Der Abschnitt in den DFB-Fußballregeln zum Thema „Torjubel“ ist bloß elf Zeilen lang und beginnt mit einem sehr deutschen Satz: „Spieler dürfen nach einem Tor jubeln, solange sie es nicht übertreiben.“ Ein Satz wie ein Anwohner in bester Innenstadtlage, der die Gäste in der Kneipe gegenüber um Punkt 22 Uhr anweist, sich fortan, wenn überhaupt, bitte nur noch im Flüsterton zu unterhalten: „Ab zehn ist Nachtruhe, wissen Sie.“ Irgendwann ist auch mal gut.
Aber zurück zum Regelwerk des deutschen Fußballs, das den Schiedsrichtern einen recht großen Interpretationsspielraum gewährt, was denn nun übertrieben ist und was nicht. Zwingend verwarnt gehört der Jubelnde nur in den folgenden Fällen: wenn er einen Zaun hochklettert; wenn er auf „provozierende, höhnische oder aufhetzende Weise“ jubelt; wenn er sich eine Maske über den Kopf stülpt. Und wenn er sich, Klassiker, „das Trikot auszieht oder über den Kopf zieht“.
Hat man diese Regeln verinnerlicht, könnte man durchaus auf die Idee kommen, dass es Victor Boniface, 23, ein Anliegen war, Aufklärungsarbeit zu betreiben: Der Angreifer erzielte beim 4:1-Auswärtssieg seiner Leverkusener gegen Hoffenheim zwei Tore und jubelte jeweils, indem er seine Hose so weit herunterließ, dass das ZDF-Sportstudio seinen Zuschauern am Samstagabend „Verstörendes“ ankündigte.
Im Sinne der Aufklärung hatte Boniface freilich aufgedeckt, dass Trikot überm Kopf ein Vergehen darstellt, Hose unterm Hintern jedoch nicht. Denn wenngleich sich Didi Hamann in der Halbzeitpause bei Sky darüber wunderte: Schiedsrichter Daniel Schlager zeigte Boniface keine gelbe Karte. In Wahrheit hatte die Aktion übrigens nichts Investigatives an sich, Boniface hatte den Jubel bloß einem nigerianischen Influencer versprochen.
Was bleibt, ist die Frage, ob die DFB-Fußballregeln bald um eine weitere Zeile ergänzt werden müssen. Die Antwort dürfte stark davon abhängen, wie viele Zuschriften der Verband von aufgeregten Eltern erhält, weil Elfjährige fortan Treffer in der D-Jugend mit heruntergelassener Hose feiern. Die deutschen Regelhüter könnten zu dem Schluss kommen: Irgendwann ist auch mal gut.