Prozess gegen Blatter und Platini:"Hohes Gericht, es geht mir nicht gut"

Prozess gegen Blatter und Platini: Der frühere Fifa-Präsident Sepp Blatter verlässt gesundheitlich angeschlagen mit seinem Anwalt Lorenz Erni und seiner Tochter Corinne das Gericht.

Der frühere Fifa-Präsident Sepp Blatter verlässt gesundheitlich angeschlagen mit seinem Anwalt Lorenz Erni und seiner Tochter Corinne das Gericht.

(Foto: Arnd Wiegmann/Reuters)

Zum Auftakt des Fifa-Prozesses muss die Aussage von Ex-Präsident Blatter aus gesundheitlichen Gründen verschoben werden. Doch einschneidender fürs Verfahren könnte eine kuriose Volte rund um einen wichtigen Zeugen werden.

Von Johannes Aumüller, Bellinzona

In den Auftaktstunden des Prozesses war Sepp Blatter noch guter Dinge. "Die Sonne scheint, und ich bin gut gelaunt", sagte er bei seiner Ankunft vor dem Schweizer Bundesstrafgericht in Bellinzona. Bevor es in den Gerichtssaal ging, traf der frühere Präsident des Fußball-Weltverbandes (Fifa) in einem kleinen Räumchen noch mal kurz seinen alten Freundfeind Michel Platini, dem er zuversichtlich auf den Rücken klopfte. Und als ihn die Richterin im organisatorischen Block um eine Aussage bat, antwortete er mit einem klassisch-charmanten Blatter-Spruch.

Doch als nach vier Stunden alle Vorfragen geklärt waren und der inhaltliche Teil beginnen sollte, ging es dem 86-Jährigen deutlich schlechter. Eigentlich sollte Blatter am Mittwoch seine Aussage machen in diesem Prozess um eine ominöse Zwei-Millionen-Franken-Zahlung aus dem Jahr 2011. Aber dazu war er aus gesundheitlichen Gründen nicht imstande. "Hohes Gericht, es geht mir nicht gut", sagte er. Er habe eine Beschwerde, die wieder zurückkomme, er könne dann "auch nicht richtig atmen. Ich sehe mich nicht in der Lage zu antworten". Also war der Prozesstag vorbei und fiel die Vernehmung aus, sie soll jetzt am Donnerstagmorgen stattfinden.

Prozess gegen Blatter und Platini: Der zweite prominente Angeklagte: Ex-Uefa-Chef Michel Platini.

Der zweite prominente Angeklagte: Ex-Uefa-Chef Michel Platini.

(Foto: Fabrice Coffrini/AFP)

Seit Mittwoch und geplant bis zum 22. Juni läuft in Bellinzona der Prozess. Die Schweizer Bundesanwaltschaft (BA) wirft Blatter und Platini Betrug zu Lasten der Fifa und Urkundenfälschung vor. Mit wahrheitswidrigen Angaben und einer fiktiven Rechnung hätten sie die zuständigen Mitarbeiter des Weltverbandes so getäuscht, dass die von Blatter geführte Fifa im Jahr 2011 Platini zu Unrecht bereichert habe. Sie überwies dem damaligen Präsidenten von Europas Fußball-Union zwei Millionen Franken und bezahlte zudem Sozialabgaben in Höhe von 229 126 Franken. Über das vermeintliche Motiv für die Zahlung macht die BA in der Anklage keine Angaben. Die beiden Ex-Funktionäre weisen die Vorwürfe zurück und erklären, dass es sich um die Nachzahlung für eine Beratertätigkeit aus den Jahren 1998 bis 2002 gehandelt habe.

Doch zugleich ist dieser Prozess ein entscheidender Teil des großen Justizskandals, der die Schweiz seit einigen Jahren umtreibt: die mysteriöse Nähe zwischen dem Fifa-Präsidenten Gianni Infantino und dem inzwischen zurückgetretenen BA-Chef Michael Lauber, der zwei außerordentliche Bundesanwälte in einem Verfahren nachspüren. Denn längst steht der gut begründete Verdacht im Raum, dass nach dem Beginn der Fußball-Ermittlungen und einer großen Razzia bei der Fifa im Frühjahr 2015 rasch ein Hinweis bei der BA platziert worden war, durch den die Zwei-Millionen-Zahlung aufflog. Und dass durch die Manöver der Ermittler der damals als gesichert geltende Aufstieg Platinis vom Uefa- zum Fifa-Boss gestoppt wurde und stattdessen der Weg für Infantino frei war.

Der Jurist Olivier Thormann könnte entscheidende Hinweise liefern, wie die Zwei-Millionen-Causa in Gang kam

Die Überlappungen zwischen der Geheimtreff-Affäre und dem Blatter/Platini-Verfahren sind frappierend, auch wenn die Fifa so tut, als habe das eine mit dem anderen nichts zu tun. Aber vor diesem Hintergrund ist in den ersten Prozesstagen gar nicht die Aussage der beiden Beschuldigten Blatter und Platini diejenige, die am meisten im Fokus stehen dürfte - sondern die des Zeugen Olivier Thormann. Der Schweizer Jurist, der heute pikanterweise selbst im Bundesstrafgericht von Bellinzona tätig ist, war bis 2018 bei der Bundesanwaltschaft und dort auch in leitender Position für den Fußballkomplex zuständig. Sein Name steht auch unter den Dokumenten, mit denen die Bundesanwaltschaft im Sommer 2015 erste Schritte in der Sache Blatter/Platini unternahm.

Von daher könnte er entscheidende Hinweise darauf liefern, wie die Zwei-Millionen-Causa damals in Gang kam - zu einem Zeitpunkt, als die BA die bei der Fifa sichergestellten Dokumente noch gar nicht verwenden durfte. Während der Ermittlungen hatte die Bundesanwaltschaft einen entsprechenden Zeugenantrag von Platinis Seite abgelehnt, das Bundesstrafgericht hingegen ließ Thormann als Zeugen zu. Doch kurz vor dem Prozess gab es eine neuerliche erstaunliche Volte in dieser großen Affäre um Fifa und BA.

Denn Thormann spielt im Fußballkomplex an mehreren Stellen eine maßgebliche Rolle. So war er auch bei einem jener Geheimtreffen dabei, wegen dem die außerordentlichen Sonderermittler schon seit einer Weile gegen Lauber, Infantino sowie jeweils einen Begleiter ermitteln. Und nun stellt sich heraus, dass dieses Verfahren offenkundig ausgedehnt wurde. Thormann selbst bestätigte verschiedenen Medien, dass gegen ihn ein Verfahren geführt würde, er wollte aber sonst nichts mehr dazu sagen. Das verschafft ihm nun prinzipiell die Möglichkeit, seine Aussagen als Zeuge einzuschränken. Denn wenn gegen ihn ermittelt wird, kann er sich auf den Standpunkt zurückziehen, sich nicht zu ausführlich zu äußern und gegebenenfalls sich selbst belasten zu wollen.

Ein Schweigen Thormanns würde sich einfügen in eine Reihe von Vorgängen, die dazu führen, dass die Entstehung der Zwei-Millionen-Causa im Dunkeln bleiben kann. So war zum Beispiel der erste Sonderermittler unter fadenscheinigen Begründungen abgesetzt worden. Auch wurden nach SZ-Recherchen rund um Laubers Abschied von der Bundesanwaltschaft von seinem dienstlichen Account Mails gelöscht, die die Jahre 2015 bis 2017 betrafen. Sollte Thormann mit diesem Ansatz um eine Aussage herumkommen, würde dies aber auch zeigen, wie entgegen der Darstellung der Fifa die beiden Verfahren miteinander zu tun haben.

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