Niederlage bei Hertha BSC:Dortmund dankt ab

Niederlage bei Hertha BSC: In Berlin ohne Tor: BVB-Stürmer Erling Haaland.

In Berlin ohne Tor: BVB-Stürmer Erling Haaland.

(Foto: Michael Sohn/AP)

2:3 nach 1:0-Führung bei der Hertha: Zum Jahresende verabschiedet sich der zweitplatzierte BVB vom Kampf um den Titel - der Rückstand auf den FC Bayern beträgt nun neun Punkte.

Von Javier Cáceres, Berlin

Berlin ist auch ein Ort der Abdankung, der Herrschaft von Wilhelm II. als Deutscher Kaiser wurde hier im Jahre 1918 ein Ende bereitet. Am Samstag kam es im Berliner Olympiastadion zu einer Abdankung, die zwar nicht ganz so gravierende Einschnitte in die Geschichte des Landes haben wird; es sei denn, man betrachtet das virtuelle Ende des Meisterschaftskampfes als schicksalshaft für die Nation. Denn wer meinte, Borussia Dortmund würde in der Lage sein, den Tabellenführer FC Bayern herauszufordern, darf seine Hoffnungen nahezu begraben.

Trotz einer 1:0-Führung, die nach einer kontroversen Aberkennung eines Tores für die Hertha zustande gekommen war und Züge eines Genickschlags für die Berliner trug, verlor der BVB in Berlin noch 2:3. "Nicht vergessen: Wir sind immer noch Tabellenzwoter", rief Dortmunds Trainer Marco Rose, ehe er zum Flughafen eilte. Aber: Dortmunds Abstand auf den FC Bayern München beträgt damit neun Punkte. Und das Jahr beschloss der BVB-Coach mit dem fraglos ernüchternden Gefühl, dass man im vergangenen halben Jahr mehr liegen lassen hat als sein musste.

So gesehen passte die Partie von Berlin bestens in den Saisonverlauf der Dortmunder. Die Berliner bangten am Ende der Partie um den Sieg. Aber dass sie das 3:2 hielten, hatte auch etwas von poetischer Gerechtigkeit - wegen der Moral, die sie nach der Halbzeitpause gezeigt hatten. Auf der anderen Seite konnten sie von Glück reden, dass die Dortmunder sich gar haarsträubende individuelle Fehler leisteten: Beim zwischenzeitlichen Ausgleich der Hertha fehlte es dem als Innenverteidiger aufgebotenen Axel Witsel an Tempo, um im Sprint gegen Ishak Belfodil zu bestehen. Der Berliner ist nicht gerade die Antithese von Usain Bolt, aber auch nicht dessen Verwandter. Nach einem 30-Meter-Solo schob Belfodil flach unter Ersatztorwart Marwin Hitz hindurch.

Und die beiden sehenswerten Tore von Marco Richter, der zweimal mit satten Schüssen vom Sechzehnmeterraum traf, wurden von atemraubenden Schnitzern von Julian Brandt heraufbeschworen (57./69.). Der Dortmunder versenkte damit seine beste Aktion, seinen feinen Führungstreffer aus der 31. Minute, komplett im Orkus. Der eingewechselte Steffen Tigges traf noch per Kopf zum 2:3 (83.). Doch das war zu spät, um auch nur einen Punkt zu retten.

Julian Brandt zeigt viel Gefühl bei niedrigen Temperaturen

Als der Abpfiff ertönt war, lief Erling Haaland schnurstracks in die Kabine. Auch wenn auf seinem Gesicht keine Regung zu erkennen war, darf begründet vermutet werden, dass sein Frust gewaltig war. Man konnte das nur verstehen. Dortmunds Niederlage war umso unerklärlicher, weil zur Halbzeit nichts gegen die Dortmunder gesprochen hätte. Im Gegenteil. Die erste Chance hatte zwar der Hertha gehört, die trotz der 0:4-Pleite in Mainz alles andere als komplexbeladen agierte: Nach guter Vorarbeit von Belfodil schaufelte Jurgen Ekkelenkamp den Ball aus kurzer Distanz aufs Tor, und so schüchtern das aussah, zwang er BVB-Torwart Marwin Hitz doch zu einer Parade. Danach hatte Marco Reus gleich zwei gute Gelegenheiten (11./13.), ehe es nach einer Viertelstunde zu einer äußerst umstrittenen Entscheidung kam - der Annullierung der vermeintlichen Führung Herthas.

Niederlage bei Hertha BSC: Große Gefühle vor den großen Fehlern: Julian Brandt bei seinem Tor gegen Hertha BSC.

Große Gefühle vor den großen Fehlern: Julian Brandt bei seinem Tor gegen Hertha BSC.

(Foto: Revierfoto/Imago)

Rechtsverteidiger Peter Pekarik hatte den Ball in den Fünfmeterraum gespielt, Myziane Maolida vollendete, doch in Köln meldeten sich die Verwaltungsfachangestellten aus der Abteilung Videoschiedsrichter. Sie hatten entdeckt, dass Belfodil mit einer Fußspitze im Abseits gestanden hatte und mutmaßlich den BVB-Abwehrspieler Witsel irritiert hatte. "Schieber, Schieber, Schieber ..."-Rufe hallten durch das Stadion, und der Hertha war anzumerken, dass die Entscheidung in der Psyche der Spieler arbeitete. In die Depression aber stürzte Hertha dann erst nach gut einer halben Stunde. Denn: Beim Versuch, dem bis dahin kaum existenten Erling Haaland am Schussversuch zu stören, spitzelte Maxi Mittelstädt den Ball direkt in den Lauf von Julian Brandt. Und der zeigte, dass er trotz der niedrigen Temperaturen viel Gefühl im Fuß hatte: Er lupfte den Ball über den herausstürzenden Torwart Alexander Schwolow ins Netz der Berliner.

Aber das war es weitgehend mit der Herrlichkeit der Dortmunder. Die widrigen Rahmenbedingungen, sei es die Verletztenmisere oder aber "das schwierige Geläuf", das wahrlich an die Galopprennbahn Hoppegarten erinnerte, hatten die Berliner in gleicher Weise zu beklagen. Erst in den Schlussminuten, nach dem 2:3, habe er bei seiner Mannschaft "diese Bedingungslosigkeit" gespürt, die er sich über "80, 85, 90 Minuten" erwarte, so Rose. Das heißt: "So lange die Beine tragen."

Bei der Hertha war diesbezüglich nicht mal ansatzweise etwas zu bemängeln, überdies freute sich der noch sehr neue Trainer Tayfun Korkut darüber, dass man viel von der "Idee, wie wir Fußball spielen wollen", gesehen habe: mutig und optimistisch. Obschon man am Dienstag beim 0:4 bei Mainz 05 eine fürchterliche Leistung geboten hatte. Was das für die Zukunft bedeute, wurde Korkut gefragt, dessen Mannschaft vom Fall auf den Relegationsplatz bedroht war und nun auf den elften Tabellenplatz sprang. "Vielleicht sollte ich mir zu Weihnachten so eine Kugel wünschen", scherzte er. Rose braucht sie eher nicht: Aus den drei letzten Spielen (gegen Bochum, Fürth und Hertha) holte seine Mannschaft nur vier Punkte. Zu wenig, um noch als Meisterschaftskandidat durchzugehen.

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