Borussia Dortmund:Lieber 1:0 als 3:2

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Rettung in höchster Not: BVB-Keeper Gregor Kobel verhindert das 1:1 gegen Leverkusens Stürmer Patrik Schick. (Foto: Maik Hölter/Team2/Imago)

Dortmund konzentriert sich gegen Leverkusen stärker auf die Defensive und braucht zwei Paraden von Torwart Gregor Kobel. Doch nach dem Spiel scheinen sie beim BVB nicht unglücklich darüber zu sein, dass ihnen ein echter Arbeitssieg gelungen ist.

Von Ulrich Hartmann, Dortmund

Als sich Borussia Dortmunds Kapitän Marco Reus am Samstagabend in der Nachspielzeit zur letzten Aktion des Spiels den Ball zu einem Freistoß aus 18 Metern Distanz zurechtlegte, stand im Tor von Bayer Leverkusen der Innenverteidiger Edmond Tapsoba mit den verschwitzten Handschuhen seines Torwarts Lukas Hradecky. Letzterer hatte kurz zuvor versehentlich einen Ball ganz knapp außerhalb des Strafraums gefangen. Das konnte der Schiedsrichter Felix Brych selbst auch nur in der Zeitlupe auf einem Monitor am Spielfeldrand erkennen.

Brych zeigte Hradecky daraufhin die rote Karte (laut Reglement "wegen Vereitelung einer Torchance", weil sich ein Gegenspieler genähert hatte) und gab Freistoß für Dortmund. Weil Leverkusen bereits fünf Mal gewechselt hatte, musste der Abwehrspieler Tapsoba ins Tor. Doch Reus war gnädig. Er schlenzte den Freistoß ein bisschen fahrlässig so übers Tor, dass Tapsoba nicht mal versuchen musste, eine fliegende Parade hinzulegen. Reus hatte gewusst: Sein BVB würde ja trotzdem gewinnen, er selbst nämlich hatte in der 9. Minute das Tor des Tages erzielt.

Bis zum Ende Bestand hatte jener Treffer, der Dortmund einen 1:0 (1:0)-Arbeitssieg bescherte in einem Duell, in dem in den vorangegangenen zehn Partien im Schnitt fünf Treffer pro Spiel gefallen waren. Doch genau darüber waren die Dortmunder diesmal froh: dass sie ohne Gegentor gewannen. Lieber 1:0 als 3:2. Die Defensive war in der Vorsaison unter dem Trainer Marco Rose ein großes Manko gewesen. Auch deshalb hatte man Edin Terzic zum neuen Trainer ernannt.

BVB-Zugang Adeyemi leitet das Tor des Tages ein, muss aber früh verletzt ausgewechselt werden

Den Dortmunder Fußballtempel als jene steingewordene Dröhnung, in der man mit seinen Fußballern kaum kommunizieren kann, weil einem 81 365 Zuschauer dazwischen schreien - das hatte Terzic als Trainer zuvor noch nie erlebt. Als der 39-Jährige im ersten Halbjahr 2021 bereits einmal vorübergehend BVB-Coach gewesen war, spielte es sich im coronabedingt leeren Signal-Iduna-Park wie im Ruhewagen eines ICE. Damals schrie der Sauerländer seine Spieler gut verständlich zu meist recht erfolgreichen Spielen. Am Samstagabend gegen Leverkusen indes rauschte es Terzic in den Ohren, als wirbelte ihn die Brandung des Atlantischen Ozeans durcheinander. Gelernt hat er dabei: Man kann auch gewinnen, ohne sich mit allen Zwischentönen bei den Spielern verständlich machen zu können.

Die Dortmunder spielten so wie beim vorangegangenen 3:0-Pokalsieg bei 1860 München, mussten den muskulär verletzten Innenverteidiger Niklas Süle aber durch Mats Hummels ersetzen. Bei Bayer kamen fünf Spieler neu in die Startelf, weil das Pokalspiel beim Drittligisten Elversberg auf blamable Art 3:4 verloren worden war. Leverkusen wollte sicherer und kompakter sein.

Erfolgreich gestochert: Marco Reus (mit schwarz-gelben Strümpfen) markiert früh das Tor des Tages für den BVB. Die Leverkusener Lukas Hradecky (lila Schuhe) und Hincapie (grün) können es nicht verhindern. (Foto: Ina Fassbender/AFP)

Dieses Ansinnen war nach neun Minuten zunächst hinfällig, als Reus die 1:0-Führung erzielte. Einen Torschuss des BVB-Zugangs Karim Adeyemi hatte der Torwart Hradecky punktgenau auf der Linie zum Erliegen gebracht, Piero Hincapié schaffte es nicht, den Ball wegzubugsieren, da rauschte Reus heran und stocherte die Kugel über die Linie.

Leverkusens Stürmer Patrik Schick scheitert zweimal in aussichtsreicher Position

Für Leverkusens Kämpfernatur Robert Andrich war die Partie verletzungsbedingt schon nach 13 Minuten vorbei (für ihn kam Charles Aránguiz), für Dortmunds Flügelflitzer Adeyemi nach 22 Minuten (für ihn kam Thorgan Hazard). In der Folge verloren die Dortmunder ein bisschen an Gefahr, während die Leverkusener sukzessive Spielanteile hinzugewannen.

Vor den Augen des Bundestrainers Hansi Flick - der bereits beim nachmittägigen Spiel zwischen Borussia Mönchengladbach und Mainz 05 zugeschaut hatte und dann die knapp 100 Kilometer von der einen Borussia zur anderen hinübergesaust war - vergaben die Angreifer nach der Pause hüben (Hazard) wie drüben (Patrik Schick) ansehnliche Gelegenheiten.

Torwart für wenige Sekunden: Innenverteidiger Edmund Tapsoba (mit blauer Weste), der für Leverkusens etatmäßigen Keeper Lukas Hradecky ins Tor musste, wurde vom Freistoßschützen Marco Reus nicht mehr geprüft. (Foto: David Inderlied / Kirchner-Media/Imago)

Schick, der gute Chancen besitzt, als Nachfolger von Robert Lewandowski Torschützenkönig der Bundesliga zu werden, mangelte es bei zwei hochkarätigen Einschussgelegenheiten nach einer guten Stunde allerdings ausnahmsweise an Coolness. Man muss jedoch auch sagen: Dortmunds Torwart Gregor Kobel parierte beide Male in zirkusreifer Manier. Als durch Schicks Bein der Ball schließlich doch einmal im Tor landete (80.), hatte sein Passgeber Sardar Azmoun zuvor im Abseits gestanden.

Für Dortmunds neuen Sportdirektor Sebastian Kehl war es ein Sieg des Willens: "Die Mannschaft hat hart gearbeitet", sagte er, "sie hat gekämpft und gebissen und mit Intensität dagegengehalten." Gerade weil dies in der vergangenen Saison nicht immer so gewesen war, lobte Kehl die Mentalität der Mannschaft. Auch Kapitän Reus fand: "Wir haben spielerisch nicht gerade überzeugt, aber wir haben alles angenommen - und dabei spielt der Trainer eine große Rolle."

Nach dem Spiel durften die vielen Zuschauer zunächst das Stadion nicht verlassen, weil im Parkhaus bei einem unbesetzten Auto der Motor lief. Das kam der Polizei verdächtig vor. Es dauerte aber nicht lange, ehe Entwarnung gegeben werden konnte. Und so endete für Dortmund ein schöner Fußballabend ohne Zwischenfälle.

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