Bixente Lizarazu:You have to win Zweikampf

Nach sieben Jahren beim FC Bayern München nimmt der französische Nationalspieler Abschied - und immer noch ist er unentbehrlich.

Von Philipp Selldorf

Es gab grobes und gemeines Gelächter der Mitspieler, als Bixente Lizarazu gestern im Trainingskick einen Flachschuss ins rechte Toreck zirkelte, aber Lizarazu, der ein starkes Ehrgefühl besitzt, war deswegen nicht beleidigt. Ja, gab er später zu, das Toreschießen sei nicht seine Sache, das überließe er lieber Roy Makaay. "My job is: to destroy other players", die Gegenspieler zu zerstören, was martialischer klingt als es gemeint ist.

Bixente Lizarazu: Nach dem Abschied bei Bayern zur EM mit Frankreich: Bixente Lizarazu

Nach dem Abschied bei Bayern zur EM mit Frankreich: Bixente Lizarazu

(Foto: Foto: dpa)

Immerhin hat Lizarazu viel mehr Tore geschossen - sechs - als Rote Karten gesammelt, eine einzige war's in den sieben Jahren und 150 Bundesligaspielen für den FC Bayern. In der vergangenen Saison gab es sogar mal eine Phase, da er sich mit dem Wort Kopfballungeheuer abmühte, nachdem er zweimal per Kopf ins Tor getroffen hatte.

Jahrelang wurde Lizarazu von gewissen Leuten vorgehalten, er spreche kein Deutsch und versage seinem Gastland dadurch die Anerkennung. Das ist jedoch immer ein Irrtum gewesen. Sein Deutsch ist durchaus passabel, auch wenn er sich nur sporadisch der Sprache bediente und sich mit den Reportern lieber auf Englisch verständigte.

"Ich bin zu gut, um aufzuhören"

Sein meistzitierter Lehrsatz ist ohnehin eine Mixtur aus beidem: "You have to win Zweikampf" - Lizarazu plädierte immer für eine physisch geprägte Spielkultur, von Schönspielerei hält er gar nichts, und zwischenzeitlichen Tendenzen beim FC Bayern, in Gestalt eines weißen Balletts mit der Zaubertruppe Real Madrid konkurrieren zu wollen, hat er sich stets energisch widersetzt. Der Zweikampf, insistiert er wie der weise Meister, ist die Basis für den Erfolg im Spiel.

In einigen Tagen ist das alles Historie, denn Lizarazu, 35, verlässt die Bayern am Saisonende und wendet sich neuen Zielen zu. Irgendwo in Europa, in Italien, Spanien, daheim in Frankreich oder in England, "ich bin zu gut in Form, um aufzuhören", sagt er.

You have to win Zweikampf

Über Lizarazus Abschied sind einige Leute im Verein traurig, etwa sein Trainer Ottmar Hitzfeld und sein Mitspieler und Landsmann Willy Sagnol; andere aber betrachten das unerwartet abrupte Ende der Verbindung als zwangsläufig: Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß sehen das so, und er selbst auch. Man habe halt nicht zusammengefunden, als der nächste Vertrag besprochen wurde, heißt es von beiden Seiten, und in der Tat waren es wohl ziemlich kurze Gespräche.

Eigentlich wäre Lizarazu gern geblieben; auch seine Eltern, die in seinem Heimatort St. Jean de Luz im französischen Baskenland leben, hätten lieber gesehen, wenn er seine Karriere in München beenden würde; und die Bayern wollten ihn ohnehin behalten, bis Philipp Lahm 2005 seine Position übernimmt.

Aber Rummenigge und Hoeneß wollten sein Gehalt um angeblich 40 Prozent senken. Beim FC Bayern gebe es keine Vertragsverlängerung mehr zu den alten Konditionen, erklärt Vorstandschef Rummenigge kategorisch. Zwar hätte Lizarazu dann immer noch reichlich Geld verdient, doch vor dem Zugeständnis stand sein Stolz. Bei dem Thema ist er prompt etwas zugeknöpft. "Es ist schade", sagt er, "aber so ist das Leben."

Wie wichtig Lizarazu für das Team immer noch ist, beweist der Auftritt des Managers Hoeneß gestern auf dem Trainingsplatz. Unvermittelt marschierte er aus seinem Büro auf den Rasen, mitten hinein in die Übungsstunde, um mit Hitzfeld den Verteidiger zu überreden, die Teilnahme am Länderspiel zwischen Frankreich und Brasilien am kommenden Donnerstag abzusagen.

Hart, aber fair

Die impulsive Diskussion endete im vorläufigen Kompromiss. Man einigte sich darauf, am Samstag beim Spiel in Stuttgart Platz zwei sichern zu wollen, damit die letzte Partie (gegen Freiburg) nicht mehr über die Qualifikation zur Champions League entscheiden müsse. Aber Lizarazu machte auch seine Interessen deutlich: "Ich werde immer bis zur letzten Minute für den Klub kämpfen, aber ich will auch nicht auf das Länderspiel verzichten."

Seinen Stammplatz im Nationalteam möchte er vor der EM nicht mehr riskieren, und so reiht sich der kleine Disput ein in die Auseinandersetzungen mit Dickkopf Hoeneß, die Lizarazu (auch ein Dickkopf) rückblickend als "funny", lustig, betrachtet, "hart, aber fair".

Sentimentalitäten sind ansonsten von ihm nicht zu erwarten. "Ich bin nicht nostalgisch", meint er, "es waren sieben großartige Jahre, ich bin glücklich und stolz, den FC Bayern mit so vielen Titeln zu verlassen, und Bayern wird neben Bordeaux immer der bedeutendste Klub in meiner Karriere bleiben - aber auch die Zukunft wird schön sein." Seine wahre Heimat, das war immer klar, ist Frankreich. "München ist eine hübsche Stadt, aber nicht mein Leben - ich bin ein Mann des Meeres", sagt er.

Sobald er ein wenig Zeit hatte, fuhr er nach Hause, zur Freundin, zu seinem Sohn oder zur Familie, und Skigelaufen ist er lieber in den Pyrenäen als in den Alpen. Aber es wird ein Wiedersehen geben, verspricht Lizarazu: "Irgendwann komme ich zurück - zu einem Champions-League-Spiel, zu einer Party oder zum Geburtstag von Uli Hoeneß."

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