmer nur. Bis Sergio Ramos den Ball zum 2:0 ins Dortmunder Netz (88.) wuchtete, die Hoffnung wuchs weiter für Madrid, das jetzt nur noch ein einziges Tor benötigte.

Dortmunds Fans mussten nur wenige Minuten an Malaga denken, ehe sie der Schlusspfiff vom Leiden befreite und Jürgen Klopp ausnahmsweise eine längere Nacht ankündigte: "Wir werden nicht päpstlicher sein als der Papst. Wir haben einen Tag länger als die Bayern. Und den werden wir nutzen."

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