Süddeutsche Zeitung

Bogenschützin Lisa Unruh:"In Berlin muss man auch mal übertreiben"

Bogenschießen war in Deutschland lange kaum bekannt - dann gewann Lisa Unruh in Rio Silber. Vor den Finals in der Hauptstadt erklärt sie, wie die stille Disziplin zum Fernsehsport werden kann.

Interview von Saskia Aleythe

Lisa Unruh hat in Rio 2016 Historisches geschafft: Mit Silber gewann die Berlinerin die erste olympische Einzelmedaille im deutschen Bogenschießen. Plötzlich war die Frau mit dem Fischerhut berühmt und trat in Fernsehshows auf. Am Wochenende werden die deutschen Meisterschaften im Bogenschießen im Rahmen der Finals in Berlin live im Fernsehen übertragen. Die 31-Jährige erzählt von Meisterschaften auf dem Dorf, Bogenschießen auf dem Laufband und hüpfenden Fischen in Shanghai.

SZ: Frau Unruh, wissen Sie, wann das Bogenschießen zuletzt im Fernsehen kam?

Lisa Unruh: Gute Frage. In Rio auf jeden Fall, 2016. Ich glaube, Sport 1 hat auch in Minsk bei den European Games etwas übertragen. Es ist jedenfalls nicht regelmäßig, das kann man an einer Hand abzählen.

Was sagen Sie zum Konzept der Finals, das zehn Meisterschaften an einem Wochenende zusammenbringt?

Ich finde es super, das hat etwas olympischen Flair, weil mehrere Sportarten an einem Ort gebündelt sind. Das lockt natürlich auch Zuschauer an. Rund ums Olympiastadion gibt es mehrere Sportarten, die kann man sich in einem Wisch einfach mal anschauen. Wenn jemand bei der Leichtathletik zuschaut und gerade Pause ist, geht er vielleicht mal rüber zum Bogenschießen oder zum Triathlon.

7,5 Millionen TV-Zuschauer haben 2016 gesehen, wie Sie Olympia-Silber in Rio gewonnen haben - wie lange hat sich die Popularität gehalten?

Ich merke immer noch etwas davon. Weil Sie zum Beispiel anrufen. Immer wenn Großereignisse sind, rückt man wieder in den Fokus. Vor Rio hat sich kaum jemand für uns interessiert. Danach wurde ich auch auf der Straße öfter mal angesprochen.

Ist Bogenschießen ein Fernsehsport?

Ja, weil man die Präsentation spannend gestalten kann. Jeder Schütze schießt einen Pfeil, und man sieht direkt, was los ist. Wie viele Ringe hat derjenige, wie steht es gerade? Es geht relativ schnell, man hat ja nur zwanzig Sekunden pro Schuss. Wenn man das mit der Kameraführung richtig aufzieht, dass man beim Schießen direkt sieht, was derjenige an der Scheibe hat, ist das schon cool.

Die Finaldurchgänge werden dieses Wochenende direkt vorm Olympiastadion ausgetragen, mit großer Tribüne. Vor welcher Kulisse finden sonst deutsche Meisterschaften im Bogenschießen statt?

Das sind meistens Dörfer oder kleinere Städte. In der Regel sind das Fußballfelder oder Bogenplätze von Vereinen. Und oft gibt es bei der Siegerehrung dann auch typisch regionale Geschenke. In Bayern zum Beispiel einen Korb mit Wurst. Ganz cool war es vor zwei Jahren in Hallbergmoos: Da habe ich einen Apfelbaum geschenkt bekommen, im Kübel. Der steht jetzt in meinem Garten. Bei deutschen Meisterschaften verirren sich selten Leute von außen zu den Plätzen. Das sind meistens andere Athleten, die gerade keine Wettkämpfe haben, Familie und Freunde.

Da ist Berlin eine andere Nummer.

Hier wurde schon dreimal der Weltcup ausgetragen. Hört man Olympiastadion, verbindet man das direkt mit Sport. Die Vorausscheidungen finden auf dem Maifeld statt, von da sieht man den Glockenturm und das Stadion, das ist eine schöne Kulisse. Wie das angenommen wird, muss man aber auch hier erst herausfinden: Ob tatsächlich Leute vorbeikommen, die mit Bogenschießen sonst nicht viel zu tun haben.

Das wäre direkt in der Stadt anders. Haben Sie eine Traumkulisse, vor der Sie gerne mal schießen würden?

Meine absolute Traumkulisse wäre das Brandenburger Tor. Wenn man da auf dem Platz schießen könnte, wäre das der Hammer. Aber mit dem Olympiastadion haben wir auch schon einen guten Fang gemacht. Das sind von der S-Bahn aus ja auch nur ein paar Minuten Fußweg.

Der Weltcup führt Sie abgesehen von Berlin auch in andere Metropolen: Antalya, Shanghai, Moskau. International ist das Bogenschießen also mehr anerkannt?

Ja, die Finals finden da immer an besonderen Orten statt. In Shanghai schießen wir in einem schönen Park über einen See hinweg, da hüpft dann auch schon mal ein Fisch raus. In Antalya ist es direkt am Meer. Bei der WM in Holland waren wir in der Altstadt von 's-Hertogenbosch. Da gibt es dann auch die Extratribünen, und dann kommen auch mal 2000 Zuschauer. Am populärsten ist der Sport in Südkorea: Da bist du ein Held, wenn du als Olympiasieger nach Hause kommst. Aber ich mache meinen Sport nicht für die Anerkennung.

Trotzdem waren Sie nach der Silbermedaille in Rio auch in Deutschland bekannter. Sie traten in der Fernsehshow "Beginner gegen Gewinner" auf, wo Sie von einem Laufband aus schießen mussten, damit die gegen Sie antretende Anfängerin eine Chance hat. Darauf hätte auch nicht jeder Lust gehabt.

Ich aber schon, weil mein Sport eben nicht so oft im Fokus ist. Ich hatte da Bock drauf und wollte alles auskosten. Ich habe zwar knapp verloren, vom Laufband aus zu schießen war echt anspruchsvoll. Aber es hat Spaß gemacht, und ich konnte meinen Sport repräsentieren. Viele Menschen in Deutschland können mit dem Bogenschießen immer mehr anfangen, auch wegen Filmen wie "Die Tribute von Panem". Der Mitgliederzuwachs in den Vereinen war zeitweise sehr groß, viele konnten dann gar keine neuen Leute mehr aufnehmen, weil die Trainer fehlten.

Sie haben mit 13 Jahren zum Bogenschießen gefunden, waren vorher noch Schwimmerin. Und die Begeisterung zu wechseln war gar nicht so groß.

Dass ich meine Schwimmkarriere beenden musste, war sehr schmerzhaft. Die Trainer haben keine Perspektive für mich gesehen, weil meine Ausdauer nicht so gut war. Sie haben gesagt, beim Bogenschießen werden Leute gesucht. Ich wollte auf der Sportschule bleiben und habe das dann ausprobiert. Es hat sofort Spaß gemacht. Durch die Erfahrungen als Schwimmerin habe ich Kraft und Koordination mitgebracht und war relativ schnell relativ gut. Ich habe aber nicht geglaubt, dass ich noch mal in der Lage wäre, etwas zu erreichen. Mit zwei Medaillen bei der Junioren-WM drei Jahre später habe ich gemerkt: Doch, da geht noch was. Dann habe ich das Schwimmen vergessen.

Die deutschen Schwimmer hatten nach ein paar erfolglosen Jahren weniger Medienpräsenz. Verfolgen Sie das noch?

Ich konzentriere mich aufs Bogenschießen. Aber mit den Übertragungen ist es schon so: Das steht und fällt mit dem Erfolg. Das merken wir ja selber auch - durch die Medaille in Rio sind wir fürs Fernsehen interessanter geworden.

Sie selber sind auch auf einem Plakat zu sehen, mit dem in Berlin für die Finals geworben wird. Haben Sie sich selbst schon gesehen?

Nein, aber Freunde haben mich entdeckt. Es ist in Sachen Werbung was gemacht worden, das ist ja schon mal schön. Aber es geht natürlich immer noch ein bisschen mehr. In Berlin ist viel los, da muss man auch mal übertreiben. Nichtsdestotrotz sehe ich die Idee mit den Finals ausnahmslos positiv. Die Infrastruktur ist schon vorhanden, da wird nicht extra was Großes hochgezogen und eine Menge Geld verprasst. Das ist eine schöne Sache. Und ein Unterschied zu Olympischen Spielen.

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Quelle:
SZ vom 02.08.2019
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