Der Fußballtrainer Peter Stöger könnte auch als Kabarettist auftreten. Der Österreicher verpasst der Branche gern ironische Seitenhiebe. Vor dem Spiel seines neuen Klubs Borussia Dortmund gegen die TSG Hoffenheim wusste er, dass mehr als über den Fußball darüber diskutiert wird, wer den BVB vom kommenden Sommer an trainiert - da Stögers Vertrag am 30. Juni ausläuft. Als er gemeinsam mit dem Gästecoach Julian Nagelsmann vor dem Spiel den Kabinengang Richtung Spielfeld verließ, sagte er deshalb lakonisch und für alle hörbar zum Hoffenheimer Trainer: "Aber nicht auf die falsche Bank setzen!"
Nagelsmann hatte keine Schwierigkeit mit der korrekten Auswahl, weil vor der Sitzreihe für die Gästemannschaft eine Hundertschaft Fotografen wartete. Sie blitzten um die Wette und wollten alle dieses eine Motiv, das Nagelsmann mit der Hoffenheimer Jacke auf den schwarzen Sitzen mit dem gelben Dortmunder Wappen zeigt, einen Trainer zwischen zwei Vereinen - obwohl Hoffenheims Gesellschafter Dietmar Hopp erklärt hat, Nagelsmann werde nicht vor 2019 freigegeben, und BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke bereits verkündete, dies sei zu respektieren.
In einer anderen Personalie hatte der BVB dagegen mehr Erfolg. Wie am Sonntag bekannt wurde, hat der Klub den Vertrag mit Stürmer Pierre-Emerick Aubameyang um ein Jahr bis 2021 verlängert. Dies gab der BVB gern als Signal an all jene, die Aubameyang den Fortgang schon für diesen Winter prognostiziert hatten.
BVB gegen Hoffenheim:"Dortmund war harmlos"
2:1 nach 0:1 - die Courage stimmt im leidgeprüften BVB-Team. Doch beim Sieg gegen Hoffenheim ist auch Glück dabei.
Beim fußballerisch etwas durchhängenden BVB geht es derzeit fast ausschließlich um Visionen. Wer als Trainer die nächste Ära prägt, ist die bedeutendste Frage, die zweitwichtigste ist, wann Dortmund mal wieder so Fußball spielt, wie sie es sich im Verein selbst vorstellen. Sogar wenn man berücksichtigt, dass dieser Kader mit Mängeln in der Defensive und in der Hierarchie zusammengebaut worden ist, waren die jüngsten Leistungen in Mainz und gegen Hoffenheim trotz der Siege nicht zufriedenstellend. Stöger nannte am Samstag neben Leidenschaft vor allem "Glück" als siegbringenden Faktor. Dass beide Spiele gewonnen wurden, ist ein Trost, aber ein bisschen Furcht könnten die Dortmunder trotzdem bekommen, wenn sie am Mittwoch im Achtelfinale des DFB-Pokals beim FC Bayern antreten. Die einst auf Augenhöhe spielenden Borussen werden womöglich ein Abwehrbollwerk aufbauen, über das sich die Branche belustigen könnte.
"Wir stehen jetzt ein bisschen kompakter als vorher", sagte Christian Pulisic nach dem 2:1 gegen Hoffenheim über die taktischen Veränderungen unter Stöger. Der BVB wirkt allerdings wie ein Ferrari, der aus Angst vor Unfällen nur im Schritttempo fährt. Vorgängertrainer Peter Bosz hatte wochenlang selbst dann keine Angst vor Unfällen, als dieser Ferrari schon voller Beulen und Schrammen war. Dann hat er ihn langsamer fahren lassen, anschließend wurde Bosz entlassen.
Unter Stöger wirkt Dortmund wie eine Mittelklasse-Mannschaft, die nicht Fußball zelebrieren, sondern bloß Ergebnisse erzielen will. Der Plan ging auf, wenn auch mit ein bisschen Glück. Aubameyang per Elfmeter (63.) und Pulisic (89.) drehten einen Rückstand. Dass der Sieg schmeichelhaft war, störte die Borussen kaum. "Wir müssen jetzt erst mal auf Nummer sicher gehen", sagt Watzke. Schöneren Fußball haben sie sich erst für die nähere Zukunft vorgenommen. "Im Frühjahr werden wir eine richtig gute Mannschaft sein", verspricht Stöger.
Bis es so weit ist, genießen die Spieler seine Rücksichtnahme, die Mannschaft nicht zur bedingungslosen Attacke zu verurteilen. Bosz hatte genau das wochenlang getan. "Die kompaktere Spielweise gibt uns ein Gefühl der Sicherheit", sagt Torwart Roman Bürki. "Wir wissen, dass wir den Ball nicht schon ganz vorne erobern müssen, sondern dass es auch weiter hinten reicht." Vor allem für Bürki ist das wohltuend, denn nie hat er in seiner Torwartkarriere so oft gegnerische Stürmer allein auf sich zurennen sehen wie in dieser Hinrunde. Bürki stand unter Bosz oft als Depp da, davon erholt er sich gerade.
Auch andere fühlen sich momentan wohler. "Der BVB ist wieder da", sangen am Samstag die Fans, aber niemand weiß, wo dieser BVB gerade wirklich steht. Wenn Watzke nach Gründen für die jüngste Krise gefragt wird, dann wehrt er die Suggestion demonstrativ ab und verweist auf die Zugehörigkeit zur Spitzengruppe. Die jüngsten zwei Siege haben dem BVB die Winterpause halbwegs gerettet, aber erst im Pokalspiel in München wird man erkennen, auf welchem Niveau die Mannschaft derzeit überhaupt spielen kann. Das bislang letzte begeisternde Spiel war ein 6:1 gegen Borussia Mönchengladbach. Aber das ist zwölf Wochen her.