Arminia Bielefeld:Kurz vorm Gang die Treppe nach unten

Arminia Bielefeld: Kapitän Manuel Prietl steht nach der Niederlage in Bochum vor den mitgereisten Fans.

Kapitän Manuel Prietl steht nach der Niederlage in Bochum vor den mitgereisten Fans.

(Foto: Thilo Schmuelgen/Reuters)

Bielefeld steht nach dem 1:2 gegen Bochum vor der zweiten Liga - eine Rettung ist nur noch unter speziellen Konstellationen möglich. Es wäre der achte Bundesliga-Abstieg in der Historie des Klubs und würde ihn genau deshalb auch nicht umwerfen.

Von Ulrich Hartmann, Bochum

Eigentlich sind Arminia Bielefeld und der VfL Bochum Leidensgenossen, mausgraue Fußballklubs im ewigen Auf und Ab zwischen erster und zweiter Liga. Bochum in Westfalen und Bielefeld in Ost-Westfalen trennt trotz 120 Kilometern Luftlinie fußballerisch nicht allzu viel. Man ähnelt sich darin, mit begrenzten Mitteln Jahr für Jahr das Mögliche herauszuholen. Das gelingt mal mehr, mal weniger, mal hier, mal dort.

Doch am Freitagabend trennten sich ihre Wege spürbar. Als das Bochumer Publikum seine Fußballer mit Standing Ovations feierte, sanken die Bielefelder Spieler zu Boden, und als die Bochumer Fans "nie mehr zweite Liga" sangen, da ahnten die Bielefelder, dass sie jetzt eigentlich nicht mehr zu retten und dem Gang genau dorthin geweiht sind: in die zweite Liga.

Der achte Bundesliga-Abstieg der Arminia steht kurz bevor. Den 1. FC Nürnberg mit seinen neun Abstiegen würden sie nicht einholen, sie blieben ihm aber auf den Fersen in dieser Statistik. Als die Arminen nach der 1:2-Niederlage in Bochum vor dem Block ihrer mitgereisten Fans standen, gab es von der Tribüne zwar keine Pfiffe, aber auch keinen Trost. Man stand sich unbeholfen gegenüber. Dann ging man wortlos auseinander.

Die Arminia trägt den unsteten Lebenswandel in ihrer DNA: seit 1963 insgesamt 19 Jahre Bundesliga, 29 Jahre zweite Liga, zehn Jahre dritte Liga. Sieht so aus, als spielte sie nächstes Jahr wieder in der ihr eigensten Liga: der zweiten. Es würde ein runder Geburtstag: die 30. Saison dort.

Vor drei Wochen, am Ostersonntag, hat Bayern München in Bielefeld gastiert, und Arminias Sportdirektor Samir Arabi plauderte mit Bayerns Sportchef Hasan Salihamidzic. "Da habe ich ihm gesagt, dass ein bisschen Unterstützung nicht schaden könnte", verriet Arabi jetzt mit Blick auf das Spiel der Bayern am Sonntagabend gegen Bielefelds Kellerkonkurrenten VfB Stuttgart. Mit der "Unterstützung" war das allerdings so eine Sache, das 2:2 des VfB in München reduziert die Bielefelder Resthoffnungen für den letzten Spieltag auf ein Minimum: Drei Punkte und sieben Tore müssten sie aufholen, um noch auf Platz 16 zu springen.

Sie selbst konnten seit ihrem 0:3 gegen die Bayern nur noch ein Pünktchen gewinnen, beim 1:1 gegen Hertha BSC. Dass die Bielefelder nun am nächsten Samstag daheim gegen die Champions-League-Anwärter von RB Leipzig deutlich gewinnen, ist in ihrer aktuellen Verfassung kaum vorstellbar - und eine klare Stuttgarter Niederlage gegen den 1. FC Köln müsste noch hinzukommen. Nein, diesen Bielefeldern ist vermutlich nicht mehr zu helfen.

Nur 26 Tore hat Arminia in dieser Saison geschossen

Von "Schützenhilfe" hatte nach dem Abpfiff in Bochum auch Arminias Flügelflitzer Patrick Wimmer gesprochen, er hoffte auf einen Bayern-Sieg gegen Stuttgart. Aber man kann einer Mannschaft eigentlich keine Schützenhilfe leisten, die so recht gar keine Schützen hat. 26 Treffer in 33 Spielen sind wenig, aber noch schlimmer als diese Gesamtstatistik ist das Bielefelder Zahlenwerk der jüngsten zehn Spiele: Da haben sie nur zwei Unentschieden geholt, weil sie nur vier Tore schossen.

Der bislang letzte Sieg der Arminia liegt elf Wochen zurück. Nachdem sie am 19. Februar mit 1:0 gegen Union Berlin gewonnen hatte, war sie in der Tabelle 14. und hatte vor Hertha BSC zwei Punkte Vorsprung, vor dem FC Augsburg drei und vor dem VfB Stuttgart sechs. Doch irgendetwas muss dann im Innenleben dieser Mannschaft passiert sein. Plötzlich schoss sie vorne keine Tore mehr. Auch der Trainerwechsel von Frank Kramer zum beförderten Torwarttrainer Marco Kostmann ist direkt verpufft.

Torwart Ortega ragt aus der Mannschaft heraus

Der einzige Spieler, der im finalen Saisondrittel Bundesliga-Format aufwies, ist der Torwart Stefan Ortega. Auch beim Gastspiel in Bochum hat er überragend gehalten, sogar den Gegentreffer zum 0:1 durch Sebastian Polter (21.) hat er geistesgegenwärtig pariert, allerdings 50 Zentimeter hinter der Torlinie. Nach dem zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleich durch Joakim Nilsson (35.) war Ortega beim finalen K.-o.-Schlag zum 1:2 (89.) machtlos, weil sein Mitspieler George Bello den Abpraller nach seiner Parade versehentlich ins eigene Tor grätschte.

Für Ortega fühlte sich der Abstieg vermutlich besonders schmerzhaft an, denn er persönlich hat eine ziemlich gute Saison hinter sich und ist laut seiner Benotung vom Fachblatt Kicker sogar einer der fünf besten Torhüter der Liga. Wenn man aber nicht einmal mit solch einem Torwart in der Liga bleibt, dann verrät das umso mehr über die unzureichende Qualität des restlichen Kaders.

Im Schnitt alle sechs Jahre ist Arminia Bielefeld seit dem erstmaligen Aufstieg in die Bundesliga 1970 aus der höchsten Klasse abgestiegen. Weil die Ostwestfalen seit damals aber nur 19 Jahre in der Bundesliga gespielt haben, wurde im Schnitt jede zweite Saison dort mit einem Abstieg abgeschlossen. So wäre es auch diesmal nach dem Klassenverbleib vergangene Saison. Insofern wäre es für die Arminia eigentlich Business as usual. Der Verein würde es aushalten. Die Fans auch. In dieser Hinsicht sind die Bielefelder, im Gegensatz zu ihrem Fußball in dieser Saison, sturmerprobt.

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