Mislintat-Aus beim BVB:Eine Trennung mit kalter Prägnanz

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Lars Ricken (links) teilte Sven Mislintat die Trennung laut Mitteilung immerhin persönlich mit. Viel mehr war nicht über die offiziellen Wege zu erfahren. (Foto: Bernd Thissen/dpa)

Eine knappe Mitteilung ohne warme Worte: Nach nur zehn Monaten muss der Technische Direktor Sven Mislintat bei Borussia Dortmund wieder gehen. Geschäftsführer Lars Ricken schafft mit dem Rauswurf neue Fakten auf der BVB-Führungsebene.

Von Ulrich Hartmann

Borussia Dortmunds schriftliche Mitteilung zur Trennung von Kaderplaner Sven Mislintat hat gute Chancen, als kürzeste Mitteilung der Historie in die Annalen des Klubs einzugehen. Keine Begründung, kein Wort des Dankes. Lediglich in 27 Wörtern: „Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund hat seinen Technischen Direktor Sven Mislintat (52) mit sofortiger Wirkung freigestellt. Lars Ricken, Geschäftsführer Sport des BVB, teilte Mislintat diesen Entschluss am Donnerstag persönlich mit.“ Fast fühlt man sich an längst vergangene Zeiten erinnert, als bei Telegrammen jedes Wort einzeln berechnet wurde.

Die kalte Prägnanz dieser Trennung nach nur zehnmonatiger Zusammenarbeit ist vermutlich kein Zufall. Es soll massiv geknirscht haben hinter den Kulissen des BVB. Insbesondere zwischen dem Sportdirektor Sebastian Kehl und dem als „Technischer Direktor“ firmierenden Mislintat soll es an Kooperationsbereitschaft gemangelt haben, in Medien war von Kompetenzgerangel die Rede.

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Vor „gewissen Egos“ auf der Führungsetage des börsennotierten Fußballklubs hatte bereits im vergangenen Mai der vorsitzende Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke gewarnt, kurz nachdem man Mislintat zurückgeholt und etwas überraschend den Nachwuchsboss Lars Ricken anstatt des Sportdirektors Sebastian Kehl zum neuen Sportgeschäftsführer befördert hatte. „Kann sein, dass es nicht funktioniert“, hatte Watzke damals bewusst verallgemeinernd über die kollektive Kooperationsbereitschaft geunkt – und jetzt zeigt sich: Es funktionierte tatsächlich nicht. Als Belege dafür fungieren die Freistellung Mislintats, die Freistellung vom Trainer Nuri Sahin vor zweieinhalb Wochen und Dortmunds enttäuschender elfter Platz in der Bundesligatabelle.

Noch am Dienstag bei der Vorstellung des neuen Trainers Niko Kovac hatte der Sportboss Ricken auf eine Frage zu womöglich bevorstehenden Veränderungen auf der Führungsebene des BVB geantwortet: „Wir haben in den letzten Wochen, in denen viele Entscheidungen getroffen wurden, eng zusammengearbeitet und uns gegenseitig unterstützt und Rückendeckung gegeben.“ Einen Dank angesichts der drei kurzfristigen Spielerverpflichtungen Carney Chukwuemeka (Mittelfeld, FC Chelsea), Daniel Svensson (Linksverteidiger, Nordsjaelland) und Diant Ramaj (Torhüter, Amsterdam) richtete Ricken allerdings weder an Kehl noch an Mislintat, sondern an „unsere Anwälte“ für ihren „Top-Job“.

Mislintat war 20 Jahre für den BVB tätig, bevor er über Arsenal, Stuttgart und Amsterdam wieder in Dortmund landete

Auf der Sportmesse SpoBis in Hamburg sagte stattdessen der Noch-Klubchef Watzke am Mittwoch über Ricken, Kehl und Mislintat: „Es geht einzig und allein darum, ob die drei miteinander harmonieren, und das ist noch optimierungsbedürftig.“ Sich selbst nahm Watzke aus Personalentscheidungen heraus, da er sich in sportliche Themen inzwischen nicht mehr einmischen wolle: „Lars muss dafür sorgen, dass alle in die gleiche Richtung marschieren, und wenn man das Gefühl, hat, dass sie das nicht tun, dann muss man etwas an dem Konzept ändern“, so Watzke. Allzu lange hat sich Ricken dann tatsächlich nicht bitten lassen.

Für Mislintat war die Freistellung womöglich ein Déjà-vu, Ende 2017 hatten sich der BVB und sein damaliger „Direktor Profifußball“ schon einmal getrennt. Zuvor war Mislintat 20 Jahre im Klub tätig gewesen. Dann erhielt er die Freigabe, um als Scoutingchef zum FC Arsenal zu wechseln. In London blieb er 14 Monate, danach war er dreieinhalb Jahre Sportdirektor des VfB Stuttgart sowie vier Monate Technischer Direktor bei Ajax Amsterdam. Im Mai 2024 kehrte Mislintat zur Borussia zurück. Da hieß der Trainer noch Edin Terzic, mit dem verstand sich Mislintat dem Vernehmen nach sehr gut. Sechs Wochen später trat Terzic zurück und wurde durch Sahin ersetzt.

Kehls Vertragsverlängerung war ein klares Zeichen

In der BVB-Führung stieß Mislintats Ego auf die Egos von Ricken, Kehl und dem Berater Matthias Sammer, und welches Ego da nun am größten war, das ist nicht abschließend geklärt. Als aber der BVB jüngst im Januar Kehls Vertrag bis 2027 verlängerte und Kehl anschließend zufrieden äußerte, es seien „klare Kompetenzen und Verantwortlichkeiten“ festgelegt worden, da deutete sich schon an, dass es für Mislintat eng werden könnte.

Kurz nach dem Ende der winterlichen Transferperiode und der Installation des neuen Trainers Kovac hoffen sie beim BVB jetzt auf mehr Ruhe und Souveränität für jene heiße Phase, in der es am Samstag in der Bundesliga gegen den VfB Stuttgart und drei Tage später in der Champions League bei Sporting Lissabon um sportliche Weichenstellungen geht.

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