Süddeutsche Zeitung

Borussia Dortmund vor dem Finale:Bei der Selbstherrlichkeit steht es unentschieden

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Nach dem FC Bayern lädt auch Borussia Dortmund Journalisten aus der ganzen Welt zum Medientag. Trotz des historischen Spiels geben sich die Verantwortlichen aus Westfalen gewohnt lässig und locker. Nur Fragen zur Personalpolitik dürfen nicht gestellt werden.

Von Philipp Selldorf, Dortmund

In England hat man nicht nur gelernt, die Bundesliga zu achten. Ganz besonders hat man gelernt, Jürgen Klopp zu mögen. "Wir lieben ihn, er ist fantastisch", hat am Mittwoch ein weitgereister englischer Journalist gesagt, nachdem er den Dortmunder Trainer auf dem internationalen Medientag der Borussia erlebt hatte. Klopp präsentierte sich den Zuhörern aus aller Welt so, wie ihn auch das deutsche Publikum schätzt: souverän, schlagfertig, lässig. "Und ein wenig narzisstisch", wie der Reporter aus London anmerkte.

Diese Erfahrung konnten die berufsmäßig angereisten ausländischen Beobachter am Dienstag beim Medientag in München und tags darauf in Dortmund sozusagen in Stereo machen: Beide Parteien befinden sich im beneidenswerten Zustand der Seelenruhe, weil sie vollauf von ihrer eigenen Herrlichkeit überzeugt sind. Hier weist der Spielstand vor der Begegnung der beiden Klubs beim Finale in London ein gerechtes Unentschieden aus.

Dem Dortmunder Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke kommt es "ganz normal" vor, dass laut Umfragen zwei Drittel der Bundesbürger am 25. Mai zur Borussia halten werden. Dass die Sympathien für den BVB überwiegen, "das überrascht uns nicht - ist auch klar", findet er. Im Grunde hält er diesen Vorsprung für verdient, aber höflicherweise merkte Watzke an, "dass Bayern eben polarisiert - auch das ist normal".

Während die Bayern wie gewohnt für die Position der Machtpolitik stehen, nimmt der BVB eine Form von Idealpolitik in Anspruch. Ehrgeizig, mutig und erfindungsreich, aber auch maßvoll, vernünftig und schlau. "Um etwas zu erreichen, muss man bereit sein, groß zu denken und sich weit aus dem Fenster zu lehnen", beschrieb Frontmann Klopp das sportliche Leitmotiv. Nicht weniger dynamisch erläuterte Watzke das wirtschaftliche Grundgesetz: "Die Headline lautet: Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, aber wir werden nie wieder einen Euro Schulden für einen eventuellen sportlichen Erfolg machen."

Kurz zuvor hatte er noch eine andere Schlagzeile formuliert. Gefragt nach dem Druck vor dem Finalspiel, blickte er in den Saal, in dem 160 Journalisten und drei Dutzend Kamerateams beisammen waren, und sagte: "Da gibt es keinen Druck. Für uns muss die Headline lauten: Von Ground Zero nach Wembley. Vor acht Jahren saßen in diesem Raum keine Journalisten, sondern Gläubiger." Dem BVB habe außer der Insolvenz die Relegation "in die Kreisliga C" gedroht, "enger als damals geht nicht". Ein bisschen Arbeit am Mythos gehört ja auch dazu.

Lustigerweise wurde Watzke trotzdem aufgefordert, Auskunft über die weiteren "Visionen" des BVB zu geben - als ob er der Vorsitzende eines Technologiekonzerns wäre. Er versprach ehrlichen "Fußball nach westfälischer Mentalität". Die akut gefragten Visionen der Führungscrew wurden am Mittwoch jedoch zum Tabuthema erklärt. Erkundigungen zu Meldungen vom Transfermarkt waren nicht zugelassen. "Man kommt mit dem Kommentieren der Gerüchte nicht hinterher, deswegen lassen wir das", meinte Sportchef Michael Zorc.

Einige der vielen möglichen Personalien zeichnen sich aber ab: Etwa die Sympathien für Kevin de Bruyne, die der von Chelsea an Werder Bremen verliehene Belgier offenbar erwidert. Über einen Verkauf des 21-jährigen Mittelfeldspielers wollen die Engländer allerdings erst befinden, wenn der neue Trainer da ist.

An Christian Eriksen, 21, von Ajax Amsterdam besteht Interesse und auch am Brasilianer Bernard, 20, von Atletico Mineiro, dem Klub des BVB-Veteranen Dedé. Und die tägliche Neuigkeit zu Robert Lewandowski? "Vor dem Finale ist das kein Thema", sagte Jürgen Klopp, der "im Übrigen" glaubt, dass das auch nach dem Finale so bleibt: "Ich gehe davon aus, dass Robert nächstes Jahr bei uns spielt." Das ist womöglich mehr als eine optimistische Parole. Lewandowski und sein Management sollten die Entschlossenheit des BVB jedenfalls nicht unterschätzen.

Außer der erfreulichen Nachricht, dass Mario Götze rechtzeitig zum Finale wieder fit wird - der 20-Jährige, den ein Muskelfaserriss im Oberschenkel plagt, befinde sich bereits wieder im leichten Training, und es laufe "bisher alles planmäßig", berichtete Klopp - nahmen die ausländischen Medienleute zur Kenntnis, dass bei der Begegnung zwischen Bayern München und Borussia Dortmund nicht nur zwei gegensätzliche Fußball-Mächte, sondern auch zwei verschiedenartige Stämme aufeinandertreffen. Süden gegen Westen, Bayern gegen Westfalen, und das mitten in London. Mittelfeldspieler Ilkay Gündogan ist hoffnungsvoll überzeugt davon, "dass uns das gesamte Ruhrgebiet unterstützt. Selbst Menschen, die in Gelsenkirchen leben." Dort kommt er her.

Neulich beim Besuch seiner Eltern in der Heimatstadt kamen echte Schalker auf ihn zu und sagten: "Hoffentlich gewinnt ihr." Auch dies ist durchaus eine Headline wert.

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Quelle:
SZ vom 16.05.2013
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