Borussia Dortmund: Mats Hummels:Schwarzgelber Stachel

Mats Hummels wuchs beim FC Bayern auf - in Dortmund reifte er zum Prototyp eines Verteidigers. Die Vermutung liegt nahe, dass besonders Louis van Gaal den Nationalspieler gerne zurück hätte.

Andreas Burkert

Darauf kann er nicht seriös antworten, das ist schon klar. Aber interessant ist diese Vorstellung schon, was aus Mats Hummels geworden wäre, wäre er früher auf Louis van Gaal getroffen. Auf den sonderbaren Jugendförderer des FCBayern, der es den Münchnern so schwer macht, ihre Millionen in kostspielige Profis zu investieren, in sogenannte fertige Spieler. Weil er findet, das wäre Geldverschwendung.

Borussia Dortmund - Karpaty Lwiw

In Dortmund zum Klasseverteidiger gereift: Mats Hummels (links im Bild).

(Foto: dapd)

Van Gaal hätte ihn behalten, oder? "Das ist so spekulativ, dass ich darauf fast nichts sagen kann", sagt Mats Hummels. "Niemand weiß doch, ob ich mich in München so entwickelt hätte."

Zumindest die Bayern haben damals nicht recht daran geglaubt, dass aus Mats Julian Hummels, 22, der seit seinem sechsten Lebensjahr bei ihnen gespielt hat, das alles werden würde: der Prototyp eines modernen Innenverteidigers; ein angehender deutscher Meister; ein Gesicht der verschworenen Dortmunder Pfadfindergruppe, die durch die Saison fliegt und am Samstag in der Münchner Arena als enteilter Tabellenführer einschwebt; und der schwarzgelbe Stachel, der jetzt doch im Bayern-Gemüt zwickt.

Präsident Uli Hoeneß hat zuletzt mehrmals gesagt, sein Klub sei "ein Käuferverein". Die Bayern sind zu groß, um immer Jugendspieler durchzubringen und etwa auf den Zugang von Schalkes Nationaltorwart Manuel Neuer verzichten zu können, das hat er damit gemeint. Mit dieser Sichtweise haben die Bayern allerdings auch Hummels zum Januar 2008 zur Borussia ziehen lassen, zunächst als Leihspieler - ehe sie ihn ein gutes Jahr später für 4,5 Millionen Euro endgültig verkauften. Das ist im Nachhinein sicher etwas ärgerlich aus Münchner Sicht. Weil in ihrer bedingt abwehrbereiten Deckung ein moderner Innenverteidigers fehlt.

Als Hummels nach Westfalen umzog, traf in München der 18-jährige Verteidiger Breno ein. Der Brasilianer kostete zwölf Millionen Euro. "Breno hat drei Mal mehr Ablöse gekostet", sagt BVB-Chef Hans-Joachim Watzke und badet ungeniert in Genugtuung: "Aber drei Mal besser ist er sicher nicht."

Hummels hat die Stadt, in der er aufwuchs, im Winter 2008 nicht gern verlassen. "Total hart" sei das gewesen, erzählt er, "ich habe ja mein komplettes Leben aufgegeben, meine Familie, meine Freunde." Aber er kam halt nicht mehr voran, obwohl Amateurcoach Hermann Gerland bis heute zu seinen glühendsten Verehrern zählt. Mit 17 holte er ihn hoch in die Reserve, und wer früher mit ihm über Talente sprach, der hörte ihn stets sagen: Hummels und Badstuber, die spielen mal hinten zusammen in der Nationalelf!

Das kann durchaus bald passieren, aber in München ist aus den beiden kein Duett geworden. Trainer Felix Magath hatte ihn zwar früh zu den Profis hochgezogen, aber Nachfolger Ottmar Hitzfeld ignorierte Hummels weitgehend. Und so warb Dortmunds Manager Michael Zorc um ihn, auch andere Klubs waren interessiert, vor allem Hoffenheim. Dass Hummels schlussendlich sogar verkauft wurde, fiel auch in die Verantwortlichkeit des Trainerneulings Jürgen Klinsmann. "Er wollte mich nicht zurückholen", hat Mats Hummels dazu erzählt.

Langes Gespräch mit van Gaal

Er war in dieser Phase am Fuß verletzt. Und in München fand ihn mancher langsam. Als er wieder fit war, gewann er mit der deutschen U19 den EM-Titel. Da war er schon in BVB-Besitz. Wirklich langsam wirkt er heute nicht mehr, seine Stärke ist eben die Antizipation. Manchmal fängt er Bälle an der Mittellinie ab. Hummels Spieleröffnung ist präzise.

Die Bayern wissen das nun alles. Sie ärgern sich, aber sie verweisen auch auf den Umstand, dass eben seinerzeit ihre Deckung mit van Buyten und Demichelis eine Rekordsaison schaffte: nur 21 Gegentore. Hummels, dachten sie, den brauchen wir nicht. Nur, van Buyten spielt jetzt nicht mehr, und Demichelis ist fort. Van Gaal hat die Bayern sensibilisiert für den Nachwuchs, und Hummels sähen sie gerne wieder in München. Weshalb es aus ihrer Sicht ganz praktisch erscheint, dass sich in dessen bis 2013 gültigem Vertrag offenbar eine Ausstiegsklausel für den Sommer 2012 über eine Ablöse von acht Millionen Euro findet.

Louis van Gaal, 59, hat im März 2010, als Hummels mal wieder die Familie in München besuchte, sogar mal ein längeres Gespräch mit ihm geführt.

Ein wenig geht es den Bayern bei Hummels wohl auch ums Prinzip in ihrer neu entflammten Rivalität mit dem BVB. Und mittendrin steht Hermann Hummels, der Vater, er ist seit 16 Jahren beim FC Bayern angestellt, als Jugendtrainer, inzwischen als Scout. Und er ist auch Mats' Berater. In der Bayern-Kantine kassiert er schon mal Sprüche wegen der Familienbande zum BVB. "Muss man abhaben können", sagt er und bittet darum, ihn nicht weiter zum Sohn zu befragen.

Die Entscheidung trifft sowieso nur der Filius. Und der wird wohl, das ist zu hören, bald beim BVB vorzeitig bis 2015 verlängern. Zu Bayern kann er immer noch, irgendwann. Ewige Treue will dieser intelligente, freundliche, junge Mann zwar niemandem versprechen, das gehe im Fußball nicht. Aber Hummels versichert auch, Geld sei nicht alles: "Natürlich gibt es da eine gewisse Dankbarkeit." Weil Trainer Jürgen Klopp ihn mit 19 zum Stammspieler machte und Dortmund eine recht hohe Ablöse überwies: "Ich stand ja noch am Anfang meiner Karriere." Hummels ist ein Fußball-Romantiker, er liebt die Elf-Freunde-Stimmung und den Offensivstil des BVB. Und ob er bei van Gaal die Mittellinie übertreten dürfte? Da ist er sich nicht so sicher.

Samstag, das Topspiel. Für Mats Hummels ist das trotzdem kein Termin persönlicher Revanche. "Das Stadium, dass ich denen was beweisen muss, hatte ich nie." Er trifft ja auch Freunde wieder, und München mag er immer noch; er ist häufiger daheim, bei der Mutter, dem Vater und Bruder Jonas, der beim Drittligisten Unterhaching spielt. "München ist immer noch etwas Besonderes", sagt er.

Aber München muss jetzt einfach noch etwas auf ihn warten.

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