Borussia Dortmund:Reus ist jetzt der leitende Motivator

Bundesliga - Borussia Dortmund vs Hamburger SV

Sofort Kapitän: Marco Reus im Spiel gegen Hamburg.

(Foto: REUTERS)
  • Die Verletzungs-Historie von Marco Reus ist ewig lang, doch jetzt ist er wieder da.
  • Bei Borussia Dortmund erlebte er gegen den HSV ein umjubeltes Comeback.
  • Laut eigener Aussage macht sich der 28-Jährige auch große Hoffnungen auf eine WM-Teilnhame in diesem Sommer.

Von Ulrich Hartmann, Dortmund

André Schürrle und Mario Götze haben in Deutschland vor vier Jahren Jubel ausgelöst - aber bei Marco Reus zugleich Wehmut. Schürrles Vorlage und Götzes Siegtor im Finale machten die DFB-Elf 2014 zum Weltmeister - und Reus zu einem Spieler, der den bedeutendsten Titel verletzt daheim verpasste.

Am Samstag haben der assistierende Schürrle und der vollendende Götze das Tor zum 2:0 für Borussia Dortmund gegen den Hamburger SV als eine Art Wiederaufführung zelebriert und ihren Teamkollegen Reus daran erinnert, sich jetzt für die nächste WM bereit zu machen. Reus war acht Monate verletzt. Nun ist er wieder fit. Als er im Anschluss an sein Comeback gefragt wurde, wie er seine Chancen sehe, in vier Monaten bei der Weltmeisterschaft in Russland mitspielen zu dürfen, ging ein Lächeln über sein Gesicht. Er sagte: "Sehr gut!"

Winter- Zugang Batshuayi hilft dem BVB

Reus ist 28 Jahre alt und einer der meistverletzten Fußballer der Gegenwart. Er verpasste die WM 2014 und die EM 2016, es hieß für ihn "Adeus, Brasil!" und "Adieu, la France!" Aber diesmal könnte es klappen, diesmal könnte er - "Provet, Rossija!" - seine erste WM spielen. Vor allem darum geht es für Reus in den kommenden Wochen.

Neben dem Ziel, sich mit dem BVB für die Champions League zu qualifizieren, muss er Bundestrainer Joachim Löw beweisen, dass er wieder so stark werden kann wie zuvor. "Ich war über all die Zeit meiner Verletzung mit ihm im Austausch", berichtete Reus nach seinem Comeback, "wenn ich meine Leistung bringe, dann werde ich bei der WM in Russland dabei sein."

Die erste Verletzung in Reus' Karriere war eine Innenbanddehnung im Knie. Er war 21 Jahre alt, spielte für Mönchengladbach und versäumte nicht mal ein Spiel. Ein Jahr später fiel er mit einem Muskelfaserriss für eine Partie aus, ein Dreivierteljahr später mit einem gebrochenen Zeh für zwei Spiele. Aber das waren Kinkerlitzchen. Binnen drei Jahren in Gladbach verpasste er verletzungsbedingt nur drei Spiele. Seit er 2012 zu Dortmund gewechselt ist, hat er hingegen schon 99 Pflichtspiele verpasst.

Er fiel 2014 vier Monate aus, 2016 ein halbes Jahr und zuletzt seit dem Pokalfinale im Mai 2017. Am Samstag hat Reus erstmals wieder ein Pflichtspiel bestritten. Die acht Monate waren seine bisher längste Pause, sie haben ihn zwischenzeitlich zermürbt. Reus lässt durchklingen, wie schwierig eine x-te Rekonvaleszenz ist: "Mit zunehmendem Alter wird es nicht leichter, sich wieder heranzukämpfen."

Gegen den HSV stand Reus überraschend sogar in der Startelf. Er leitete die 1:0-Führung ein - das dritte Tor im zweiten Spiel für Sturm-Zugang Michy Batshuayi (49.) -, war 70 Minuten sehr präsent und wurde dann ausgewechselt, obwohl er Luft und Lust hatte durchzuspielen: "Auch nach 70 Minuten habe ich mich noch ziemlich gut gefühlt, aber man soll's ja nicht übertreiben, wir haben noch viele wichtige Spiele vor uns", sagte er vernünftig.

Kontrapunkt zu Dembélé und Aubameyang

Als Reus das Feld verließ, sangen die Fans auf der Südtribüne: "Wir sind alle Dortmunder Jungs." Diese Hommage richtete sich an den gebürtigen Dortmunder Reus, aber auch an den Sympathieträger Reus, von dem die Fans hoffen, dass er seinen Vertrag (bis 2019) verlängert und damit einen Kontrapunkt setzt zu Spielern wie Dembélé und Aubameyang, die sich aus Dortmund fortgestreikt haben.

Als Reus im Pokalfinale 2017 letztmals gespielt hatte, waren Dembélé und Aubameyang noch dabei, genauso wie Trainer Thomas Tuchel. Damals imponierte der BVB mit kreativem, flottem Spiel - zwei Eigenschaften, die der Mannschaft verloren gegangen sind. "Natürlich war es nicht gerade exzellent", sagte Reus nach dem zähen HSV-Spiel.

Er hatte sich auffällig bemüht, die Kollegen zu ermuntern und zu lenken. Reus gilt jetzt als leitender Motivator, nachdem Geschäftsführer Watzke der Mannschaft ein Mentalitätsproblem unterstellt hat. "Ich find's wichtig, dass wir nicht immer nur das Negative sehen", sagte Reus, "wir haben nicht gut gespielt, aber wir haben gesiegt, und wenn man gewinnt, kommt das Spielerische automatisch."

Im Nationalteam muss Reus darauf hoffen, dass Löw ihn im Juni gebrauchen kann. Beim BVB hat Trainer Peter Stöger für Reus am Samstag extra das System verändert. Statt mit einem zentral-defensiven Mittelfeldspieler spielte er mit Julian Weigl und Shinji Kagawa als Doppelsechs - und Reus zentral-offensiv davor, als klassischem Zehner. "Ich fühle mich auf der Zehn am wohlsten, da habe ich immer meine besten Leistungen gebracht", sagte Reus.

In Dortmund tun sie eben alles, um ihm die Wiedereingliederung zu erleichtern und ihn zugleich für die WM attraktiv zu machen. Denn wenn sich der BVB für die Champions League qualifiziert und Reus nach Russland fahren darf, könnte er glücklich genug sein, um seinen Vertrag in Dortmund zu verlängern. Ob Götze und Schürrle mit zur WM fahren, erscheint derweil ungewiss. Sie kämpfen also zu dritt um Tickets für Russland. Gute Aussichten für den BVB.

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