Süddeutsche Zeitung

BMW Open:Tenniswütig am Super-Samstag

Andy Murray gegen Philipp Kohlschreiber, so lautet das Finale am Aumeister. Auf dem Weg dorthin absolviert der Schotte ein Mammutprogramm. Und er räumt einen Provokateur aus dem Weg.

Von Gerald Kleffmann, München

Im US-Sport gibt es den Begriff "Super-Sunday" oder "Super-Tuesday", wenn an einem bestimmten Wochentag ein besonders geballtes Programm ansteht. Vier Viertelfinalspiele plus zwei Halbfinals im Tennis ergeben nach dieser Lesart definitiv einen Super-Samstag, den die Zuschauer bei den BMW Open in München nun erleben konnten. Das Wettertief "Vasco" hatte dafür gesorgt, dass am Freitag kein einziges Match bei dem ATP-Turnier auf der Anlage des MTTC Iphitos stattfand, und so ging es tags darauf flott im Ablauf voran: Morgens um zehn waren noch acht Profis im Wettbewerb, am frühen Abend standen dann die zwei Finalisten für diesen Sonntag fest: Philipp Kohlschreiber, als 26. bester Deutscher zurzeit in der Weltrangliste, kämpft um seinen dritten Titel bei den 100. Internationalen Meisterschaften von Bayern. Und Andy Murray kämpft um seinen ersten Titel auf Sand überhaupt. Der Schotte, der seit Jahren zu den besten Profis zählt, stand tatsächlich noch nicht mal in einem Endspiel auf diesem Belag.

"Das ist nett", sagte Murray über seine Premiere, nachdem er zwei Siege am Samstag verbucht hatte mit dem 4:6, 6:3, 6:2 gegen den Tschechen Lukas Rosol und dem 6:4, 6:4 gegen den an Nummer drei gesetzten Spanier Roberto Bautista Agut. "Normalerweise spiele ich ja auf Sand immer die Turniere in Monte-Carlo, Madrid, Rom und Paris", führte der 27-Jährige aus, und das sollte heißen: Bei den großen Veranstaltungen ist es eben viel schwerer, sich zum Champion zu krönen, denn dort haben ihm oft genug die Branchenkollegen Rafael Nadal und Novak Djokovic den Weg verstellt. Dieses Mal machte Murray eine Ausnahme und kam nach München, weil ihm dieser Termin nach seiner Hochzeit Anfang April und einer kleinen Tennispause gut in den Turnierkalender passte. Und auch, weil sich die Veranstalter nach allen Kräften um ihn bemüht hatten.

Den Ehrenpreis bekommt Murray schon vor dem ersten Match

Murray zahlt diesen - auch finanziellen - Einsatz auf eine Weise zurück, die eigentlich einen Preis verdient hätte. Aber diesen hat er ja schon Anfang der Woche erhalten, den alljährlich verliehenen "Iphitos Award" drückte man dem Wimbledonsieger von 2013 in die Hände, ohne dass er zuvor in München je gespielt hatte. Man wollte ihm die ganze Wertschätzung entgegenbringen, solange er eben noch da sei. Schließlich wäre es angesichts des folgenden Mammutprogramms bedeutsamerer Turniere (Madrid, Rom, Paris) verständlich gewesen, wenn sich Murray nach ein, zwei Matches mit einer knappen Niederlage verabschiedet hätte. Jetzt ist er immer noch da, bis zum Sonntag gar, und selten wirkte bei der inzwischen mit 494.310 Euro dotierten Veranstaltung ein Profi so fleißig und, ja, tenniswütig wie der professionelle Brite.

Er hat zweimal pro Tag trainiert, auf wechselnden Plätzen, in der Halle war er, er hat an der Fitness gearbeitet, immer war sein neuer Coach Jonas Björkman dabei, der als zweiter Trainer in seinem Team Amelie Mauresmo entlastet, die ein Kind erwartet. Doppel hat Murray auch noch gespielt, und nach zwei Einzeln am Samstag ist er tatsächlich zum dritten Einsatz erschienen. Mit dem Niederländer Jean-Julien Rojer verlor er im Halbfinale aber gegen Alexander Peya (Österreich) und Bruno Soares (Brasilien) 3:6, 2:6.

Vom Gegner angerempelt, kontert er: "Keiner mag dich!"

Beim kuriosesten Match am Samstag war Murray selbstverständlich auch beteiligt, und hätte es einen Mixed-Wettbewerb gegeben, Murray wäre sicher auch dort angetreten. Der Super-Samstag war definitiv ein Murray-Samstag. Ein kleiner, offensichtlich willentlicher Schulterrempler seines Gegners Lukas Rosol während des Seitenwechsels nach dem ersten Satz im Viertelfinale gab diesem Duell jedenfalls eine sehr spezielle Note. Murray, der völlig verblüfft von der feindseligen Geste seines Gegners war, setzte sich wieder auf die Bank, nachdem er den Schiedsrichter informiert hatte. Er wartete, er ließ Oberschiedsrichter Gerry Armstrong kommen, doch eine Sanktion gab es nicht. Beim nächsten Seitenwechsel standen sich Murray und Rosol dann an der Seitenlinie gegenüber, und mitten in die Stille hinein stritten sie. "Nobody likes you on tour", war von Murray zu vernehmen, keiner mag dich auf der Tour. Und: "Everyone hates you", jeder hasst dich. Rosol lächelte höhnisch.

Fortan mied es Murray, auch nur in die Nähe von Rosol zu gelangen, zweimal machte er beim Betreten des Platzes sogar einen Umweg und ging nicht an Rosol vorbei, sondern am Netz entlang und dann erst quer auf die andere Seite. "Mein Vater hat mir gesagt, wenn dir jemand Unrecht tut, musst du für dich eintreten", sagte er spät am Abend und berichtete, Rosol habe sich in der Kabine doch noch entschuldigt. Sein Image zumindest konnte er an diesem Nachmittag jedoch festigen. Mit manch provozierenden Gesten hat er ja schon öfter Gegner in Wallung gebracht, jüngst beim Turnier in Bukarest hatte er sich mit dem freundlichen Guillermo Garcia-Lopez angelegt. Der Spanier verweigerte daraufhin den Handschlag.

Für den Sonntag indes ist klar: Murray und Kohlschreiber werden sich anständig die Hände reichen, der 31-jährige Augsburger lässt sich bekanntlich auf den Plätzen der Welt nichts zuschulden kommen, in München gefällt er insbesondere mit seiner Moral. Sowohl gegen den Belgier David Goffin (2:6, 6:3, 6:4) als auch gegen den Österreicher Gerald Melzer (2:6, 6:1, 6:4) verlor er jeweils den ersten Satz - und setzte sich beide Male relativ ungefährdet durch. Es ist Kohlschreibers viertes Finale in München. "Es ist, glaube ich, ein Traumfinale für das Turnier, wenn die Nummer eins gegen einen deutschen Spieler antritt", findet Kohlschreiber. Und: "Ich habe eine saugeile Woche hinter mir, das macht mir Lust und Laune."

Murray freute sich nur noch darauf, "gut zu schlafen", er war am Samstag um 5.30 Uhr aufgestanden. Am Sonntag bestreitet er nur ein Match. Interessant wird sein, wie er das verkraftet, der bislang beste Vielspieler in der Geschichte der BMW Open.

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Quelle:
SZ vom 03.05.2015
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