Borussia Dortmund:Schaulaufen auf dem Stolperrasen

Borussia Moenchengladbach v Borussia Dortmund - Bundesliga

Schwarz-gelbes Festkomitee: Marco Reus (ganz links), André Schürrle (ganz rechts) und Mario Götze (2. von rechts) sind wieder voll dabei.

(Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)

Trotz schlechter Platzverhältnisse in Gladbach zeigt das Rückkehrer-Trio Marco Reus, Mario Götze und André Schürrle Qualitäten, die auch dem Bundestrainer gefallen.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

114 Tage vor dem Beginn der Weltmeisterschaft in Russland ist der erste deutsche Spieler nominiert - so gut wie jedenfalls: Marco Reus von Borussia Dortmund könnte seine erste WM spielen. Am Sonntagabend sagte der Trainer: "Wenn er gesund bleibt, steht für mich außer Frage, dass er beim Turnier dabei sein wird." Gesagt hat das allerdings nicht Bundestrainer Joachim Löw, sondern BVB-Coach Peter Stöger. Mehr als eine Empfehlung ist das also nicht, und der für Löw maßgebliche Faktor ist eher, mit welcher Qualität und Körpersprache Reus die Dortmunder nach seiner achtmonatigen Verletzungspause zu drei Siegen in Serie geführt hat. Einem 2:0 gegen Hamburg und einem 3:2 gegen Bergamo ließen die Borussen ein 1:0 bei Borussia Mönchengladbach folgen. Das wunderschöne goldene Siegtor erzielte, ach was, zelebrierte: Marco Reus.

Vier Niederlagen, kein Knipser - auch Lars Stindl kann die Gladbacher derzeit nicht retten

Sollte auch die deutsche Mannschaft in Russland Tore von solcher Güte schießen, dann könnte das ein unterhaltsamer Fußball-Sommer werden. Mario Götze bediente mit einem übersichtlichen weiten Ball auf die linke Seite André Schürrle, und der fand auf der anderen Seite des Feldes im Strafraum Reus. Der wiederum schoss derart präzise ein, dass es fast unmenschlich gewesen wäre, wenn er nach dem Spiel nicht zugegeben hätte, dass er etwas ganz anders vorgehabt und den Ball schlichtweg nicht richtig getroffen hatte.

Sei's drum. Götze, Schürrle und Reus reüssieren im schwarz-gelben Trikot gerade derart, dass man sie sich auch wieder gut im weißen Hemd mit dem Bundesadler vorstellen kann. Ein eingespielter Dortmunder Offensiv-Block aus drei Freunden, die sogar miteinander in den Urlaub fahren, wäre keine schlechte Alternative für den WM-Kader. Hinter den Dreien spielt Julian Weigl, noch ein weiterer Dortmunder WM-Kandidat. Alle vier gehören zum erweiterten Nationalkader, aus dem Löw sein Team für Russland auswählt.

Aus Mönchengladbach gehören nur Matthias Ginter und Lars Stindl zum erweiterten Nationalkader. Die beiden werden zurzeit nicht so häufig nach ihren WM-Perspektiven gefragt, obwohl Ginter seine Sache als Innenverteidiger sehr gut macht und mit vier Toren auch noch drittbester Gladbacher Torschütze dieser Saison ist. Daran kann man aber auch Stindls Problem erkennen. Er steht ebenfalls bei erst vier Saisontoren, sein bislang letztes ist schon drei Monate her, das sind in Pflichtspielen: zwölf, und in Netto-Fußballzeit: 19 Stunden und 25 Minuten.

So lange hat Stindl weder ein Tor erzielt noch eines vorbereitet. Entsprechend erfolglos agiert zurzeit die Borussia vom Niederrhein. Sie ist seit sechs Fußballstunden ohne Tor und mit vier Niederlagen nacheinander ins graue Tabellenmittelfeld der Bundesliga abgestürzt.

Bei der westfälischen Borussia haben sie im Gegensatz zur rheinischen die Zuständigkeit fürs Toreschießen zurzeit gut delegiert: Die vier Angreifer Michy Batshuayi (5), Schürrle (2), Götze und Reus (je 1) haben die jüngsten neun Treffer unter sich aufgeteilt, sogar fünf der dazugehörenden Vorlagen haben sie sich gegenseitig gegeben. In Gladbach trifft seit vier Spielen überhaupt niemand mehr, obwohl die Spieler sehr aktiv und lauffreudig sind. 28:8 lautete das Torschuss-Verhältnis zwischen Gladbach und Dortmund, aber bei den Gastgebern reibt sich Stindl im zentralen Mittelfeld momentan zu sehr auf, als dass er auch noch die finale Verwertung im Strafraum übernehmen könnte.

Genau dort, im Strafraum, macht sich das Problem der Gladbacher Kaderkomposition bemerkbar: Es gibt keinen Vollstrecker, keinen Knipser, keinen klassischen Neuner, keinen Zentrumsstürmer mit Torjäger-DNA. Der Brasilianer Raffael hat das jahrelang kompensiert, jetzt ist er verletzt, und sein Ersatz Raul Bobadilla hat seine besseren Zeiten ebenfalls hinter sich.

Derselbe Trainer, der Marco Reus schon im deutschen WM-Kader sieht, machte den Gladbachern aber ein Kompliment für ein "außergewöhnlich gutes Spiel auf dieser katastrophalen Wiese". Stöger lobte die Kontrahenten übermäßig und sprach über die Leistung seiner Dortmunder ebenso verhalten wie über seinen BVB-Startrekord, den er nach diesem achten Dortmunder Bundesliga-Spiel unter seiner Leitung aufgestellt hat. Mit fünf Siegen, drei Unentschieden und folglich ohne Niederlage ist noch nie ein BVB-Trainer in seine Amtszeit gestartet. Doch den Österreicher Stöger ließ das kalt. "Ich wusste von diesem Rekord nichts, er bedeutet mir nichts und er hilft uns auch nicht weiter", sagte er mit einer solchen Gleichgültigkeit, dass man sich fragen musste, wie er in Köln zu einem der pointenreichsten Trainer der Historie hatte avancieren können.

Komödiantische Aufgaben übernimmt im Dortmunder Kader stattdessen Mario Götze, der über den miserablen Rasen witzelte: "Die ersten 20 Minuten waren wie Eiskunstlauf, einen Rasen dieser Qualität habe ich auch zuhause im Garten."

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