Borussia Dortmund verliert beim HSV:Erste Niederlage seit 31 Spielen

Überraschung in der Bundesliga: Borussia Dortmund verliert zum ersten Mal seit mehr als einem Jahr ein Spiel in der Fußball-Bundesliga. Der Meister erkennt zu spät, dass er sich auch beim zuvor punktlosen Hamburger SV anstrengen muss und vergibt am Ende hochkarätige Chancen zum Ausgleich.

Carsten Eberts

Jürgen Klopp verharrte noch einige Sekunden mit verschränkten Armen, dann stapfte er langsamen Schrittes auf den Platz. Um ihn herum jubelte das Hamburger Fußballvolk, ungläubig dessen, was sich fast eine ganze Saison nicht mehr zugetragen hatte: Borussia Dortmund hatte tatsächlich ein Fußballspiel verloren. Erstmals seit 31 Partien. Und Klopp war bedient.

Hamburger SV's Min Son scores his second goal during the German Bundesliga first division soccer match against Borussia Dortmund in Hamburg

Entscheidendes Tor in Hamburg: Heung Min Son trifft zum 3:1 gegen Dortmund.

(Foto: REUTERS)

Ausgerechnet beim zuletzt kriselnden Hamburger SV war die Serie also gerissen. Hamburg gewann durch Tore von Heung Min Son (2. und 59. Minute) sowie Ivo Ilicevic (55.). Die beiden Treffer von Ivan Perisic (46., 60.) reichten dem BVB nicht. Fünf Punkte Rückstand hat der BVB nun bereits auf den FC Bayern.

"Das war ein gebrauchter Tag. Viel gefallen hat mir heute nicht", sagte Klopp beim TV-Sender Sky, "heute waren wir fahrlässig in der Anfangsphase. Dabei hatten wir gefühlt 20 hundertprozentige Chancen." Verteidiger Mats Hummels assistierte mit harter Selbstkritik: "Die Gegentore haben wir hergeschenkt, und wir mussten selbst sieben, acht Tore machen."

Für den HSV begann die Partie perfekt. Rafael van der Vaart spielte erstmals seit seiner Rückkehr vor eigenem Publikum - jener Mann, auf den sie so große Hoffnungen setzen, der den Klub allein durch seine Präsenz vor dem Abstieg bewahren soll. Und dann: Gleich in seiner ersten Aktion eilte van der Vaart davon, flankte in die Mitte auf den Koreaner Heung Min Son, der an Mats Hummels vorbei unbedrängt einköpfte. Im Hamburger Stadion wurde gebrüllt, gehüpft und geherzt. Der Van-der-Vaart-Faktor, er wirkte offenbar.

Der BVB wirkte nach dem frühen Rückstand verunsichert. Marcel Schmelzer schickte eine Flanke dorthin, wo nicht einmal in 20 Metern Entfernung ein Mitspieler stand. Klopp tobte kurz, stand dann recht verbittert an der Seitenlinie. Für eine gefährliche Aktion sorgte zunächst HSV-Verteidiger Michael Mancienne, der seinen Torwart René Adler mit einer verunglückten Kopfballabwehr vor eine schwere Prüfung stellte. Adler parierte jedoch sicher (10.).

Adler rettet den Sieg

Beim HSV drehte sich alles um van der Vaart. Nicht nur, dass sein Name beim Verlesen der Mannschaftsaufstellung so laut gebrüllt wurde, wie lange kein Name mehr in der Hamburger Arena. Die Mitspieler suchten van der Vaart, wann immer es ging, in der Hoffnung, der Niederländer würde das Spiel schon ordnen. Van der Vaart nahm die Rolle an: Nach 22 Minuten stampfte er den jungen Moritz Leitner in den Boden und sah verdientermaßen Gelb.

Angetrieben vom Niederländer präsentierte sich der HSV agil wie seit Monaten nicht mehr. Dennis Diekmeier flankte über rechts in den Rücken von Artjoms Rudnevs, der tatsächlich zu einem Fallrückzieher ansetzte. Vor zwei Wochen hätte er sich dabei womöglich noch beiden Beine gebrochen. Nun brachte er das Spielgerät immerhin annähernd aufs Tor (35.). Auf der anderen Seite hatte Robert Lewandowski die bis dato beste Dortmunder Chance. Seinen Drehschuss aus 13 Metern lenkte René Adler jedoch um den Pfosten (38.).

Die zweite Halbzeit war erst wenige Sekunden alt - und schon jubelte der BVB. Nicht mal eine Minute war gespielt, als Ivan Perisic vom linken Strafraumeck eine Flanke in die Mitte schickte. Sein Schuss missriet derart, dass nicht nur kein Spieler herankam: Der Ball wurde immer länger und senkte sich über HSV-Keeper Adler hinweg ins Tor. Perisic zuckte mit den Schultern, lächelte verlegen. So war das sicher nicht geplant. Aber der BVB hatte das Spiel ausgeglichen (46.).

Das Hochgefühl hielt nur neun Minuten an. Denn dann führte wieder der HSV. Van der Vaart spielte den Ball in den Lauf von Ivo Ilicevic, der harft an der Abseitsgrenze stand, von Schiedsrichter Günter Perl jedoch nicht zurückgepfiffen wurde. Ilicevic drosch den Ball am verdutzten BVB-Keeper Weidenfeller vorbei ins kurze Eck.

Klopp motzte an der Seitenlinie, wirklich Zeit hatte er jedoch nicht, die vermeintliche Abseitsstellung zu beklagen. Denn es wurde richtig wild. Nach einem Fehler von Mats Hummels schlenzte zunächst der Koreaner Son den Ball ins Dortmunder Tor zum 3:1 - ungläubig ob seiner Heldentat stürmte Son auf Trainer Thorsten Fink zu, umarmte ihn, wollte gar nicht mehr aufhören zu jubeln. War das Spiel tatsächlich gelaufen? Überhaupt nicht. Direkt nach dem Wiederanpfiff, als der HSV noch ganz benommen war, tauchten drei Dortmunder frei vor Adler auf. Perisic brachte den Ball locker im Hamburger Tor unter - das Spiel war wieder offen.

Klopp versuchte nun alles. Er nahm Sebastian Kehl und Marco Reus vom Feld, brachte in Jakub Blaszczykowski und Julian Schieber zwei Offensivkräfte. Beim HSV wurde Adler zum entscheidenden Mann: Erst rettete er gegen den freistehenden Blaszczykowski (65.), dann parierte er einen Perisic-Freistoß (67.). Kurz darauf hielt er auch noch gegen Götze (70.). Dortmund drückte nun, die Frage war, wie lange der HSV dem Druck stand halten kann.

Doch der HSV rettete sich über die Zeit. Erst traf Schieber freistehend den Ball nicht richtig (77.), dann parierte Adler in der Nachspielzeit erneut gegen den Dortmunder. Die letzte Chance auf den Ausgleich hatte Lewandowski - sein Lupfer flog knapp über Adler hinweg. Jedoch auch über das Hamburger Tor. Am Ende gewannen die Dortmunder die Toschuss-Statistik 26:6, verloren das Spiel aber 2:3. Van der Vaart sagte: "Natürlich war Dortmund besser, aber wir haben gekämpft und Leidenschaft gezeigt und verdient die drei Punkte geholt."

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