Niederlage des BVB:Lektion von den Namenlosen

Niederlage des BVB: Marco Reus kannte die Namen seiner Gegenspieler noch nicht, gegen die er in Düsseldorf verlor.

Marco Reus kannte die Namen seiner Gegenspieler noch nicht, gegen die er in Düsseldorf verlor.

(Foto: Martin Meissner/AP)
  • Nach der überraschenden Niederlage gegen Düsseldorf reagiert BVB-Trainer Lucien Favre mit ungeahnter Schärfe.
  • Seine Mannschaft ließ gegen die Außenseiter Brügge und Düsseldorf Eifer vermissen.
  • Doch schon im nächsten Spiel gegen Borussia Mönchengladbach könnten die Dortmunder wieder ein anderes Gesicht zeigen.

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

Marcel Sobottka ist in Gelsenkirchen geboren. Er spielte die meiste Zeit seines Lebens für Schalke, wenn auch nie in der Bundesliga. Den ersten Sieg gegen Schalkes großen Revier-Rivalen Borussia Dortmund erlebte der 24-Jährige am Dienstagabend im Trikot von Fortuna Düsseldorf. Für Sobottka wird es ein denkwürdiger Abend bleiben, der Dortmunder Nationalspieler Marco Reus hingegen wird diese 1:2-Niederlage bald vergessen haben. Reus lobte nach Abpfiff ausdrücklich seinen Gegenspieler, aber er nannte Sobottka nicht beim Namen, denn: "Ich weiß seinen Namen gar nicht, aber er ist mir wirklich überall hin gefolgt."

In diesem Satz steckt so ziemlich alles drin, was man braucht, um zu erklären, warum der souveräne Tabellenführer Borussia Dortmund ausgerechnet beim Kellerkind Fortuna Düsseldorf seine erste Saison-Niederlage erlitten hat. Die Düsseldorfer sind um ihr Leben gerannt, und die Dortmunder kannten nicht mal alle Gegenspieler. Der Trainer Lucien Favre schonte eine Stunde lang seine besten Stürmer Paco Alcácer und Jadon Sancho. Als er die beiden einwechselte, stand es schon 0:2. Doch auf die Frage, ob er seine Aufstellung bereue, wurde Favre hinterher fast ein bisschen grantig. "Wir rotieren, weil die Belastung hoch ist", sagte er leicht beleidigt und verwies auf den 2:0-Sieg vor einer Woche in Monaco, für den er eine fast vollständige alternative Elf aufgeboten hatte.

Nach sechs Bundesliga-Siegen in Serie war diese Blamage nicht eingeplant. "Wir hatten bloß im Kopf: drei Punkte, drei Punkte, drei Punkte", sagte Favre: "Aber man muss es auch richtig spielen - es war taktisch und spielerisch diesmal nicht gut." Die Profis zeigten sich kurz nach Abpfiff einsichtig, aber das honorierte Favre überhaupt nicht. "Das ist alles bloß Blablabla", sagte er mit einer so bislang nicht gekannten Schärfe. "Wir sind Sportler, wir können alle schlecht verlieren", erklärte der 61-Jährige, aber niemandem war der Ärger über die Schmach von Düsseldorf derart anzumerken wie dem Trainer.

Das liegt womöglich auch daran, dass die Konkurrenz langsam lernt, wie man sich gegen das schwarz-gelbe Spektakel-Ensemble behauptet. Der FC Brügge hat in der Champions League mit einer sehr dichten Abwehr ein 0:0 in Dortmund erstritten, und mit derselben Methode sowie lehrbuchhaft ausgespielten Kontern erteilten die frechen Fortunen den drögen Dortmundern eine Lektion. "Ja, gegen kompakte Mannschaften sind wir manchmal nicht soo ...", sagte Favre, ohne den Satz zu Ende zu sprechen. Ihm fehlte bei seinen Spielern in diesen Partien die Geduld, aber auffällig ist, dass den Dortmundern auch der letzte Eifer fehlte, gegen den Gruppenletzten Brügge ebenso wie gegen abstiegsgefährdete Fortunen. "Wir hatten heute zu wenig Freude am Fußball", sagte der Kapitän Reus. Am meisten Freude hatten sie in den vergangenen Wochen beim 4:1 gegen Leipzig, beim 4:0 gegen Atlético Madrid und beim 3:2 gegen Bayern München. Gegen eine Mannschaft wie Düsseldorf, gesteht Reus, "kann man vorher tausend Mal warnen - am Ende kommt es dann eben manchmal trotzdem so".

Ein Spiel, das den Dortmundern sehr viel besser gefällt

Da trifft es sich gut, dass die Dortmunder das letzte Spiel der Hinrunde am Freitag daheim gegen Mönchengladbach bestreiten dürfen. Gladbach stellt sich nicht kompakt hinten rein, Gladbach ist defensiv sogar manchmal ziemlich unkompakt. Weil den Dortmundern in den verletzten Dan-Axel Zagadou, Manuel Akanji und Abdou Diallo aber drei Innenverteidiger fehlen, wird es gegen die offensivstarken Gladbacher eine ganz schöne Herausforderung. Es könnte vor 80 000 Zuschauern ein Spiel mit viel Raunen und Szenenapplaus geben und auch eines mit vielen Toren.

Gegen Gladbach zu spielen, sagt Favre, sei etwas Besonderes für ihn, "klar, ich war schließlich fünf Jahre dort". Unter seinen Nachfolgern André Schubert und Dieter Hecking hatte der Klub zwischenzeitlich eine schwächere Phase, aber jetzt, in Heckings ausgehendem zweiten Kalenderjahr bei der Borussia, spielt die Mannschaft den besten Fußball seit Favres eigenmächtigem Fortgang. "Sie sind sehr effizient, sehr schnell nach vorne", sagt Favre über Gladbach. Es könnte also eine Art Top-Spin-Duell werden, ein offener Schlagabtausch mit vielen Räumen. Das ist ein Spiel, das den Dortmundern sehr viel besser gefällt als das mühselige Knacken von harten Nüssen wie in Düsseldorf.

Mit einem Sieg gegen Gladbach wäre die Dortmunder Welt wieder in Ordnung und der Vorsprung vor dem Namensvetter vom Niederrhein wieder auf neun Punkte angewachsen. Doch im Falle einer Niederlage wären es nur noch drei Punkte Vorsprung. Eine statistische Diskrepanz, die Reus herunterspielt. "Neun, sechs oder drei, egal, wir schauen nur auf uns", sagt er - und wird bei seinem ehemaligen Klub Mönchengladbach aber trotzdem kaum Schwierigkeiten haben, seine Gegenspieler beim Namen zu nennen.

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