Bochum im Pech:Schlüsselszenen im Sumpf

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Fehlender Elfmeter, fehlendes Tor: Beim 0:1 in Dortmund fühlt sich der VfL Bochum vom Schiedsrichter benachteiligt.

Von Freddie Röckenhaus

Hermann Albrecht war die Zerknirschtheit in Person. "Der größte Frust herrscht doch bei uns in der Schiedsrichter-Kabine", glaubte der Schiedsrichter. Doch obwohl ihm die Ehrlichkeitsmedaille gebührte für sein Eingeständnis, mit zwei Fehlentscheidungen den 1:0-Sieg von Borussia Dortmund gegen den VfL Bochum begünstigt zu haben, lag er mit seiner Einschätzung in Sachen Frust schon wieder falsch.

Denn den reklamierten die Bochumer für sich. Deren Trainer Peter Neururer haspelte sich in seinen Klagen immer verzweifelt an allen denkbaren Geldstrafen oder Sperren durch die Sportgerichte vorbei: "Was das Schiedsrichtergespann abgeliefert hat, war ein Skandal."

Standing ovations für Ricken

Selbst die Dortmunder mochten sich den Klagen des verzweifelten Neururer nicht verschließen. Lars Ricken etwa, der aus der Schlammschlacht im Westfalenstadion in der 90. Minute mit Standing ovations der Zuschauer entlassen wurde, meinte: "Die Bochumer waren sehr stark, und besonders angesichts einiger Schiedsrichterentscheidungen war unser Sieg glücklich." Auch Neururers Dortmunder Kollege Bert van Marwijk gestand ein: "Ich denke, dass es ein Elfmeter für Bochum war. Und beim Bochumer Tor war es auch kein Abseits."

Die beiden Schlüsselszenen, die Neururer, seine Spieler und den Bochumer Anhang zur Weißglut brachten, bereitete nach Studium der Fernsehbilder auch Schiedsrichter Albrecht aus Kaufbeuren und seinen Assistenten Kopfzerbrechen.

Zunächst hatte Vratislav Lokvenc gleich zum Auftakt nur den Pfosten getroffen, dann holte Dortmunds Torwart Roman Weidenfeller den Bochumer Filip Trojan im Strafraum von den zu flinken Füßen. Aus Schiedsrichter Albrechts Perspektive, so zeigte das Fernsehen auch, sah es anders aus. Dem VfL Bochum blieb das mögliche Führungstor auf dem von Wolkenbrüchen in eine Sumpflandschaft verwandelten Dortmunder Rasen verwehrt.

Stattdessen gelang Jan Koller nur wenig später das 1:0 für den bis dahin unterlegen wirkenden BVB. Erst mit der Führung im Rücken rappelten sich die Dortmunder auf und hätten durch Ebi Smolarek oder Lars Ricken weitere Tore erzielen können.

Als Bochum dann in der zweiten Hälfte durch Lokvenc zum regulären Ausgleich kam, erkannte Albrecht auf Abseits - und machte damit das Maß übervoll. "Ich unterstelle keine Absicht", jammerte Neururer, "aber es ist langsam abstoßend. Uns sind inzwischen in dieser Saison durch solche Entscheidungen zwölf Punkte weggepfiffen worden. Es fällt mir schwer, sachlich zu bleiben. Wir sind durch Schiedsrichter Albrecht entscheidend benachteiligt worden."

Filip Trojan, dem schon in der vergangenen Woche ein klarer Strafstoß versagt blieb, wollte sich zur Schiedsrichterfrage nicht mehr äußern. "Aber man hat gesehen, dass wir ebenbürtig waren und dass wir es mit jedem Team der Liga aufnehmen können."

Während die Bochumer sich grämten, freuten sich die Dortmunder über bisher zehn Punkte aus vier Rückrundenspielen. Der Regen allerdings hat den Rasen des Westfalenstadions in einen Sturzacker verwandelt. "Den kann man wohl wegwerfen", befand Lars Ricken flapsig. Sein Kapitän Christian Wörns aber sagte: "Wir hatten heute vier Spieler aus dem eigenen Nachwuchs in der Anfangsaufstellung. Das schafft Identität. Wir werden noch weit kommen." Insgesamt spielte Dortmund mit rekordverdächtigen acht Spielern mit deutschem Pass.

"Not for sale"

Vor dem Spiel fiel die angekündigte Protest-Demonstration der BVB-Fans zum Teil dem Dauerregen zum Opfer. Auf dem eineinhalb Kilometer-Marsch vom Friedensplatz in der Stadt, wo die BVB-Triumphe der Niebaum-Ära gefeiert wurden, bis zum Stadion wurde vor allem der Rauswurf des verbliebenen Geschäftsführers Michael Meier gefordert, aber auch eine generelle Rückkehr zu einer weniger kommerzialisierten Borussia.

Allerdings hatten die aufrufenden Fanklubs mit einer stärkeren Beteiligung gerechnet. Am Ende nahmen nur rund 1000 Dortmunder Fans an dem Marsch unter dem Motto "Not for sale" ("Nicht zu verkaufen") teil. Klub-Präsident Reinhard Rauball lehnte erneut eine baldige Entlassung Michael Meiers ab. "Wir befinden uns in einem schwierigen Prozess, in dem wir jemanden brauchen, der alle Details des Alltagsgeschäfts kennt."

© Süddeutsche Zeitung vom 14.2.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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