Bobsport:Einer für alle

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Allein durch die Halbröhre: Monobob-Einsatz in St. Moritz.

(Foto: Thomas Lovelock/imago)

Mit dem Monobob bei Olympia 2022 will der Weltverband den Frauensport fördern. Doch die Fahrerinnen sind skeptisch: Das Gerät entspricht nicht dem, was Bobfahren faszinierend macht .

Von Volker Kreisl, München

Der Start im Bobsport hat etwas Animalisches. Sieht man ein Bobteam, wie es aufs Eis tritt, wie alle nochmal tief durchschnaufen, wie jeder dem anderen die Pranke auf den Rücken haut, wie nochmal gebrüllt wird, ehe man sich an die Anschubbügel kauert, wie Bob und Besatzung dann als synchrone Einheit davonschießen, dann wird deutlich: Bobfahren ist Teamsport.

Bisher war es jedenfalls so. Ab Samstag, zehn Uhr, beginnt eine neue Zeit im Eiskanal. Das erste Weltcuprennen im Monobob steht in Innsbruck-Igls an, und die erste Fahrerin wird sich möglicherweise etwas einsam vorkommen da oben. Kein Brüllen, kein Klatschen, kein Ritual, nur ein kleiner Monobob, 162 Kilogramm schwer, in den sie, noch etwas ungewohnt, von hinten rein springen muss statt von der Seite, und dann darauf hoffen darf, dass sie möglichst schnell in die Bahn rutscht.

Und alle Pilotinnen dieser Disziplin werden dann darum bangen, dass nicht nur in Innsbruck-Igls alles glatt geht, sondern auch in den kommenden 14 Monaten, denn der Monobob-Wettbewerb ist im Februar 2022 bei den Olympischen Spielen in Peking bereits fest im Programm. Diese Frist ist nahezu nichts im Vergleich zu anderen neuen Disziplinen. Denn Monobobfahren ist tatsächlich brandneu, die Geräte wurden erst vor einigen Tagen geliefert.

Bis vor kurzem waren die neuen Bobs noch gar nicht lieferbar

Die erste von 20 Weltcupfahrerinnen hat vor dem Start am Samstag freilich schon etwas Mono-Training in dieser Woche hinter sich, jedoch ist ein Wettkampf immer etwas anderes. Interessant dürfte es werden, wie sich der Bob verhält, wie die Lenkung reagiert, wie die Einheitskufen eingestellt sind - mit anderen Worten, ob es gleich ein guter Wettkampf wird, oder ein Schlingern und Eiern, mithin ein Anblick dessen, wofür der Monobob einst auch mal stand: Anfängersport.

Der Weltverband IBSF aber hat, gewiss in bester Absicht, vor drei Jahren beschlossen, dass man etwas für die Gleichberechtigung im Eiskanal tun müsse. Anders als die Männer mit ihrem Viererbob hatten die Frauen bislang keinen zweiten Wettbewerb. Das lag zunächst an eher gefühligen Bedenken (der Vierer sei vielleicht zu schwer zu tragen und zu lenken) und später dann auch an einem konkreten Grund: Das IOC will weniger Teilnehmer bei Olympia. Der Einerschlitten dagegen hatte bei den Jugendspielen in Lillehammer 2016 erste Debüts. Dennoch konnte sich die Szene seitdem nicht richtig dafür begeistern, wie auch, das Gerät stand ja lange nicht zur Verfügung. Bis vor kurzem waren wegen Corona dann auch noch wichtige Teile nicht lieferbar, weshalb die Pilotinnen nun eine Mischung aus Pionierinnen und Versuchskaninchen sind.

Entsprechend kühl sind die ersten Aufeinandertreffen von Fahrerin und Gefährt. Mariama Jamanka, die Olympiasiegerin von 2018 im Zweier, hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie die Einzelvariante mäßig begeistert. Andere deutsche Pilotinnen sind jünger und eher vertraut mit der neuen Technik, Kim Kalicki und Laura Nolte fuhren darin bereits bei den Jugendspielen. Bundestrainer René Spies kann die allgemeine Skepsis nachvollziehen: "Für so etwas brauchst du normalerweise viel mehr Zeit, jetzt können wir nur das Beste draus machen."

13.11.2020: Königssee: Bob: Mariama Jamanka *** 13 11 2020 King Lake Bob Mariama Jamanka

Mariama Jamanka, deutsche Olympiasiegerin 2018 im Zweierbob, ist vom Monobob noch nicht so recht überzeugt.

(Foto: Ed Gar/Imago)

Sollte die erste Weltcupfahrerin mit dem neuen Einheitsbob schon gut zurechtkommen, sollte sie also die Ideallinie treffen und auch das berüchtigte Labyrinth in Igls meistern, dann könnte sie einerseits zufrieden sein, oder andererseits auch einen typischen Gedankenreflex haben: Wie mach' ich dieses brave Ding bloß schneller?

Trotz Bedenken: Das Ziel ist Olympiagold

Denn Bobfahren ist nicht nur eine Team- sondern auch eine Techniksache. Bob-Cracks haben ein Gespür für jede Schraube unter ihrer Haube, jeden Dämpfungsgummi, jeden Kufenschliff, jeden Lenkmechanismus. Zu ihrer Passion zählt auch der Wettkampf hinter dem Wettkampf, die Weiterentwicklung des Schlittens. Das kann schiefgehen, wie damals vor den Spielen in Sotschi 2014, als sich die Deutschen mit einem schwachen Zweierbob blamierten, es hat aber meistens zu großen Momenten geführt. Sorgfältig werden die Bobs also vor und nach den Rennen verhüllt - und die Geheimnisse verborgen. Beim Monobob wird das nicht nötig sein, der ist ein Serienprodukt, da gibt es so gut wie nichts zu verbergen. "Man kann nur wenig selber machen", sagt Spies.

Das Prinzip Bob für alle hat andererseits auch sein Gutes. Ein einfaches, leicht zu bedienendes Gefährt können auch Anfängerinnen nach unten lenken, womit künftig auch jüngere Interessentinnen diesen Job lernen können - und somit der Frauenbobsport mehr Zulauf bekommt. Fraglich bleibt dennoch, warum man diese Innovation nun ausgerechnet bei den Olympischen Spielen einsetzen muss, statt gegen neue Teilnehmerquoten zu rebellieren und den Frauenvierer zu fördern, was echter Gleichberechtigung entspräche.

"Es ist eben ein Kompromiss", sagt Spies und richtet den Blick auf die kommenden Monate. Am Ende lässt sich mit dem neuen Gefährt bei den Spielen eine vierte Goldmedaille für die Sparte Bob verdienen, und deshalb sagt er: "Dies ist eine gleichwertige Medaille, und das muss in alle Köpfe rein." Gut möglich also, dass es im vorolympischen Sommer deutlich mehr Stress als sonst gibt, noch weiß ja niemand, wer mit den Mono-Lenkseilen am besten umgeht, wie das Anschieben wird und ob diese Einheitsbobs auch wirklich alle gleich schnell sind.

Das Bild einer erfolgreichen Einzel-Bobfahrerin wird jedenfalls zunächst ungewohnt sein. Sie wird sich hinter der Ziellinie aus ihrem Gehäuse schälen, das Visier hochklappen, die Arme hochreißen und erstmal nur monojubeln.

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