Boxen:Weltmeister mit 49?

Firat Arslan Germany rote Handschuhe vs Cesar D Crenz Argentina Schwarze Handschuhe Cruiserw

Hinter der Doppeldeckung: Firat Arslan wartet meist, bis sein Gegner sich ausgepowert hat - dann fängt seine Zeit an.

(Foto: Florian Wolf/imago)
  • Firat Arslan kämpft am Samstagabend gegen Kevin Lerena aus Südafrika um den IBO-Titel im Cruisergewicht.
  • Gewinnt er, wäre er der älteste Box-Weltmeister der Geschichte.
  • "Ich lebe als Boxer von meiner Physis und von meiner Doppeldeckung, und beides ist nicht wirklich gealtert", sagt er.

Von Benedikt Warmbrunn

Firat Arslan war 18 Jahre alt, als er das erste Mal boxte; er war 26, als er bei den Profis debütierte; er war 34, als er erstmals einen Trainer engagierte; er war 37 Jahre alt, als er das erste Mal den WM-Titel im Cruisergewicht gewann. Seitdem sind ein paar Jahre vergangen, und Arslan weiß, dass selbst ein zäher, selbstquälerischer Bursche wie er einen aussichtslosen Kampf gegen die Zeit führt, auch sein Körper wird nicht jünger. Also sagt Arslan: "Mein Ziel ist es nicht mehr, so fit zu sein wie mit 20, das muss ich akzeptieren. Aber ich möchte so fit sein wie bei meinem ersten WM-Sieg."

Den Vergleich wählt Arslan nicht zufällig, er will an diesem Wochenende zum zweiten Mal Weltmeister werden. Nachdem er seinen WM-Titel im zweiten Verteidigungskampf verloren hatte, hat er noch dreimal um eine WM geboxt, dreimal hat er verloren. Doch sollte Arslan am Samstag in seiner Heimatstadt Göppingen gegen den aktuellen IBO-Weltmeister Kevin Lerena gewinnen, dann wäre nicht mal sein zweiter WM-Titel die Geschichte. Die Geschichte wäre, dass er als ältester Boxer der Historie einen WM-Gürtel gewonnen hätte. Firat Arslan ist 49.

Im Boxen zählt wie in den meisten Sportarten die Erfahrung viel, das Gespür für Schläge, für Situationen, für den so schwer zu greifenden Moment. Im Boxen kommt es aber mehr als in den meisten anderen Sportarten auch auf Reaktionsschnelligkeit an, auf flinke Fäuste und auf noch schnellere Beine, auf Eigenschaften also, die üblicherweise der Jugend vorbehalten sind. Ein langsamer Boxer wird leicht getroffen, es kann dann schnell um die Gesundheit gehen. Die meisten Boxer sehen ein, dass sie chancenlos sind in diesem Kampf gegen die Zeit, sie beenden ihre Karriere mit Mitte 30, manche steigen noch ein paar weitere Jahre in den Ring.

Sein Gegner ist 22 Jahre jünger

Nur wenige waren bislang auch im hohen Boxeralter erfolgreich. George Foreman war 45 Jahre, neun Monate und 26 Tage alt, als er 1994 Michael Moorer ausknockte. Bernard Hopkins war 46 Jahre, vier Monate und sechs Tage alt, als er 2011 den WM-Titel im Halbschwergewicht gewann. Abgelöst wurde er 2013 durch einen Weltmeister, der 48 Jahre und 53 Tage alt war, was Hopkins aber wenig störte, da er selbst es war.

Wenn Firat Arslan am Samstag gegen den 27 Jahre alten Kevin Lerena in den Ring steigt, wird er 49 Jahre, vier Monate und elf Tage alt sein. Er kann viel gewinnen, er kann aber auch genauso viel verlieren. Er ist der klare Außenseiter, in einem schlimmen Szenario wird er vorgeführt, im schlimmsten Fall wird er schwer verletzt. Arslan aber sagt: "Boxen kann man nicht messen."

An Hopkins will Arslan sich nicht messen lassen, er weiß, was er kann und was er nicht kann. "Es gibt nur wenige in der Geschichte, die boxerisch so stark waren wie Hopkins", sagt er, "was das angeht, kann ich nicht mithalten. Ich will es auch nicht. Ich lebe als Boxer von meiner Physis und von meiner Doppeldeckung, und beides ist nicht wirklich gealtert."

Die großen Boxteams lehnten ihn ab

Arslan hatte schon immer einen eigenen Zugang zum Boxen. Zu Beginn seiner Profikarriere lehnten ihn die großen Boxteams ab; er trainierte im Hasenstall des Kleintierzüchtervereins, ohne Sandsack, die Handschuhe band er sich selbst, mit den Zähnen. Wenn er für einen Kampf gebucht wurde, dann als Verlierer. Aber Arslan gewann. Wieder und wieder. Er war nie ein Boxer, der raffinierte Schlagfolgen zeigte, aber er entwickelte ein unerschütterliches Vertrauen in seinen Körper. Er kassierte einen Schlag nach dem anderen auf seine gemeißelt wirkenden Bauchmuskeln, auf seine Doppeldeckung, aber er ließ sich nicht beeindrucken.

Arlsan war wie ein moderner Joe Bugner - über den Briten, der auch gegen Muhammad Ali und Joe Frazier boxte, hat der Sportjournalist Hugh McIlvanney geschrieben, er habe "die Statur eine griechische Statue - aber weniger Bewegungen". Ähnlich war es bei dem sturen Arslan, irgendwann war der Gegner ausgepowert, dann fing Arslans Zeit an. Er traf mit einfachen, harten Schlägen. So gewann er. Bis in seine späten Dreißigerjahre hinein.

Die großen Kämpfe danach verlor Arslan jedoch alle, zweimal gegen Marco Huck, zuletzt um die WM geboxt hat er im August 2014, als er gegen Yoan Pablo Hernández verlor. "Hätte ich damals gewonnen", sagt Arslan, "wäre ich zurückgetreten." Aber die Schmach einer Niederlage trieb ihn weiter an. 14 Mal hat er seitdem geboxt, ein Kampf endete mit einem Unentschieden, die anderen gewann er. Wird also der Kampf gegen Lerena sein letzter sein? "Wenn ich klar verliere, wenn ich nicht gut genug bin, dann werde ich aufhören", sagt Arslan. Sollte er unglücklich verlieren, "dann kann ich nicht sagen, dass das eintritt". Im Falle eines Sieges - wovon er ausgehe - wisse er auch nicht, wie es weitergehen würde: "Aber ein Thema wäre sicher eine Titelvereinigung."

Spricht Arslan über seine Chancen, dann spricht er über seine Kraft-Ausdauer-Werte, über Herzmuskelmessungen und darüber, dass er seinen Maximalpuls immer noch über 200 treiben kann. Er sagt: "Boxen ist eine Kraftsportart." Er findet: "Groß was neu anzufangen, wäre falsch mit fast 50 Jahren." Er verlässt sich auf seinen Körper einer griechischen Statue, auf seine Doppeldeckung; es ist nicht viel, aber oft genug hat es ihm gereicht.

Der 22 Jahre jüngere Südafrikaner Lerena wird - wenn er klug boxt - sich viel bewegen, Arslan beschäftigen, sich nie auf einen Nahkampf einlassen. Dann wäre Arslan chancenlos. Aber Arslan sagt, dass er schon so oft als Verlierer gebucht worden sei und dennoch den Ring als Sieger verlassen habe. Und er sagt: "Ich habe im Ring die absolute Ruhe. Bei Lerena habe ich aber gesehen, dass er hektisch ist, wie so viele junge Boxer."

Er sagt, dass er da aus Erfahrung spreche. "Ich war", sagt Arslan, "ja auch einmal jung."

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