Süddeutsche Zeitung

Boris Becker:Schuld und Bühne

  • Boris Becker tritt in Wimbledon als Kommentator für die BBC auf.
  • Seine Auftritte werden von der Frage überschattet: Ist er jetzt wirklich pleite?
  • Ein Treuhänder wird sein Vermögen verwalten, die Insolvenzbehörde erwartet Becker zum Gespräch.

Von Christian Zaschke

Normalerweise sind es für Boris Becker die schönsten Wochen des Jahres. Nirgends fühlt er sich so wohl wie auf der Anlage des All England Lawn Tennis and Croquet Clubs, auf der er vor genau 32 Jahren, am 7. Juli 1985, erstmals das Tennisturnier von Wimbledon gewann. Seither kehrt er jedes Jahr zurück, als Spieler, als TV-Experte, als Trainer.

Das aktuelle Turnier sollte ein besonders erfreuliches werden, weil Becker endlich wieder als Kommentator für die BBC auftritt. Diesen Job liebt er, und in diesem Job hat er sich höchste Anerkennung auf der Insel erarbeitet. In den vergangenen Jahren hatte er jedoch nicht in der Kommentatoren-Box Platz nehmen können, weil er Teil des Trainerteams von Novak Djokovic war. Nun also das Jahr seiner Rückkehr ans Mikrofon, und obwohl Becker wie gewohnt ein genauer, witziger, geistreicher und informativer Experte ist, werden seine Auftritte von der Frage überschattet: Ist er jetzt wirklich pleite?

Vor gut zwei Wochen ist Becker von einem Gericht in London für bankrott erklärt worden. Die Londoner Privatbank Arbuthnot Latham & Co. war juristisch gegen ihn vorgegangen, weil er Schulden in Höhe von rund vier Millionen Euro nicht beglichen hatte. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung hatte Becker daraufhin beteuert, weder pleite noch zahlungsunfähig zu sein. Er verfüge über die Mittel, sämtliche Schulden zu bezahlen.

Gleiches hat er mittlerweile auch dem Londoner Insolvency Service mitgeteilt, der für den Fall nun zuständig ist. In der vergangenen Woche hätte er dort zu einem persönlichen Gespräch erscheinen sollen, um seine finanzielle Situation zu erläutern. Nach Angaben der Behörde schwänzte Becker den Termin nicht, wie teilweise berichtet wurde, sondern sagte formell ab. Auch dass er am Mittwoch dieser Woche zum Gespräch hätte erscheinen sollen, wie die Daily Mail und die Bild-Zeitung berichtet hatten, sei nicht richtig. "Wir suchen derzeit nach einem für beide Seiten passenden Termin", sagte Sprecher Ade Daramy der SZ. Vorab habe man von Becker detaillierte Informationen über seine Finanzen angefordert, und Becker kooperiere.

Um das persönliche Gespräch kommt er dennoch nicht herum. "Es gibt Fragen, die nur er selbst beantworten kann. Daher ist es nicht möglich, einen Rechtsvertreter zu schicken", sagte Daramy. Die Insolvenzbehörde wird eine detaillierte Aufstellung von Beckers sämtlichem Besitz erstellen. Diese wird sie sämtlichen Forderungen von Gläubigern gegenüberstellen.

Neben der Privatbank hat sich in dieser Woche ein früherer Geschäftspartner Beckers mit einer hohen Forderung zu Wort gemeldet. In dessen Mitteilung heißt es: "Nachdem kürzlich das Urteil eines Londoner Insolvenzgerichtes öffentlich bekannt geworden ist, wonach dieses Boris Becker als insolvent erklärt hat, sieht sich der Unternehmer und frühere Geschäftspartner von Boris Becker, Dr. Hans-Dieter Cleven (Zug), gezwungen, seine Forderungen gegenüber Boris Becker auch in diesem Insolvenzverfahren geltend zu machen." Diese Forderungen belaufen sich auf 36,5 Millionen Euro. Cleven hatte Becker seit 1999 beraten und mit ihm Geschäfte gemacht. Beckers Anwälte wiesen die Forderung zurück.

Nach britischem Recht läuft das Insolvenzverfahren genau ein Jahr, also bis zum 21. Juni 2018. In dieser Zeit werden alle berechtigten Forderungen so weit wie möglich beglichen. Nach Erfahrung der Insolvenzbehörde kommt es allerdings sehr selten zu einer vollständigen Rückzahlung - wer zahlungsfähig sei, lasse sich in der Regel nicht für bankrott erklären. Nach Ablauf der Frist wird die Bankrotterklärung aufgehoben.

Während dieses Jahres ist Becker nicht Herr über sein Vermögen. Die Kontrolle über seinen Besitz obliegt einem Treuhänder, der den Schuldenabbau organisiert. Dieser kann zum Beispiel Immobilien oder Wertgegenstände verkaufen. Zudem muss der Schuldner in der Regel seine Kreditkarten abgeben. Zu sagen, dass Becker künftig nur noch ein Taschengeld für das Nötigste erhalte, ist allerdings übertrieben. Während des Insolvenzverfahrens erhält der Schuldner einen "angemessenen Unterhalt", was je nach Lebensstandard deutlich variieren kann. Für Becker bedeutet das nach Einschätzung der Insolvenz-Behörde, dass er im Wesentlichen sein normales Leben weiterleben kann.

Nach Informationen des Magazins Stern hat Becker die Schulden bei der Bank angehäuft, indem er sich 2014 bei dem britischen Milliardär John David Caudwell 2,1 Millionen Euro lieh, zu einem Zinssatz von 25 Prozent im Jahr. Dieser Kredit sei durch eine Hypothek auf Beckers Anwesen auf Mallorca abgesichert worden. Caudwell habe den Schuldschein im Jahr 2015 an die Londoner Bank weitergereicht. Da Becker nicht gezahlt habe, sei der Betrag wegen des enormen Zinssatzes auf rund vier Millionen Euro gestiegen.

Die Richterin, die Becker für bankrott erklärt hatte, sagte in ihrer Urteilsbegründung, sie habe den Eindruck, dass er den Kopf in den Sand stecke. Dass er sich verstecke, lässt sich hingegen nicht behaupten. Am Donnerstag schlenderte Becker gelassen über die Anlage in Wimbledon an seinen Arbeitsplatz; sollten ihn die Vorgänge bedrücken, ließ er sich das nicht anmerken.

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Quelle:
SZ vom 07.07.2017/chge
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