Europa League: Eintracht-Stürmer Borré:Frankfurts Garibaldi

Rafael Santos Borré entpuppt sich mit dem Ausgleichstor gegen die Rangers und dem Treffer im Elferschießen im Finale von Sevilla als Held zweier Welten. Nun hofft er auf ein Supercup-Duell mit einem Landsmann aus Liverpool.

Von Javier Cáceres, Sevilla

Rafael Santos Borré galt schon in Argentinien als Stürmer der besonderen Tore, am Mittwoch wurde er in Sevilla zu einem Garibaldi des Fußballs, zu einem Helden zweier Welten. Denn wie der italienische Freiheitskämpfer aus dem 19. Jahrhundert, der seine Feldzüge in Südamerika führte, triumphierte auch der Kolumbianer dies- und jenseits des Atlantiks.

Bei CA River Plate, dem argentinischen Traditionsverein aus Buenos Aires, wurde er zum einzigen Spieler, der in allen K.-o.-Phasen der Copa Libertadores Tore erzielte. Und nun schoss er nicht nur im Viertel- und Halbfinale Tore, sondern auch am Mittwoch im Endspiel der Europa League, die er mit Eintracht Frankfurt gewann. Nicht zuletzt, weil er auch vom Punkt zum 5:4 im Elfmeterschießen erfolgreich war - nachdem er mit seinem Treffer zum 1:1-Ausgleich die Verlängerung erzwungen hatte.

Das Tor zum 1:1 war kein Zufall. Im Gegenteil. "Die Situation haben wir den Spielern in der Halbzeit gezeigt. Wir sind oft über Ansgar Knauff und Filip Kostic (auf den Flügeln) durchgekommen, aber wir hatten nicht die Entschlossenheit im Strafraum, wir hatten nicht die Intensität, die Räume anzulaufen", sagte Eintracht-Trainer Oliver Glasner. "Wir haben gesagt: Wir müssen speziell den ersten Pfosten attackieren, und genau das hat Rafa gemacht. Er hat um dieses Tor gefightet."

Rafael Santos Borré stammt aus der Karibik - der Kolumbianer liebt große Bühnen

Santos Borré wurde in Barranquilla geboren, einer Stadt an der kolumbianischen Karibikküste, die für ihren Karneval ebenso berühmt ist wie für Gabriel García Márquez, den Meister des Magischen Realismus. Santos Borré kam im vergangenen Sommer zur Eintracht. Ablösefrei, aber lorbeerüberhäuft- und mit der Empfehlung, der beste Torschütze der titelgesäumten Ära von River-Trainer Marcelo Gallardo zu sein. In der Bundesliga erzielte er in 31 Spielen acht Tore, in der Europa League vier Treffer in 13 Spielen. Ein Zufall ist das nicht, er liebt die großen Bühnen.

Seinen Gewaltschuss aus 25 Metern unter die Querlatte bei der legendären Barcelona-Visite der Eintracht im Camp Nou brannte sich im Gedächtnis der Frankfurt-Fans als ein Akt brutaler Schönheit ein. "Diese besonderen Spiele sind es doch, die es uns erlauben, einzigartige Momente zu erleben und zu genießen!", sagte der 26-Jährige in den Katakomben des Estadio Ramón Sánchez Pizjuán von Sevilla. "Ich sage immer zu meinen Kameraden: Das sind die Spiele, in denen man sein ganzes Potenzial abrufen und seinen Charakter zeigen muss." Er tat es, und das war für ihn alles andere als eine banale Angelegenheit.

"Mein Traum war es immer, die Libertadores zu gewinnen; dass ich nun in Spanien meinen ersten europäischen Titel gewinnen konnte, hat einen besonderen Beigeschmack", erklärte er. Er war in jungen Jahren zu Atlético Madrid gewechselt, wurde nie eingesetzt und an den FC Villarreal verliehen; dort spielte dort nur sporadisch und dachte, wie er später verriet, es sei vielleicht besser, alles hinzuwerfen. "Viele dachten, dass ich für diese Augenblicke nicht vorbereitet wäre. Mit einer deutschen Mannschaft hierher zurückzukehren und einen Pokal zu gewinnen, ist deshalb etwas ganz Besonderes."

In Deutschland, so sagte er in Sevilla, habe er sein Spiel umstellen müssen: "In Südamerika legt man einen größeren Wert auf Ballbesitz. Hier ist alles direkter, trennt man sich schneller vom Ball. Und auch gewisse Bewegungen habe ich neu erlernen müssen." Das waren vor allem Bewegungen im Spiel ohne und gegen den Ball.

"Er ist unglaublich wichtig für uns, nicht nur wegen seiner Offensivaktionen und seiner Tore, sondern auch in der Defensive, weil er sehr weite Wege für uns geht", lobte Trainer Oliver Glasner. Auch am Mittwoch rieb sich Santos Borré auf. Gegen Calvin Bassey zu spielen, einen wuchtigen Mann von den Dimensionen der Löschkräne am Hafen von Glasgow, muss sich angefühlt haben wie der Versuch, mit einem Kühlschrank auf dem Rücken eine nach unten fahrende Rolltreppe hochzulaufen.

Der Preis: die Trophäe, die damit einhergehende Champions-League-Qualifikation - und das Finale um den europäischen Supercup, am 10. August in Helsinki gegen den Sieger des Champions-League-Finales zwischen Real Madrid und dem FC Liverpool. Er hofft auf die "Reds", denn dort spielt ein Landsmann von ihm, Luis Díaz, auch er stammt von der kolumbianischen Karibikküste und ist nun der Darling von Liverpools Trainer Jürgen Klopp. "Ich liebe ihn sehr. Es wäre sehr schön, gegen ihn antreten zu dürfen", sagte Borré.

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