Blatter und Platini:Der Fußball wirft seine Anführer raus

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Joseph Blatter trug bei der Pressekonferenz ein Pflaster, hatte sich zuvor wegen Hautproblemen am Auge behandeln lassen müssen. (Foto: dpa)
  • Acht Jahre Sperre für Blatter und Platini: Das Urteil der Fifa-Ethiker beendet ihre Karrieren.
  • Es geht um eine dubiose Zahlung von 1,8 Millionen Euro von Blatter an Platini.
  • Mit bebender Stimme beklagt Blatter "eine Schande". Und kündigt weiteren Einspruch an.

Von Jonas Beckenkamp

Vorstellen konnte sich das lange niemand. Der Weltfußball ohne Sepp Blatter und Michel Platini? Jene omnipräsenten Figuren, die im Weltverband Fifa und der finanzstarken Uefa seit Jahren die Dinge nach ihren eigenen Vorstellungen regeln? Ist aber so. Die Ethikkomission der Fifa entschied, dass in den kommenden acht Jahren keiner der beiden über irgendetwas bestimmen darf im Fußball. Auch wenn Sepp Blatter sogleich ankündigte, er werde weiterhin kämpfen, dürfte die Funktionärs-Ära der beiden Patrone Geschichte sein.

Sie hatten Vorwürfe bestritten, Einsprüche erhoben, geklagt. Es half nichts. Die Ethiker unter dem Vorsitz des deutschen Richters Hans-Joachim Eckert verlautbarten an diesem Montagvormittag die Sperren. Nicht für immer, aber doch lange genug, um wohl ihre Karrieren zu beenden. Damit sind Blatter und Platini von allen Tätigkeiten im internationalen Fußball ausgeschlossen - sie dürfen weder "administrativ, sportlich und anderweitig" aktiv sein, wie es heißt. Sie dürfen auch weiterhin noch nicht einmal ein Fußballstadion besuchen.

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Diesen Beschluss wollte Blatter nicht auf sich sitzen lassen. Der 79-Jährige reagierte auf einer extra einberufenen Pressekonferenz in Zürich umgehend mit einer Erklärung in eigener Sache. "Ich kann nicht sagen, dass es ein guter Tag für den Fußball ist", klagte der sichtlich angeschlagene Schweizer, der mit einem Pflaster auf der Wange auftrat. "Ich muss mich entschuldigen beim weltweiten Fußball und meinem Verband. Aber ich bin in dieser Sache nur ein Boxsack." Blatter lieferte einen bemerkenswerten Auftritt - und vieles war wie immer: Schuld sind die anderen, die Medien, böse Seilschaften gegen ihn, aber sicher nicht er selbst. Er sehe sich vor einem "Tribunal".

Blatter will immer weiter kämpfen

"Gegen diese Vorwürfe und die Sperre werde ich vorgehen. Acht Jahre sind nicht zu akzeptieren", sagte er, "ich habe umgehend mit meinem Anwalt gesprochen und werde das Urteil in Frage stellen. Ich werde mit meinem Kämpferherz für Gerechtigkeit kämpfen, wie ich es immer getan habe." Blatter betonte mit bebender Stimme, dass er sich für unschuldig hält. "Für so ein hartes Urteil müsste ich etwas Schwerwiegendes getan haben - das habe ich aber nicht." Er werde mit Hilfe seiner Anwälte vor den Internationalen Sportgerichtshof Cas ziehen und auch beim Schweizer Bundesgericht eine Revision anstreben.

Pressekonferenz mit Sepp Blatter, "I will fight" (Video: Süddeutsche Zeitung/wochit)

Seine Erfolgschancen stehen jedoch schlecht. Blatters Ruf war längst beschädigt, weil er als Strippenzieher zwielichtiger Geschäfte gilt und er seine Wiederwahlen als Fifa-Präsident immer wieder raffiniert organisiert hatte. Dass er als Chef der Fußballwelt doch weitermachen und damit den Rücktritt vom Rücktritt planen könnte, war ohnehin kaum mehr denkbar. Platini stand zwar trotz ebenso dubioser Verstrickungen noch etwas besser da, er wollte sogar als Fifa-Präsidentschaftskandidat antreten. Doch die Wahl am 26. Februar wird nun auch ohne den 60-Jährigen stattfinden.

Vom Dienst suspendiert waren beide bereits seit dem 7. Oktober dieses Jahres, weil eine dubiose Zahlung von 1,8 Millionen Euro bekannt geworden war, die Platini im Jahr 2011 von Blatter angeblich für lange zurückliegende Beratertätigkeiten erhalten hatte. Die Ermittler vermuten Schmiergeld für Blatters Sieg bei der Präsidentschaftswahl im Sommer des gleichen Jahres. Es dürfte nicht der erste Vorgang dieser Art bei einer Wahl gewesen sein. Beide Funktionäre hatten immer wieder die Rechtmäßigkeit der Zahlung beteuert - auch diesmal beharrte Blatter auf seiner Version, dass mit dem Geld für Platini alles rechtens gewesen sei.

"Es gab eine Abmachung mit Platini, die war noch nicht ganz vollzogen - und ihm stand noch Geld zu", erklärte Blatter. "Wir sprechen hier über ein mündliches 'Gentlemens' Agreement', das 1998 geschlossen wurde. Platini ist damals auf mich zugekommen, wir haben zusammengearbeitet." Weil es der Fifa damals finanziell schlecht ging, habe man vereinbart, die Bezahlung erst später abzuwickeln. Später bedeutet in dem Fall seltsamerweise: 13 Jahre später. Schriftlich dokumentiert wurde die Absprache mit Platini aber nie. "Jetzt bestreitet die Kommission das Bestehen dieses mündlichen Abkommens. Dabei aber wurde sie zweimal auf wichtigen Kongressen bestätigt", so Blatter. Von Stimmenkauf für seine Wiederwahl könne keine Rede sein.

Die Zahlung sei durch das Finanzkomitee und durch das Exekutivkomitee der Fifa gegangen, dort sei alles transparent abgelaufen. Blatter wies daraufhin, dass es - wenn überhaupt - ein "administrativer Fehler" gewesen sei, die Abmachung nicht in den Büchern zu vermerken. "Die Bezahlung fand mit guter Absicht statt. Und dafür wirft man mir jetzt Stimmenkauf vor", rief der empörte Ex-Fifa-Chef, "dabei lief die Geschichte doch ganz anders: Ich habe mich ja gegen die Uefa durchgesetzt, warum hätte ich also über Platini Stimmen kaufen sollen?"

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Die Fifa-Ethiker sehen das anders, sie bestehen auf ihre Version, dass Blatter gegen die Richtlinien handelte. "Herr Blatter hat in seiner Funktion als Fifa-Präsident diese Zahlung autorisiert, die aber keine rechtliche Grundlage in der von beiden unterschriebenen schriftlichen Vereinbarung vom 25. August 1999 hatte", teilte die Kommission mit: "Weder in seiner schriftlichen Stellungnahme noch während seiner Anhörung war Herr Blatter in der Lage, eine rechtliche Grundlage für diese Zahlung nachzuweisen. Seine Behauptung eines mündlichen Vertrages wurde als nicht überzeugend eingestuft und von der Kammer zurückgewiesen." Blatter wurde zudem zu einer Geldstrafe in Höhe von 50 000 (rund 46 000 Euro) Schweizer Franken verurteilt, Platini muss eine Geldstrafe in Höhe von 80 000 (rund 74 000) Schweizer Franken zahlen.

Immerhin kann sich der Franzose des Rückkhalts seines Verbandes sicher sein. "Die Uefa unterstützt Michel Platinis Recht auf ein ordentliches Verfahren und die Möglichkeit, seinen Namen reinzuwaschen", teilte der Verband am Mittag mit. Der Verband sei "extrem enttäuscht" über das Urteil der Fifa-Entscheider. Wie Blatter will auch Platini seine achtjährige Sperre rechtlich anfechten. Das Verfahren sei eine Farce, ließ Platini am Nachmittag mitteilen - die Ermittler können sich also auf weitere Verfahren gefasst machen.

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Sie begründen in ihrem Urteil vor allem ihr Vorgehen gegen Blatter. "Indem er die Interessen der Fifa nicht voranstellte und nicht alles unterließ, was den Interessen der Fifa zuwiderlaufen könnte, verletzte Joseph S. Blatter seine Loyalitätspflicht gegenüber der Fifa", schreiben Eckert und seine Mitarbeiter in ihrem Plädoyer. Die Vorwürfe gehen noch weiter - und sind eindeutig: "Blatters Handlungen entbehrten ethischen Verhaltens, verstießen gegen die anwendbaren Gesetze und Bestimmungen sowie das Fifa-Regelwerk, soweit auf ihn anwendbar, und zeugten von einem Missbrauch seiner Stellung als Fifa-Präsident." Worte, die viele in der Fußballwelt gerne schon früher von offizieller Seite gehört hätten.

Für Sepp Blatter sind es Aussagen, die sein Lebenswerk zerstören. Seinen trotzigen Auftritt beendete er mit einer Klage, wie es sie schon öfter von ihm zu hören gab: Die Ethikkommission könne den Fifa-Präsidenten gar nicht absetzen, er sei eigentlich weiter im Amt. Das Gremium könne ihn somit auch nicht sperren, "das kann nur der Fifa-Kongress. Was die Kommission entschieden hat, ist eine Schande."

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