Spielunterbrechung bei Union gegen BochumFeuerzeugwurf mit Folgen

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Torwart Patrick Drewes (2.v.r) vom VfL Bochum kniet am Boden, nachdem er mit einem Gegenstand am Kopf getroffen wurde.
Torwart Patrick Drewes (2.v.r) vom VfL Bochum kniet am Boden, nachdem er mit einem Gegenstand am Kopf getroffen wurde. (Foto: Andreas Gora/dpa)

VfL-Keeper Drewes sinkt zu Boden, der Schiedsrichter schickt die Teams in die Kabine: Beim 1:1 zwischen Union und Bochum kommt es zu bedenklichen Szenen – ein Protest des Gästeteams steht bevor, das Regelwerk bietet eine juristische Handhabe.

Von Ulrich Hartmann

Das Spiel war schon fast zu Ende, Schiedsrichter Martin Petersen hatte eine fünfminütige Nachspielzeit anzeigen lassen. In deren zweiter Minute nahm sich der Bochumer Torwart Patrick Drewes bei einem Abstoß sehr viel Zeit, denn sein in der Tabelle abgehängter VfL war einigermaßen zufrieden mit diesem 1:1 im Gastspiel bei Union Berlin. Petersen zeigte Drewes die gelbe Karte wegen Zeitspiels. Der Torwart nahm noch einmal Anlauf - als von hinten ein Feuerzeug angeflogen kam. Und ihn am Kopf streifte.

Drewes, 31, stutzte, hob den Arm und signalisierte dem Schiedsrichter, dass da etwas geflogen war. Er sank auf die Knie, stand aber noch einmal auf, nahm das Feuerzeug vom Boden und brachte es dem Schiedsrichter als Beweisstück. Dann legte er sich wieder hin, wurde behandelt und später von zwei Betreuern gestützt in die Kabine geführt. Das Spiel wurde unterbrochen, es blieben knapp vier Minuten Restspielzeit. Beide Mannschaften wurden in die Kabinen geschickt, die Unterbrechung dauerte letztlich 28 Minuten. Der Täter, ein 27 Jahre alter Mann, wurde vom Sicherheitsdienst auf der Tribüne identifiziert und der Polizei übergeben, die ihn festnahm. Ein sportlich eher unaufregendes Bundesligaspiel wurde dadurch zum Skandalspiel.

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„Patrick war in der Kabine benommen“, berichtete der Bochumer Trainer Dieter Hecking später. Man fuhr den Torwart sogar ins Krankenhaus. „Ich bin kein Arzt“, sagte Hecking, „wir mussten’s abklären.“ Der Stürmer Philipp Hofmann, der sich nach der langen Unterbrechung angesichts des ausgeschöpften Bochumer Wechselkontingentes für die letzten vier Minuten der Nachspielzeit ins Tor stellen musste, sagte: „Es geht überhaupt nicht darum, wie hart Patrick getroffen wurde oder ob er blutet – es geht um die Sache.“

So argumentierte auch VfL-Geschäftsführer Ilja Kaenzig: „Das Spiel hätte nach Auslegung des Regelwerks abgebrochen werden müssen“, behauptete der 51 Jahre alte Schweizer, „das ist aber nicht passiert, deshalb haben wir unter Protest weitergespielt - und werden am Montag Einspruch einlegen.“ Unions Sportchef Horst Heldt hatte seine eigene Theorie darüber, was während der Spielunterbrechung in der Bochumer Kabine vor sich ging: „Der Justiziar hat den Bochumern wohl geraten, nicht weiterzuspielen“, sagte Heldt bei Sky.

Es ist zwei Jahre und neun Monate her, dass der VfL Bochum in seinem Ruhrstadion selbst Opfer eines aus dem eigenen Zuschauerblock geworfenen Gegenstands geworden war. Im Spiel gegen Borussia Mönchengladbach am 18. März 2022 unterbrach Schiedsrichter Benjamin Cortus die Partie in der 69. Minute beim Stand von 2:0 für Gladbach, weil Linienrichter Christian Gittelmann von einem wohl noch halbvollen, aus den Zuschauerreihen direkt hinter ihm geworfenen Bierbecher am Hinterkopf getroffen worden war. Aus der Unterbrechung wurde rasch ein Abbruch wegen „tätlichen Angriffs gegen einen Spieloffiziellen“. Bei Gittelmann wurden im Krankenhaus eine Schädelprellung und ein Schleudertrauma diagnostiziert. Sechs Tage später entschied das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bunds, dass die Partie 2:0 für Gladbach zu werten sei. Bochum hatte sich als Opfer der Vorgänge bezeichnet und auf eine Spielwiederholung plädiert.

In Berlin wird kein Offizieller getroffen, wie es in der Bundesliga schon vorkam, sondern der Bochumer Torwart

Der Unterschied diesmal: Es wurde kein Offizieller getroffen, sondern ein Spieler. Dadurch war ein Spielabbruch nicht immanent. Schiedsrichter Petersen besprach sich während der Unterbrechung am Telefon mit seinem Regelchef Lutz Wagner und im Kabinentrakt mit der Polizei sowie mit Heldt und Hecking. Petersen schilderte es so: „Beide Mannschaften haben sich bereit erklärt weiterzuspielen, und die Sicherheitsverantwortlichen haben mir gesagt, dass die Sicherheit der Spieler gewährleistet ist und eine ordnungsgemäße Durchführung stattfinden kann – das sind die entscheidenden Punkte.“ Daraufhin habe er das Spiel fortsetzen können. „Wären dann noch mal Sachen reingeflogen, wäre das Spiel abgebrochen worden. Das war im Stadion so auch klar durchgesagt worden.“ DFB-Lehrwart Lutz Wagner lobte in der ARD das Vorgehen Petersen und widersprach der These, dass ein Abbruch obligatorisch gewesen wäre: „Der Schiedsrichter hat sich korrekt verhalten, das Spiel musste fortgesetzt werden. Alles andere ist jetzt Sache des DFB-Sportgerichts.“

Für den VfL Bochum war dieses 1:1 im 14. Saisonspiel erst der dritte Punktgewinn, das dritte Unentschieden brachte zumindest ein ordentliches Ergebnis. Elf Spiele sind bisher verloren gegangen. Mit drei Punkten und 11:35 Toren hat der VfL hinter der SpVgg Greuther Fürth (2021/22, 1 Punkt, 12:46 Tore) die zweitschlechteste Bilanz, die in 62 Jahren Bundesliga ein Klub nach dem 14. Spieltag je hatte. Der Abstieg droht. Drei Punkte am grünen Tisch könnte der Revierklub daher sehr gut gebrauchen. Der Klassenerhalt wäre angesichts der Fernsehgeldverteilung nach Liga und Tabellenplatzierung viele Millionen Euro wert, auch deshalb ist ein Einspruch schon aus eigener Fürsorgepflicht geboten.

Hoffnung auf eine Annullierung des Ergebnisses gibt den Bochumern der Paragraf 13 („Einspruch gegen Spielwertung“) mit Unterpunkt 2b in der Spielordnung der Deutschen Fußball-Liga, in dem es heißt: „Einsprüche gegen die Spielwertung können u.a. mit folgender sachlicher Begründung erhoben werden: Schwächung der eigenen Mannschaft durch einen während des Spiels eingetretenen Umstand, der unabwendbar war und nicht mit dem Spiel und einer dabei erlittenen Verletzung im Zusammenhang steht.“

Am Sonntag teilte der VfL mit, Patrick Drewes sei im Krankenhaus in Berlin auf Übelkeit, Kopfschmerzen und Unwohlsein untersucht worden. Ein Test auf Gehirnerschütterung sei unauffällig verlaufen, daher durfte er danach am Samstagabend mit dem Mannschaftsarzt zurück nach Bochum fahren. Drewes hat am Sonntag mit dem Training ausgesetzt, am Montag ist in Bochum trainingsfrei. Am Dienstag wolle man dann in der Sache weitersehen.

In den letzten vier Minuten des Spiels ist übrigens auch deshalb nichts mehr passiert, weil sich die Spieler beider Mannschaften auf einen Nichtangriffspakt verständigten und sich den Ball bloß noch zuschoben. Nachdem Bochums Koji Miyoshi für ein brutales Foul schon in der 13. Minute die rote Karte gesehen hatte und dann auch noch der Torwart Drewes verletzt hinausmusste, ohne dass ihn ein Einwechselspieler ersetzen durfte, waren die Bochumer am Ende noch zu neunt. Hätten die Berliner diesen Umstand zum Siegtor genutzt, wäre die Lage womöglich eskaliert.

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