Bundesliga:Die Verfolger brauchen ein Fernglas

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Das Harmonierudel der Liga: Dortmunds Spieler bejubeln ein weiteres Tor. (Foto: Bernd Thissen/dpa)

Der BVB zeigt mit dem Sieg auf Schalke, dass der Erzrivale derzeit nicht der Maßstab für die Ansprüche des Tabellenführers ist. Deren Trainer Domenico Tedesco ist einer der großen Verlierer des Derbys.

Kommentar von Philipp Selldorf

Borussia Dortmunds Sportchef Michael Zorc hatte nach dem Derby in Gelsenkirchen die erstklassige Gelegenheit, seinen niederen Gefühlen stattzugeben und das Leid der ungeliebten Nachbarn zu genießen. Nach der 1:2-Niederlage gegen den BVB hat Schalke 04 jetzt 22 Punkte Rückstand auf den Rivalen, so groß war der Abstand zwischen den beiden Klubs gefühlt nur in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts - als Schalke in der zweiten Liga spielte. Zorc spielte damals als junger Profi im Dortmunder Mittelfeld, das Derby gehört seit 40 Jahren zu seinem Leben als Borusse.

22 Punkte also auf den Erbfeind, Herr Zorc, was sagen Sie dazu? "Das ist nicht unser Thema", erklärte Zorc, und das klang nicht nach höflicher Rücksicht auf die gequälten Schalker Seelen, sondern nach Desinteresse. Schalke 04 ist derzeit nicht der Maßstab der Dortmunder Ansprüche. Sie schauen auf Bayern München oder RB Leipzig, aber auch dafür brauchen sie inzwischen ein Fernglas: neun Punkte trennen den BVB von den Bayern, elf Punkte sind die Leipziger zurück.

Dieses Derby war nicht unbedingt die Empfehlung für die Vorhersage, dass die Dortmunder geradewegs auf dem Durchmarsch zum Meistertitel wären, Lucien Favres Mannschaft hat schon ansehnlicher und besser gespielt als am Samstag in Gelsenkirchen. Aber die wichtigsten Argumente hatte der BVB auf seiner Seite: Er hat das Spiel unter Kontrolle gehabt, er hat keine Schalker Torchancen zugelassen, und er hat auf das zwischenzeitliche 1:1 mit Jadon Sanchos Treffer eine Antwort gefunden, die der Logik des Spielgeschehens folgte.

Im Derby zählt Schalkes Trainer Tedesco zu den großen Verlierern

Unmittelbar nach dem Ausgleich hatte die Borussia das Spiel wieder in Besitz genommen, nachdem sie es zuvor, durchaus fahrlässig, den Schalkern überlassen hatte. Dieser Sieg sah aus wie viele der Favoriten-Siege, die der FC Bayern einst mit Ottmar Hitzfeld landete: Man legt ein Tor vor, geht dann abwartend ökonomisch vor, und wenn's sein muss, schlägt man noch mal zu.

Für Schalke ist dieses verlorene Derby kein Grund zur Beunruhigung. Mit der Niederlage war zu rechnen, es war schon fast ein Erfolg, dass die Hausherren bis zum Schluss auf das Remis hoffen durften. Was den Schalkern Sorgen machen muss, ist die notorische Armut an spielerischen Ausdrucksmöglichkeiten. Ein systematisches Offensivspiel fand nicht statt, und das lag nicht bloß daran, dass die meisten Angreifer verletzt sind. Der Trainer Domenico Tedesco tat das Seine dazu, als er für den verletzten Mittelstürmer Burgstaller den Außenverteidiger Mendyl einsetzte und in die Spitze beorderte.

Tedesco spekulierte auf Mendyls Tempo, doch der Plan ging schief. Er hatte einen Totalausfall eingewechselt, und am Schluss hatte er es obendrein versäumt, den Derbyhelden des Vorjahres einzuwechseln. Naldo, 36, hätte den verzagten Schalkern gut tun können, notfalls als Mittelstürmer. Tedesco ließ die Chance aus. Bei diesem Spiel, das für die Stimmung in Gelsenkirchen ungleich wichtiger ist als für den Klub von nebenan, zählte der Trainer zu den großen Verlierern.

© SZ vom 09.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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