Süddeutsche Zeitung

BVB-Talent Moukoko:Ein Typ wie Gerd Müller

Youssoufa Moukoko könnte am Samstag - einen Tag nach seinem 16. Geburtstag - erstmals für die Profis von Borussia Dortmund auflaufen. Der Klub hat ihn vorsorglich mit einem Interview-Verbot belegt.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Youssoufa hat Geburtstag, er wird 16 Jahre alt. Eigentlich ein Tag, den die meisten Jungs und Mädchen zum Anlass nehmen für Partys, inklusive erstmals legaler Experimente mit alkoholischen Getränken. Bei Youssoufa Moukoko wird sicher kein Korken knallen. Erstens fallen selbst alkoholfreie Feiern Corona zum Opfer, zweitens trinkt er sowieso nichts, und drittens dürfte Borussia Dortmunds jüngstes Wunderkind an diesem Freitag erst zum Abschlusstraining auf dem Platz stehen und anschließend mit dem Profikader des BVB zum Ligaspiel nach Berlin aufbrechen.

Ob Moukoko von Trainer Lucien Favre dann tatsächlich schon auf das Spielfeld im Berliner Olympiastadion geschickt wird, kommentiert Sportchef Michael Zorc diskret: "Wir werden versuchen, den Hype um ihn nicht noch weiter anzuheizen." Aber die Chancen stehen gut. Moukoko wäre der jüngste Spieler der Bundesliga-Geschichte, und er würde just den Dortmunder Nuri Sahin ablösen, der 2005 bei seinem Debüt als BVB-Profi aber schon fast 17 war, also gut ein Jahr älter. Erst in diesem Sommer hatte die Liga beschlossen, dass Spieler künftig ab ihrem 16. Geburtstag für die Profiteams auflaufen dürfen. Auf Antrag von Borussia Dortmund, aber in Anlehnung an andere große Ligen Europas, wie England oder Spanien.

Lars Ricken war Mitte der 1990er Jahre der Inbegriff eines Wunderkinds, der erste Teeniestar der Bundesliga. Nun ist Ricken seit Jahren der Nachwuchskoordinator des BVB, eine Art Michael Zorc der Jugendabteilung - also der Mann hinter den bisweilen sensationell anmutenden Erfolgen der Dortmunder Talentschmiede. Sein Tor für die Borussia 1997 im Champions-League-Finale gegen Juventus Turin, als damals 18-Jähriger, hat ihn in Dortmund zur Legende gemacht. Ricken holte Moukoko, der in Yaounde/Kamerun geboren wurde, mit elf Jahren vom FC St. Pauli zum BVB. "In der Szene", sagt Ricken, "kannte man ihn da schon." Dass er beim BVB landete, war Rickens Ruf als Talentflüsterer zu verdanken, aber auch dem schon damals bekannten BVB-Vorzug, Talente zielstrebig und schnell in die Bundesliga zu führen.

Moukoko wirkt mindestens so erwachsen wie ein 18-jähriger Reyna

Moukoko hatte schon mit zehn Jahren in der U15 von St. Pauli für Furore gesorgt, gegen vier, fünf Jahre ältere Jungs. Furore heißt bei Moukoko: Er schoss Tore wie am Fließband, auch gegen Verteidiger, die ein, zwei Köpfe größer waren. Fünf Jahre später, mit 16, fällt er im Training des BVB-Edelkaders nicht mehr als Jugendlicher auf. Moukoko ist körperlich kein Erling Haaland, aber wer ist das schon? Dennoch wirkt er mindestens so erwachsen wie sein gerade 18 gewordener Teamkamerad Gio Reyna, oder wie Jadon Sancho, 20, und U21-Hotshot Felix Passlack, 22.

"Man muss sich aber keine Sorgen machen, dass nun bald die Bundesliga mit 16-Jährigen geflutet würde", sagt sein Förderer Ricken, "Youssoufa ist ein absolutes Ausnahmetalent." Für ihn gelten Sonderregeln, wie es früher Sonderregeln für den jungen Franz Beckenbauer gab - und später für Ricken, der als 17-Jähriger Abiturient bei Ottmar Hitzfeld auf Anhieb zweimal Deutscher Meister mit dem BVB wurde.

Spätestens vor zwei Jahren, als Moukoko mit 13 die U17 des BVB zum deutschen Meistertitel gegen die Bayern schoss, ahnte die Fußballszene, dass sie hier etwas Ungewöhnliches zu sehen bekommen hatte. Seither hat der Torjäger in 88 Junioren-Bundesligaspielen für den BVB 141 Tore erzielt. Inzwischen spielt er auch für die DFB-Junioren, für die U20 versteht sich.

Er ist ein Typ wie Gerd Müller, nur dazu so spielintelligent wie ein Spielmacher und so leichtfüßig wie Kollege Sancho. "Er hat ein Tor-Gen", scherzte BVB-Geschäftsführer Watzke neulich: "Wenn du einen so außergewöhnlichen 16-jährigen Mittelstürmer hast, warum solltest du ihn nicht zur Entlastung von Haaland auch schon öfter in der Bundesliga bringen?" Beobachter gehen noch weiter: Haaland, auch erst 20, und Moukoko seien als Sturmduo künftig kaum noch zu halten. Ricken sagt, Moukoko sei einfach zu gut für die Junioren: "Man muss Spielern Entwicklungsmöglichkeiten geben. Jeder soll bei uns der beste Fußballer werden, der in ihm steckt."

Kurz vor seinem Geburtstag ist Moukoko, dem Ricken "auf unabsehbare Zeit" ein Medieninterview-Verbot verpasst hat, aus dem "Jugendhaus", wie das Internat des BVB heißt, in eine Privatwohnung umgezogen. Genauer gesagt: umgezogen worden. Denn so soll vermieden werden, dass er sich bei den nicht regelmäßig getesteten Kameraden der Junioren anstecken könnte. Moukoko ist also auch Corona-technisch im Profibetrieb angekommen, wo er bereits seit Jahresbeginn trainiert. Eine "Aufsichtsperson" ist ihm beigestellt, die täglich nach dem Rechten sieht.

Nike soll Moukoko schon mit einem Zehn-Jahres-Millionenvertrag ausgestattet haben

Dass Moukoko die sturmfreie Bude für Pubertäts-Abenteuer nutzen würde, schließen sie beim BVB ohnehin aus: "Ich finde es bemerkenswert", sagt Ricken, 43, "wie unbeeindruckt und fokussiert er bei all dem Trubel bleibt. Er steht ja nicht nur in so jungem Alter schon nur unter dauernder Beobachtung von Medien, er wird auch oft von gegnerischen Zuschauern bei Auswärtsspielen provoziert." Das perle an Moukoko offenbar alles ab. Er habe selten einen jungen Spieler gesehen, der so komplett professionell sei, sagt Ricken: "Mittwochs und donnerstags bieten wir für unsere Jugendspieler ein Frühtraining an, um 8 Uhr. Man kann sicher sein, dass Youssoufa schon um 7.15 Uhr da ist und im Kraftraum arbeitet." Youssoufa habe zudem keinen einzigen Tag die Schule geschwänzt oder taktische Kopfschmerzen gehabt.

Wenn es mit dem Debüt bei Hertha BSC noch nichts werden sollte: Macht nichts! Man hat nicht den Eindruck, dass Moukoko aufzuhalten wäre. Der Konzern Nike soll ihn schon mit einem Zehn-Jahres-Millionenvertrag ausgestattet haben. Das Gehalt bei den Profis soll noch vergleichsweise bescheiden sein, deutlich unter einer halben Million im Jahr - aber mit 16 ein schönes Taschengeld.

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SZ vom 20.11.2020/tbr
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