Bob-WM:Fahren nach Rezept

Laura Nolte (GER) freut sich über das Podium, BMW IBSF Bob Weltcup Koenigssee, 2er Bob Damen, 25.01.2020, BMW IBSF Bob

Erster und zweiter Lauf am Freitag, Entscheidung am Samstag: Laura Nolte, neues deutsches Gesicht bei der Bob-WM in Altenberg.

(Foto: imago images/Eibner)

In ihrem Weltcup-Debütjahr gleich zur Weltmeisterschaft: Laura Nolte, 21, erlebt gerade die erstaunlichsten Wochen ihrer sehr jungen Karriere.

Von Thomas Gröbner

Anfang des Jahres musste die Bobpilotin Laura Nolte ihre Gefühle erklären. Was das mit ihr mache, bei ihrem Debüt neben den Großen ihres Sports zu stehen, etwa neben der Olympiasiegerin Mariama Jamanka. Nervös? Ehrfürchtig? Eine Woche später stand sie wieder neben den Großen. Diesmal auf dem Siegerpodest. Erklären muss sie nun vor der WM in Altenberg andere Dinge, ihren rasanten Aufstieg etwa.

Laura Nolte, 21, erlebt gerade die wohl erstaunlichsten Wochen ihrer sehr jungen Karriere. Beim Weltcup-Debüt im Januar bei ihrem Heimrennen in Winterberg fuhr sie auf Rang zwei, sieben Tage später gelang ihr in La Plagne der erste Sieg, mit Start- und Bahnrekord. Viermal in fünf Rennen stand sie auf dem Podium. Dabei hatte sie gar nicht damit gerechnet, es überhaupt in den Zweierbob-Weltcup zu schaffen. "Ich hab' mich selbst überrascht", sagt Nolte. Sie hat auch die Konkurrenz beeindruckt: "Die würden mir das nicht so direkt sagen, aber ich glaube schon, dass einige so nicht damit gerechnet und sich eventuell unter Druck gesetzt gefühlt haben."

"Küken" nennt der Bundestrainer René Spies sie, aber in dieser Saison wird sie eher behandelt wie ein rohes Ei. Die ersten beiden Wettkämpfe in Nordamerika ließ Nolte aus, auch beim Weltcup-Abschluss in Sigulda trat sie nicht an, das Risiko sei zu hoch auf der unbekannten Bahn. "Ich bin öfter gestürzt", sagt Nolte über ihre vergangene Saison im Europacup, der zweiten Liga im Bobsport. Aber das gehöre dazu, findet sie, danach werden die Fehler weniger; mit blauen Flecken prägen sie sich besser ein. Nolte kann gut mit Fehlschlägen umgehen, auf ihrem Instagram-Profil zeigt sie ihre "Back-Fails", ein Best-of ihrer gescheiterten Backversuche. Mürbteig-Massaker und Pancake-Pannen, so könnte man das zusammenfassen.

Nolte hat jene Pilotin verdrängt, die sie einst für Bob begeisterte

Fahren nach Rezept, weniger nach Gefühl, das beschreibt aber auch ihre Herangehensweise ganz gut. "Man muss verstehen, was die Trainer sagen, und es umsetzen können. Das ist alles", sagt sie. Wie gut sie darin ist, zeigte sie in St. Moritz. Als sie im ersten Lauf abgehängt wurde und auf Platz neun landete, ging sie vor dem zweiten Durchgang mit den Trainern ihre Fehler durch - und fuhr Laufbestzeit. Besonderes Gespür, eine Leidenschaft für das Eis habe sie nicht: "Eigentlich finde ich Sommer besser."

Das Rezept, wie sie mit ihrer "Hass-Liebe" umgehen soll, der schwierigen Bahn in Altenberg, kommt per Mail. Das Bahnprotokoll lernt sie auswendig. "Eng nehmen, laufen lassen, runterdrücken, laufen lassen, runterziehen - und raus": So einfach soll es sein, den Bob durch den gefürchteten 320-Grad-Kreisel in Altenberg zu manövrieren. "Ich hoffe, ich krieg das hin bei der WM", sagt Laura Nolte. Ihr WM-Debüt, zwei Läufe am Freitag, zwei am Samstag, muss sie ohne ihre erkrankte Freundin und Anschieberin Deborah Levi hinbekommen, für sie springt Ann-Christin Strack ein.

Doch jeder Aufsteiger verdrängt auch jemanden von seinem Platz. In diesem Fall ist es ausgerechnet Anna Köhler, 26, die Nolte einst zum Bobsport brachte. Köhler muss in den zweitklassigen Europacup, bei der WM ist sie außen vor. "Das ist bitter für sie", sagt Nolte, die aus Unna stammt, bis 2015 im Ruhrgebiet als großes Sprint-Talent galt - mit dem Bobsport hingegen noch nichts zu tun hatte. Aber: Schnelle Beine sind wichtig am Start, und so nahm Köhler die junge Läuferin trotzdem mit zum Anschubtraining. Und dann ging alles ganz schnell: Im Oktober 2015 steuerte Nolte zum ersten Mal einen Bob, im Dezember gelang ihr die Qualifikation für die Olympischen Jugendspiele in Lillehammer, im Februar 2016 gewann sie dort im Monobob Gold. Danach startete sie im Europacup. Und nun scheint sie angekommen zu sein unter den Großen.

Doch Favoritinnen sind für die Entscheidungen am Samstag andere: Kaillie Humphries, die 34 Jahre alte Kanadierin, Mariama Jamanka, die Olympiasiegerin aus Berlin, oder die Altenbergerin Stephanie Schneider, die gerade den Gesamtweltcup gewonnen hat. Dahinter lauern dann die "Küken", zu denen auch die zweite deutsche Nachwuchspilotin gehört, Kim Kalicki, 22, die sie zu Hause in Wiesbaden "Kim Possible" nennen.

"Natürlich erwartet man von den beiden, weil sie im Weltcup auch schon auf dem Treppchen waren, dass sie bei der WM auch etwas ganz Großes erreichen", sagt Bundestrainer René Spies, aber so eine Bobfahrt könne "sturztechnisch auch ganz schnell vorbei sein hier in Altenberg".

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