Boateng beim FC Bayern:Gute Freunde kann niemand trennen

FC Bayern Muenchen v FC Schalke 04 - Bundesliga

Ganz entspannt miteinander: Jérôme Boateng und Leon Goretzka beim Sieg über Schalke am 25. Januar.

(Foto: Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)
  • Jérôme Boateng fühlt sich zwar in der Mannschaft des FC Bayern wohl, nicht aber unbedingt im Klub.
  • Seit eineinhalb Jahren will der Verteidiger den Klub verlassen.
  • Die jüngste kuriose Wende in Boatengs Nichtwechselgeschichte ist es nun, dass er vor der Pokalpartie gegen Hoffenheim im Verein so gelobt wird wie schon lange nicht mehr.
  • Zu den Ergebnissen und dem Spielplan im Pokal geht es hier.

Von Benedikt Warmbrunn

In der vergangenen Woche hat sich Jérôme Boateng an einem Abend in sein Auto gesetzt und ist losgefahren, um etwas zu machen, das nicht selbstverständlich ist in der Welt der Fußballprofis, in einer Welt also, in der sich fast jeder für unfehlbar hält, wenn nicht sogar für unantastbar. Boateng wollte sich entschuldigen.

In den Stunden zuvor war rund um die Mannschaft die Aufregung groß gewesen, "Eklat im Bayern-Training!", hatte die Bild getitelt, versehen mit einer Unterzeile, die eine Antwort darauf versprach, warum Boateng seinen Mitspieler Leon Goretzka "haute"; ein Foto zeigte zudem, dass Boateng Goretzka ins Gesicht fasste, und es sah tatsächlich wenig freundschaftlich aus, obwohl die beiden als Freunde gelten.

Am Abend klingelte Boateng dann bei Goretzka, in den sozialen Netzwerken lud er später ein Selfie hoch, auf dem beide in die Kamera grinsen. "Alles bestens zwischen uns, ihr könnt euch entspannen!", schrieb der Verteidiger dazu. Goretzka assistierte auf seinen Accounts mit dem identischen Foto sowie einem #AlleMalEntspannen, was wohl heißen sollte, dass er Boatengs Entschuldigung angenommen hatte.

Ivan Perisic fällt mit einer Knöchelverletzung wochenlang aus

Diese abendliche Spritztour erzählt jedoch nicht nur von einer Entschuldigung, sie erzählt die Geschichte eines Spielers, der weiß, dass er sich keinen Ärger erlauben darf, nicht in diesem Team. Als Boateng am vergangenen Mittwoch Goretzka besucht hatte, wusste er, dass er zwei Abende später eine weitere Transferperiode als Spieler des FC Bayern und damit als Mitspieler von Leon Goretzka beenden würde, dass er also nicht zu einem anderen Klub wechseln würde. Wieder einmal nicht.

Seit achteinhalb Jahren spielt Boateng, 31, für den FC Bayern, er hat mit der Mannschaft alles gewonnen - doch fast zwei dieser Jahre verbringt Boateng inzwischen gegen seinen eigenen Wunsch im Verein. Boateng, den der Boulevard einst als Boss bezeichnet hatte, vermisst schon lange die Wertschätzung der Vereinsführung, er fühlt sich zwar in der Mannschaft wohl, nicht aber unbedingt im Klub. 2018 wollte er nach Paris - der Wechsel scheiterte am vorletzten Tag der Transferperiode. Im vergangenen Sommer sagte der damalige Präsident Uli Hoeneß: "Ich würde ihm als Freund empfehlen, den Verein zu verlassen."

Hoeneß' vermeintlicher Freund wollte dann nach Turin - wieder scheiterte der Wechsel kurz vor Ende der Frist. Anschließend gelang ihm endlich ein Wechsel, allerdings nur ein Beraterwechsel. Seine neue Agentur wollte Druck aufbauen, damit Boateng noch in diesem Winter den FC Bayern verlassen darf, es gab unverbindliche Kontakte nach London und Italien. Doch der Wechsel scheiterte erneut, dieses Mal wenigstens nicht ganz so knapp vor dem Ende der Transferperiode.

Seit eineinhalb Jahren also will Boateng den FC Bayern verlassen, eineinhalb Jahre lang läuft noch sein Vertrag - und die jüngste kuriose Wende in Boatengs Nichtwechselgeschichte ist es nun, dass er vor der Pokalpartie an diesem Mittwoch (20.45 Uhr) gegen Hoffenheim im Verein so gelobt wird wie schon lange nicht mehr.

Zuletzt verteidigte er fast mit der Coolness seiner besten Jahre

In allen drei Rückrundenspielen stand er bisher in der Startelf, er verteidigte fast mit der Coolness seiner besten Jahre, und schon wollte ihm niemand mehr etwas empfehlen. "Er hat sich in der Vorbereitung sehr gut präsentiert, ist mit vier Kilo weniger zurückgekommen. Er hat im Urlaub viel getan - und genauso spielt er", sagte Sportdirektor Hasan Salihamidzic. "Jeder Spieler braucht Zuspruch, Wertschätzung. Die bekommt er - auch von den Mitspielern. Er ist sehr anerkannt in der Mannschaft", sagte Trainer Hansi Flick.

Flick, der als Co-Trainer der deutschen Nationalelf mit Boateng 2014 Weltmeister geworden war, spielt dabei vielleicht die wichtigste Rolle. Im Sommer, als der Wechsel nach Turin geplatzt war, war es auch der damalige Assistent Flick, der Boateng mit seiner umarmenden Art bei Laune hielt. Als Flick im Herbst den beurlaubten Niko Kovac als Cheftrainer ersetzte, sah jedoch auch er, wie schwankend die Leistungen seines Weggefährten waren, bis zur Winterpause durfte Boateng in der Liga nie durchspielen, einmal, gegen Bremen, wechselte ihn Flick zur Halbzeit aus.

Hainer wirbt für Flick

Trainer Hansi Flick darf sich Hoffnungen auf eine Weiterbeschäftigung beim FC Bayern über das Saisonende hinaus machen. "Wir wollen erfolgreichen und bezaubernden Fußball spielen, so wie jetzt unter Hansi Flick. Wenn er weiter so gewinnt, dann gibt es keine Alternative", sagte Präsident und Aufsichtsratschef Herbert Hainer laut Passauer Neue Presse bei einem Fanklub-Besuch am vergangenen Sonntag im niederbayerischen Simbach. Flick selbst sagte am Dienstag, dass ihn das Lob des Chefs freue, "aber ich weiß auch, dass das bei Bayern München von Woche zu Woche anders sein kann. Mir macht's Spaß, alles andere liegt nicht in meinen Händen". Grundsätzlich gelte: "Ich bin noch lange nicht müde" sid

Im Herbst hatte Boateng seine Berater hinterlegen lassen, dass er gerne Hoeneß' Wechselempfehlung folgen würde, der Klub hätte ihn auch nicht aufgehalten - dann aber verletzte sich im letzten Hinrundenspiel Javier Martínez, und schon hatte Flick keine andere Wahl mehr, als auf Boateng zu setzen. Der Trainer war es dem Vernehmen nach auch, der Boateng gesagt haben soll, dass er ihn nicht gehen lassen könne. Flicks Fähigkeiten als Spielerflüsterer waren in der aktuellen Verletztenmisere besonders gefragt - sie bleiben es auch, denn am Dienstag zog sich Ivan Perisic eine Fraktur am Außenknöchel zu. Der Flügelstürmer wird wochenlang ausfallen.

Gegen Hoffenheim kehrt dafür Lucas Hernández nach seiner Sprunggelenksverletzung in den Kader zurück, und so könnte Flick bald vor einer schweren Entscheidung stehen: Setzt er auf den 80-Millionen-Euro-Mann Hernández - oder auf einen Innenverteidiger, der neuerdings wieder souverän auftritt, aber bereits dreimal fast weg war? Bei dem Pragmatismus, mit dem Flick bislang coacht, müsste sich Boateng wahrscheinlich einen schweren Patzer erlauben, um aus der Startelf zu fliegen, aber sicher ist fast nichts mehr in der Laufbahn des Jérôme Boateng.

Sicher ist allein, dass am 1. Juli die nächste Wechselfrist beginnen wird, und auch, dass Boateng dann wieder auf einen Transfer drängen wird.

Zur SZ-Startseite

Bundesliga
:Haaland ist nicht "Bayern-like"

Der junge Stürmer von Borussia Dortmund wird in Zukunft einige Rekorde verfehlen, manche sogar deutlich. Kritik wird schon bald aufkommen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: