Borussia Dortmund:Der Zuckerschock stört die Hausarbeit

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Miese Laune nach dem 0:2: die Spieler von Borussia Dortmund um Giovanni Reyna, Nico Schlotterbeck und Torwart Gregor Kobel (von links). (Foto: David Inderlied/dpa)

Zum wiederholten Mal folgt bei Borussia Dortmund auf ein starkes Europapokalspiel ein trostloser Bundesliga-Auftritt: Nach dem 0:2 gegen Bochum warnt Verteidiger Schlotterbeck vor einer „Horrorsaison“.

Von Ulrich Hartmann, Bochum

Einer aktuellen Erhebung zufolge behaupten 68 Prozent der deutschen Männer, die Hausarbeit sei zwischen ihnen und der Partnerin gleichwertig aufgeteilt. Die Partnerinnen sehen das in derselben Umfrage allerdings völlig anders. Nur 44 Prozent gaben an, es gehe bei der Arbeit im Haushalt gerecht zu.

Mit der männlichen Einschätzung zur Hausarbeit ist es folglich so eine Sache. Dies bestätigen auch die Leistungen der Fußballer von Borussia Dortmund. „Die Bundesliga ist unsere Hausarbeit“, mahnte am Samstag demonstrativ demütig der neue Trainer Niko Kovac kurz nach einem Spiel, das über die sorgsame Erledigung der Dortmunder Basics in dieser Saison wenig Gutes verraten hatte. Das 0:2 beim Tabellenletzten VfL Bochum war bereits die neunte Niederlage in dieser Bundesligasaison für eine im Tabellenmittelfeld versunkene Dortmunder Mannschaft, deren Anspruch es doch eigentlich ist, einen der ersten vier Tabellenplätze und damit die Champions League zu erreichen.

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Nach den Aufräumarbeiten in der Chefetage setzt sich Dortmunds Misere auch beim Debüt von Trainer Niko Kovac fort. Das 1:2 gegen Stuttgart erhärtet den Verdacht, dass das Hauptproblem des BVB nicht an der Seitenlinie zu finden ist.

Von Ulrich Hartmann

Vermutlich mindestens 68 Prozent der Dortmunder Spieler halten dieses BVB-Team vom Potenzial her für eines der besten in der Bundesliga. Aber wahrscheinlich maximal 44 Prozent ihrer Fans und Beobachter glauben momentan daran, dass die Dortmunder die Champions-League-Plätze noch erreichen.

Dabei spielt die Champions League in der zunehmenden fußballerischen Schizophrenie von Borussia Dortmund eine relevante Rolle. Im Europapokal steht der BVB kurz vor dem Einzug ins Achtelfinale, dazu bedarf es am Mittwoch im Heimspiel gegen Sporting Lissabon bloß noch der Verteidigung eines 3:0-Sieges aus dem Hinspiel.

Georgios Masouras trifft für Bochum zweimal

Just dieser Sieg hatte am Dienstag bei den Dortmundern die Hoffnung geweckt, dass sie unter dem neuen Trainer Kovac endlich in der bislang so verkorksten Bundesligasaison die Wende schaffen. Doch von einer solchen Wende ist beim BVB auch unter dem nun schon dritten Chefcoach dieser Saison (nach Nuri Sahin und Mike Tullberg) nichts zu spüren. Das Kovac-Debüt daheim gegen den VfB Stuttgart verlor Dortmund am vorletzten Samstag 1:2, dann gab es das 3:0 in Lissabon und vier Tage später nun das 0:2 in Bochum, bei dem sich der BVB vom Tabellenletzten vorführen ließ. Bochums neue griechische Leihgabe Georgios Masouras schoss in der 33. und 35. Minute die beiden Siegtreffer. Die Dortmunder schafften es danach trotz einer ganzen Stunde verbleibender Spielzeit nicht, die Bochumer Führung auch nur annähernd in Gefahr zu bringen.

Nach dem Spiel war es dem Trainer Kovac wichtig, die Bedeutung von Bundesliga und Champions League noch einmal grundsätzlich einzuordnen. „Die Bundesliga ist unsere Hausarbeit, die Champions League ist nur die Sahne auf der Torte“, sagte er mahnend. Dabei lieben die Dortmunder ihre Tortensahne offenbar so sehr, dass sie bei ihren oft respektablen Leistungen in der Champions League eine Art Zuckerschock erleiden. Neun Europapokalspiele hat der BVB in dieser Saison bestritten, und schon zum vierten Mal ist es ihm nun passiert, dass er nach einem Champions-League-Sieg das folgende Bundesligaspiel verlor. Einem 3:0 in Brügge folgte ein 1:5 in Stuttgart, einem 7:1 gegen Glasgow ein 1:2 bei Union Berlin, einem 1:0 gegen Graz ein 1:3 in Mainz und dem 3:0 in Lissabon nun das 0:2 in Bochum.

Zwischen Torte und Hausarbeit geht den Dortmundern irgendwas verloren, und es fällt nicht allzu schwer zu erkennen, dass das etwas mit der mentalen Einstellung zu tun hat. Natürlich hatte Kovac seine Spieler darauf vorbereitet, dass es beim Spiel im Bochumer Ruhrstadion sehr körperlich zugehen würde und ein Mittel zum Erfolg wäre, sich massiv zu wehren. Doch davon war von der ersten Minute an wenig zu erkennen. „Sie haben das schon verstanden, aber sie konnten es nicht umsetzen“, sagte Kovac.

Kovac überrascht, als er Brandt auf eine Stufe mit Wirtz und Musiala hebt

Das war nicht zum ersten Mal in dieser Saison so. Wie eklatant beim BVB aktuell die Lücke zwischen Selbsteinschätzung und Leistungsfähigkeit ist, das zeigte ein Zitat vom Trainer Kovac vor dem Anpfiff in Bochum beim Sender Sky. Da sagte er nämlich über seinen spielerisch recht wankelmütigen und deshalb in der Öffentlichkeit umstrittenen Spielgestalter Julian Brandt: „Neben Wirtz und Musiala gehört unser Jule irgendwo auch in diese Range.“ Damit stellte er Brandt auf eine Ebene mit den derzeit besten und wertvollsten deutschen Spielern Florian Wirtz (Bayer Leverkusen) und Jamal Musiala (Bayern München) – und diese Behauptung wirkte angesichts der aktuellen Dortmunder Leistungen und Ergebnisse in der Bundesliga mindestens kühn.

Dass viele Beobachter primär an Brandt die Wechselhaftigkeit des BVB festmachen, ist freilich ungerecht. So ziemlich kein Spieler in Gelb hat in Bochum sein Potenzial abgerufen. „Die Basics im Fußball lauten: Zweikämpfe annehmen und Zweikämpfe gewinnen – das muss sich schleunigst ändern“, mahnte der Innenverteidiger Nico Schlotterbeck. „Das müssen wir schnell hinkriegen, sonst wird es eine Horrorsaison.“

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