Süddeutsche Zeitung

Borussia Dortmund:Der BVB ist in die eigene Falle getappt

Als neuer BVB-Trainer wirkt Peter Stöger wie eine verzweifelte Lösung. Der Klub und sein Boss Hans-Joachim Watzke leiden noch immer unter den Umständen der Trennung von Thomas Tuchel.

Kommentar von Christof Kneer

Mit ganz, ganz viel Wohlwollen und sehr, sehr viel Interpretationsfantasie könnte man jetzt also sagen: Na also, BVB, der Plan ist doch aufgegangen. Der ungeliebte Thomas Tuchel ist weg, und der beliebte Peter Stöger ist da. Weg ist der unbequeme Fußballlehrer, der die eingeborenen Borussen Roman Weidenfeller und Nuri Sahin so selten aufgestellt und dem eingeborenen Marcel Schmelzer das Kapitänsamt nur ungern anvertraut hat; und da ist dieser lässige Wiener, der nicht 17 Mal im Spiel das System wechselt und den Marcel Schmelzer sicher mögen wird.

Das Problem ist halt nur dieses ungemein lästige halbe Jahr dazwischen.

Vor einem halben Jahr wurde Stöger ja tatsächlich unter die BVB-Wunschkandidaten gerechnet, und gegen diese Logik war damals nicht so viel einzuwenden: Großer Klub mit erheblichem Kultfaktor holt mittelgroßen Trainer mit erheblichem Kultpotenzial. Auf die Idee "Stöger" konnte man mal kommen, aber Stöger war halt nicht zu haben im Sommer, er musste ja erst noch seinen anderen Kultklub durch Europa coachen.

Der BVB und Peter Stöger sind gemeinsam geschrumpft

Das vergangene halbe Jahr hat aus einer einleuchtenden Lösung nun aber eine verzweifelte Lösung gemacht. Wer es vergessen hat: Im vergangenen halben Jahr hat der Trainer Stöger drei von 42 möglichen Punkten geholt, und auch der BVB hat sich zuletzt rührend Mühe gegeben, Stögers Kölner Bilanz detailgetreu nachzustellen. Und in der Champions League haben es die Dortmunder unter Aufbietung aller Kräfte gerade noch geschafft, das kleine und nicht sehr kultige Apoel Nikosia hinter sich zu lassen.

Wer es ebenfalls vergessen hat: Vor einem Jahr, unter diesem Tuchel, gewann der BVB seine Vorrundengruppe in der Champions League, vor Real Madrid.

Es ist müßig und übrigens auch sensationell sinnlos, nachträglich noch Ermittlungen darüber anzustellen, wer damals angefangen hat, dem anderen die Sandförmchen zu zerbrechen. Ob Tuchel mehr Anteil an der Trennung hat oder der Klub unter Führung von Aki Watzke, des Hüters der wahren BVB-Werte, ist vermutlich auch Geschmackssache und für die Bewertung der Aktualität längst unerheblich. Fest steht aber, dass der BVB sich einen Vorwurf auf jeden Fall machen muss: Die Dortmunder schienen in der Rückrunde so besessen von ihrem Saisonziel zu sein - nämlich Tuchel loszuwerden -, dass sie darüber eines offenbar vergessen haben: dass es nicht so schlecht wäre, für diesen immerhin versierten Mann einen Nachfolger zu haben.

Am Ende ist der BVB in jene Falle getappt, die er sich selbst gestellt hat: Unter Druck hat der BVB auf einem leeren Trainermarkt halt noch diesen freundlichen Peter Bosz mit seiner eindimensionalen Spielidee gefunden - zwar haben die eingeborenen BVBler, die Aki Allstars um Schmelzer und Sahin, den Trainer bis zuletzt öffentlich gestützt, aber sie hatten ja auch keine Wahl. Den alten Coach wollten sie nicht mehr, also mussten sie versuchen, den neuen zu wollen.

Der BVB und Peter Stöger sind gemeinsam so geschrumpft im vergangenen halben Jahr, dass sie nun doch wieder zusammenpassen. Der Trainer und die Verantwortlichen dieses grundsätzlich sehr faszinierenden Klubs müssen nun gemeinsam hoffen, dass Fußball manchmal doch Mathematik ist. Sie müssen hoffen, dass minus mal minus zumindest in der Rückrunde plus ergibt.

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Quelle:
SZ vom 11.12.2017/ebc
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