Borussia Dortmund:"Der neue Spieler ist gut"

Bundesliga - FC Cologne vs Borussia Dortmund

Zwei Tore zum Einstand: BVB-Zugang Michy Batshuayi (l., neben Jeremy Toljan).

(Foto: REUTERS)
  • Der 1. FC Köln und Borussia Dortmund liefern sich ein spektakuläres Bundesligaspiel, das der BVB 3:2 gewinnt.
  • Dennoch sind die Dortmunder weit davon entfernt, die Dominanz eines souveränen Champions-League-Anwärters zu verwirklichen.
  • Köln lässt sich derweil von der Stimmung im Stadion wohl etwas zu stark begeistern.
  • Hier geht es zur Tabelle der Bundesliga.

Von Philipp Selldorf, Köln

Ein seltsamer Abend war das in Köln-Müngersdorf: Auf der Bank der Gäste saß das komplette Trainerteam der Gastgeber, die beste Torwartflugparade der Partie gelang einem Verteidiger, und der Tabellenletzte verlor das Spiel, weil auf den Rängen die Stimmung zu gut war und die Mannschaft an ihrer eigenen Begeisterung scheiterte. Und während die Anhänger des 1. FC Köln die 2:3-Niederlage ihres Teams beklagten und die Gefolgschaft von Borussia Dortmund den ersten Sieg im gar nicht mehr so neuen Jahr feierte, saß draußen vor den Toren noch eine dritte Partei von Betroffenen und hatte Grund zur Freude: Das waren die Fernsehempfänger, die dank einer Marketing-Aktion des Erstrechteverwerters ohne Extra-Gebühr hatten zugucken können. Auf sie traf die alte Radioreporterfloskel zu - Gewinner waren der Fußball und die Zuschauer.

Diese Begegnung zweier Vereine, die mit komplett unterschiedlichen Zielen zum Erfolg verdammt sind, bot dem Publikum eine vorbildliche Menge an Action und Aufregung. Es ist selten geworden in der Bundesliga, dass man zwei Mannschaften erlebt, die so unbedingt den Sieg wollen und dafür bereit sind, tiefgreifend ins defensive Risiko zu gehen.

Wobei sich am Freitagabend auch der Verdacht aufdrängte, dass die defensiven Instabilitäten auf beiden Seiten mindestens so sehr auf eingebauten Schwächen beruhten wie auf dem Geist von Sturm und Drang. Dem frustrierten Kölner Torwart Timo Horn kam es so vor, als hätten seine Vorderleute "wie in der Vorrunde verteidigt". Er sprach damit auf bittere Art eine Reminiszenz an die dunkle Vergangenheit an, die man in Köln so sehnlichst hinter sich zu lassen versucht wie der entlassene Sträfling, der ein neues Leben beginnen möchte und doch immer wieder in die alte Spur gerät.

Köln wird von den Sünden seiner Vorgeschichte eingeholt

Der 1. FC Köln ist am Freitagabend von den Sünden seiner Vorgeschichte eingeholt worden, das war ein wesentlicher Grund für die Niederlage gegen den BVB, der im Vergleich zu den zuletzt überaus trüben Auftritten Besserung zeigte, aber weit davon entfernt war, die Dominanz eines souveränen Champions-League-Anwärters zu verwirklichen. "Wir waren vielleicht nicht die bessere Mannschaft", meinte Kölns Trainer Stefan Ruthenbeck, "aber wir waren auch nicht schlechter."

Dass Peter Stöger, am alten Arbeitsplatz vorwiegend freundlich empfangen, im Namen der Borussia der Darstellung des Kollegen nicht widersprochen hat, lässt den Schluss zu, dass ein Unentschieden die gerechte Lösung dieses Duells gewesen wäre. Die Borussen profitierten zweimal von der Torgefährlichkeit ihres Mittelstürmers - bloß dass dieser neuerdings nicht mehr Pierre-Emerick Aubameyang, sondern Michy Batshuayi heißt -, die Kölner glichen dank der Schwächen der Dortmunder Deckung zweimal die gegnerische Führung aus. Klassische Zutaten für ein typisches Unentschieden.

Aber das Remis reichte den Hausherren nicht; im Bewusstsein, dass nur Siege die Hypotheken der Vorrunde abtragen, rannten sie ins Verderben. André Schürrle konnte sein Glück wohl gar nicht fassen, wie viel Freiheit ihm die Kölner zum Kontern ließen, bevor er in der 84. Minute das Siegtor erzielte. Die Borussen hatten den Gegenstoß nach einem Freistoß für Köln in doppelter Überzahl gestartet. "Wir versuchen mit unseren kopfballstarken Spielern ein Tor zu machen, das hatte ja auch vorher schon geklappt", verteidigte der Kölner Abwehrspieler Dominque Heintz die unorthodoxe Großoffensive: "Ein Punkt hilft uns nur mental weiter, aber nicht in der Tabelle."

Das Kölner Dilemma

Trainer Ruthenbeck kritisierte seine Mannschaft für deren Hasardieren. "Wir waren zu euphorisch", meinte er, "hätten wir länger das 2:2 gehalten, wäre die Chance auf das 3:2 vielleicht größer gewesen." Vergeblich hatte er versucht zu bremsen, doch im Stadion sei es "sehr, sehr laut" gewesen, "da geht jede Anweisung verloren". Andererseits war es aber auch so, dass Ruthenbeck selbst zur Lautstärke animiert hatte, als er das Publikum mit wilden Armbewegungen zum Anfeuern der Mannschaft trieb. Was die Leute dann auch taten.

Schon Batshuayis 1:2 unmittelbar nach Zollers Ausgleichstreffer brach mitten hinein in den Vortrag eines Karnevalsliedes, an dem sich nahezu das ganze Stadion zu beteiligen schien. Auch in den Minuten vor dem 2:3 schien Müngersdorf überzukochen vor lauter Emphase. Das ist das Kölner Dilemma: Man muss mit aller Gewalt Punkte machen, um noch eine Chance im Abstiegskampf zu haben - und gerät dadurch erst recht in Lebensgefahr: "Wir können keine Endspiele ausrufen und auf Sieg spielen - und dann mit 'ner Sechser-Kette verteidigen", sagte Ruthenbeck. Trotzdem müsse "die Balance besser sein". Viel Bewegungsspielraum lässt diese Zwangslage nicht.

Der BVB brachte an diesem Abend die richtige Kämpfer-Mentalität und das nötige Geschick zum Gegenstoß auf, um die Kölner Not auszunutzen. Batshuayi, der neue Aubameyang, fand drei Tage nach seiner Ankunft in Dortmund umgehend Anschluss an die Belegschaft. Anfangs äußerte sich das in seiner effektiven Strafraumpräsenz, später in lebhafter Spielbeteiligung, "er wird unser Spiel bereichern", glaubt Stöger. Der 24-jährige Belgier scheint nicht weniger torgefährlich zu sein als sein Vorgänger, dafür aber vielseitiger. "Der neue Spieler ist gut", befand Kapitän Sokratis - womöglich meint er ja, dass es sich nicht lohnt, sich den Namen des für vier Monate entliehenen Aushilfstorjägers zu merken. Im Übrigen war es der alte Borusse Sokratis, der mit einer spektakulären Kopfballparade das 3:3 verhinderte. Roman Bürki, der eigentliche Torwart, hinterließ auch an diesem Abend ein paar Zweifel.

Es war viel passiert in Müngersdorf, für Sentimentalitäten blieb da wenig Platz. Im Laufe der Woche hatten sich einige Kölner Verantwortliche geärgert, als der BVB die Verpflichtung des just vom FC abgefundenen Torwarttrainers Alexander Bade bekanntmachte. Doch die Kölner Spieler ließen sich wenig davon beeindrucken, dass auf der der gegnerischen Bank all ihre vormaligen Trainer saßen. Bloß Peter Stöger empfand seine Rückkehr als schwierig. "Ich bin froh, dass das Spiel vorbei ist", sagte er und hinterließ nette Abschiedsworte an die Kölner: "So spielt definitiv kein Absteiger."

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