Bobsport:Merkwürdiger Einer-Schlitten

BMW IBSF Bob & Skeleton World Cup

Meisterin der Solo-Schlingerfahrt: Laura Nolte hat Bob und Bahn im Altenberg gut im Griff.

(Foto: Matthias Rietschel/Reuters)

Der Monobob feiert bei Olympia seine Premiere. Anfängerinnen kommt die Variante entgegen, für die Weltklasse bedeutet er einen Schritt zurück - auch in Sachen Gleichberechtigung.

Von Volker Kreisl

Bobfahrerinnen suchen ihre Grenzen. Wie die männlichen Kollegen hatten sie in der Jugend einst den Schritt gewagt und sich in einen Haubenschlitten gesetzt. Sie waren damals in diesem Zweierbob ein Stück Bahn hinuntergerauscht und wie auch in anderen Sportarten geschah es: Sie waren infiziert.

Fortan nahmen sie die Herausforderungen dieses speziellen Sports immer ernster. Nun hegen sie ihr Gefährt und verstecken es vor der Konkurrenz, sie bilden verschworene Anschubgemeinschaften und schwitzen in Krafträumen für die entscheidenden Hundertstelsekunden, die sie am Start schneller sind. Und der nächste Schritt: Sie kämpfen um Gleichberechtigung, also um eine zweite Medaillenchance, wie sie die Männer haben mit ihrem Viererschlitten. Diese Bitte wurde ihnen nun tatsächlich gewährt, sogar schon für die Olympischen Spiele im Februar in Peking, nur wurde es nicht der königliche Vierer, sondern ein simpler Einer, der Monobob.

Wie ein Formel-1-Pilot im Gokart

In der zweiten Saison befindet sich dieser Wettbewerb nun, und obwohl sich manche Bobpilotinnen allmählich an die Situation gewöhnen und es womöglich auch irgendwann zu einem wirklichen Klassewettkampf kommt, so ist der Ärger derzeit groß. Die Winterbergerin Laura Nolte, zuletzt WM-Dritte, kommt im Mono-Weltcup immer besser zurecht, Olympiasiegerin Mariama Jamanka aus Berlin sagte aber: "Der Monobob ist ein Anfängergerät." Auch andere ehemalige Spitzenpilotinnen können sich bis heute nicht damit anfreunden, sie machen mal Fort- mal Rückschritte und arbeiten daran, sich bei Olympia nicht zu blamieren.

Setzt man einen Formel-1-Piloten in ein Gokart, so wird er mit Beschleunigung, Fliehkräften und Bodenhaftung Probleme bekommen. Bei den Bob-Pilotinnen ist es nun ähnlich. Sie jagen nach unten, aber der Schlitten ist zu leicht, er hat zu wenig Haftung. Die Folge: Auch ohne größere Fehler fährt man nicht mehr, sondern man rutscht hinunter, und zwar nicht geradeaus, sondern, wie etwa in einer hohen und steilen Rechtskurve, von der Bande links oben nach ganz unten.

Olympiasiegerinnen wollen nicht aussehen wie Debütantinnen, sondern wie Champions. Für andere aber liegt hierin vielleicht der eine Vorteil dieses Projekts. Monobob, sagt Manuel Machata, sei eine wichtige Disziplin für die Anfängerinnen. Sie müssen noch kein Prestige verteidigen und setzen sich gerne in ein Gerät, das, falls man die wesentlichen Lenkpunkte der Bahn beherrscht, fast jeder nach unten bringt.

Machata, Weltmeister 2011 und heute Trainer der italienischen Mannschaft, versucht gerade, eine erfolgreiche Bob-Equipe für die Spiele 2026 in Turin aufzubauen. Da kommt ihm diese fremdentwickelte, kostengünstige Lernvariante entgegen. "Für uns ist das eine gute Möglichkeit, zu üben", sagt Machata. Die Frage ist nur, wie monoton dieser kurze Schlitten dann erscheint, wenn sich die Schülerinnen reif fühlen für echte Herausforderungen, nämlich die im Zweier-Bob. Experten, die die Einer über Jahre getestet haben, sehen das recht profan, es heißt: "15 Mal im Monobob, dann willst du mehr."

Eine Chance für Einsteigerinnen - und das vorläufige Ende der Träume von echter Gleichberechtigung

Wobei man nicht behaupten sollte, der Mono sei so gar keine Kunst. Seine Spezialität liegt darin, die Anfänger, die gewissermaßen das Gaspedal noch halb treten, auf Augenhöhe mit den Super-Pilotinnen zu bringen. Denn übertriebene Aktionen oder riskante Fahrlinien rächen sich. Auch wenn vieles nach und nach besser justiert wird, so sollte man nie allzu stark lenken. Zu schnell bricht das Heck aus, der Bob scheppert hin und her, oder, wie die Insider sagen: "Er schwanzelt."

Schuld daran ist nicht nur das leichtere Gewicht, sondern auch der Umstand, dass zunächst unklar war, wo die Monopilotin am besten sitzt. In manchen Konstruktionen befand sich der Fahrersitz und auch der Schwerpunkt weiter hinten, womit mehr Tempo möglich war, dafür aber hatte man, ähnlich wie die früher berüchtigten Manta-Fahrer mit zurückgestellter Lehne, einen schlechteren Sichtwinkel auf die Lenkpunkte. Deshalb wanderten Sitz und Schwerpunkt wieder weiter in Richtung Mitte, was wiederum erhöhte Schwanzelgefahr birgt.

Die Frage ist nun also, was bringt dieser Monobob wirklich (abgesehen davon, dass er zuweilen die Bahnarbeiter entnervte, weil diese erst mal eine Stunde lang das Eis reparieren mussten, als der Bob endlich mehr Halt hatte, aber eben auch sehr schmale Kufen)? Die Antwort: Dieser Bob kann beides werden. Einerseits ein ideales Gerät für den Talentaufbau, und somit eine faire Lösung für die Verbände etwa in Italien, Slowenien oder in anderen Ländern, die ihre Mannschaften günstig entwickeln wollen. Zugleich ist er auch das Ende aller Träume jener, die zeitnah eine echte Gleichberechtigung der Geschlechter fordern.

Bob-Weltcup in Innsbruck

"Ein Anfängergerät": Olympiasiegerin Mariama Jamanka wünscht sich größere Herausforderungen im Eiskanal.

(Foto: Peter Rinderer/Expa, dpa)

Jamanka hatte schon im vergangenen Winter kritisiert, dass mit dem Kleinbob das viel wichtigere Projekt blockiert werde. Denn die Bobfahrerinnen wollen sich ja wie alle nicht zurück bewegen, sondern nach vorne, und das heißt: zum Viererbob, wie einst die Männer, in einer eigenen Serie. Den Einwand, diese langen Schlitten seien zu teuer, verwarf sie, denn mit etwas mehr Zeit wäre dies realisierbar. Der Monobob aber sei die schlechtere Lösung. Sie wollten ein größeres Team und schneller werden, klagte Jamanka, "jetzt sind wir langsamer und alleine".

Bobfahren ist eben mehr als nur Schieben und Lenken, es ist eine Teamsache. Weltcupfahrerinnen haben eine kleine Mannschaft um sich, mit Technikern und Physios, und vor allem mit Haupt- und Ersatz-Anschieberinnen für den Zweier. Die helfen zwar weiterhin mit, sie schleifen Mono-Kufen, tragen das Gerät, aber dann schauen sie im Wettkampf zu. Zudem: Das, was Bobfahren auch noch besonders macht, nämlich das Tüfteln am Gerät, an den speziellen Einstellungen, die sich unter der Haube verbergen, spielt in diesem Fall keine Rolle. Denn der Mono ist ein Serienprodukt und Einheitsbob, ein Lernmodell und trotzdem - was man kaum für möglich hält - demnächst olympisch.

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