Süddeutsche Zeitung

Hamburger SV:Abschied per Eilsache

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Der HSV löst den Vertrag mit Angreifer Bobby Wood abrupt auf. Sein gescheitertes Engagement gilt als sinnbildlich für den Niedergang des Traditionsklubs.

Von Thomas Hürner, Hamburg

Wenn es unter Anhängern des Hamburger SV ein Gesicht des Abstiegs gibt, dann ist es wohl das von Stürmer Bobby Wood. Das war nicht immer ganz fair, aber so ist das eben manchmal im Fußball: irgendwohin müssen all die Enttäuschungen der vergangenen Jahre ja kanalisiert werden, und Wood hat schließlich auch selbst einiges dazu beitragen, dass er für die leidgeprüften HSV-Fans zur Projektionsfläche wurde.

Am Dienstagvormittag gab der Traditionsklub nun bekannt, dass die Odyssee ihr Ende gefunden hat. Der Vertrag mit dem US-Amerikaner Wood, 28, wurde im beidseitigen Einvernehmen aufgelöst, wie es im Branchenjargon heißt. Mit sofortiger Wirkung wird der gebürtige Hawaiianer in seine Heimat zu Real Salt Lake in die Major League Soccer (MLS) wechseln - es handelt sich dabei um eine vorzeitige Scheidung, die für alle Parteien trotzdem um einige Jahre zu spät kommt.

Der Transfer hatte bereits seit einigen Wochen festgestanden, allerdings erst zum Saisonende, wenn Woods Vertrag ohnehin ausgelaufen wäre. Dieser Vertrag wiederum dürfte auch der Hauptgrund dafür sein, dass der Abschied des Angreifers jetzt wie eine Eilsache behandelt wurde, zumal die Trennung zu einem denkbar ungewöhnlichen Zeitpunkt kommt: Dem HSV stehen noch sechs Partien in der laufenden Zweitliga-Saison bevor, an deren Ende die erhoffte Rückkehr in die Erstklassigkeit gelingen soll, trotz zuletzt enttäuschender Ergebnisse. Und gelernte Alternativen zu Torjäger Simon Terodde sind rar im Team von Trainer Daniel Thioune.

In der Geschäftsstelle im Hamburger Volkspark dürfte es eine simple Kosten-Nutzen-Abwägung gegeben haben: Wood wechselte 2016 für vier Millionen Euro Ablöse von Union Berlin in die Hansestadt, er ist ein Kaderrelikt aus alten Erstligazeiten mit entsprechendem Gehalt.

Woods gilt als der Top-Verdiener beim HSV

Sein geschätztes Jahressalär beläuft sich auf drei Millionen Euro, bis zum Saisonende hätten ihm noch rund 350 000 Euro zugestanden - eine ganze Stange Geld also für einen Zweitligisten, der derzeit 23 Millionen Euro für seinen Lizenzspielerkader aufwendet und pandemiedingte Umsatzeinbußen zu beklagen hat. Im Kontrast dazu steht Woods in dieser Spielzeit mal wieder dürftige sportliche Bilanz: nur ein Treffer in 16 Einsätzen, die meisten davon als Einwechselspieler. Die Ausbeute sah in den vergangenen Jahren nicht viel beeindruckender aus.

Woods Arbeitspapier war derweil schon vor fünf Jahren ein kleines Politikum. In seiner Anfangszeit beim HSV galt er noch als angesagte Nummer, an der Elbe war ihm eine glänzende Zukunft prophezeit worden. Ein pfeilschneller und wendiger Angreifer, der sich auch schnell ins Herz des Investors und Milliardärs Klaus-Michael Kühne gespielt hatte.

Und Kühne, damals selten verlegen um Interventionen ins operative Geschäft, sei deshalb nach gängiger Erzählung mit einer Forderung im Volkspark vorstellig geworden: Sehr gerne würde er die Schatulle für seinen HSV weiter aufmachen, so der Mäzen, aber dafür solle der Vertrag mit seinem Lieblingsjuwel Bobby Wood im Gegenzug Bitteschön zu besseren Konditionen verlängert werden. Ein kleines "Gschmäckle" bekam der Deal auch deshalb, weil Kühne in jener Zeit eine enge Geschäftsbeziehung mit Volker Struth unterhielt, dem damaligen Berater von Wood.

Es sind auch Geschichten wie diese, die aus dem einst unabsteigbaren HSV einen Zweitligisten machten. Wood zeigte jedenfalls nie die von ihm erwarteten Leistungen, der HSV stieg ab, dem Profi wurde eine bisweilen lasche Einstellung zu seinem Beruf nachgesagt. Auch deswegen stand jahrelang ein Verkauf des 45-maligen US-Nationalspielers ganz oben auf der Prioritätenliste der Hamburger. Das Problem war immer der Vertrag, der Wood ein Gehalt garantierte, das keiner der Interessenten bezahlen konnte.

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