Biathlon-WM:Verweigerter Handschlag und Gezeter

Biathlon-WM: Ein Bild mit Symbolkraft: vorne der Franzose Martin Fourcade, hinten die lächelnden Russen.

Ein Bild mit Symbolkraft: vorne der Franzose Martin Fourcade, hinten die lächelnden Russen.

(Foto: AFP)

Zum Auftakt der Biathlon-WM ist die Stimmung miserabel: Der Doping-Streit zwischen den Russen und dem Rest der Biathlonwelt eskaliert.

Von Joachim Mölter, Hochfilzen

Die deutschen Biathleten Vanessa Hinz, Laura Dahlmeier, Arnd Peiffer und Simon Schempp saßen in der Mitte des Podiums, ihre Köpfe drehten sich nach links, nach rechts, nach links, nach rechts, und ihre Augen wanderten staunend mit, von links nach rechts, von rechts nach links. Links von ihnen redete sich der Russe Anton Schipulin in Rage, rechts von ihnen gab der Franzose Martin Fourcade Widerworte. "Sie hätten noch eine dreiviertel Stunde hin und her diskutieren können, ohne es final zu klären", sagte Arnd Peiffer, als endlich auch er mal gefragt war; da war die erste Sieger-Pressekonferenz bei der Biathlon-WM in Hochfilzen freilich schon offiziell beendet.

Dass die vier Deutschen zum WM-Auftakt die Mixed-Staffel gewonnen hatten, geriet in den Hintergrund angesichts des hitzigen Wortgefechts, das sich der Silbergewinner Fourcade und der Bronzegewinner Schipulin lieferten. Vordergründig ging es um einen von Schipulin verweigerten Handschlag bei der sogenannten Flower Ceremony im Stadion, der Blumenzeremonie unmittelbar nach dem Wettkampf; tiefgründiger manifestierte sich in dem Disput das gesamte Doping-Problem, das der Biathlon-Sport derzeit hat. Und in dem die Russen im Mittelpunkt stehen.

"Ich bin nicht glücklich, wenn ich Loginow an der Startlinie sehe"

Im sogenannten McLaren-Report der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) werden allein 31 russische Biathleten des Dopings bezichtigt, seit der Veröffentlichung diskutiert die Szene über Konsequenzen. Dass der russische Verband nun in Alexander Loginow einen verurteilten Dopingsünder nach Ablauf seiner Sperre gleich für die Titelkämpfe in Tirol nominierte und auch umgehend für die Mixed-Staffel aufstellte, empfanden viele als Provokation.

"Ich bin nicht glücklich, wenn ich Loginow an der Startlinie sehe", hatte der Norweger Johannes Thingnes Böder Tageszeitung VG gesagt. Der deutsche Männer-Bundestrainer Kirchner fand: "Loginow hat seine Strafe abgesessen, von der Seite kann man nichts sagen. Aber ob das clever in der momentanen Situation ist, das ist die andere Frage." Und Martin Fourcade, als zweimaliger Olympiasieger und zehnmaliger Weltmeister eines der prominentesten Gesichter dieses Sports, hatte auf seinen Kanälen in den sozialen Medien darauf hingewiesen, dass man Loginows Sperre nicht vergessen dürfe.

Sieben Nachlader, keine Strafrunde - Ergebnisse der ersten Entscheidung bei der Biathlon-WM

Gold: Deutschland 1:09:06,4 Std. 0 Strafrunden + 7 Nachlader (Hinz/München/0+2, Dahlmeier/Garmisch- Partenkirchen/0+4, Peiffer/Clausthal-Zel- lerfeld 0, Schempp/Uhingen/0+1)

Silber: Frankreich + 2,2 Sek. / 1+8 (Chevalier, D. Habert, Maillet, M. Fourcade)

Bronze: Russland + 3,2 Sek. / 0+4 (Podtschufarowa, Akimowa, Loginow, Schipulin)

4. Italien 28,7 / 0+ 6

5. Ukraine 35,6 / 0+ 8

6. Schweden 41,6 / 0+ 8

7. Tschechien 41,9 / 2+ 9

8. Norwegen 46,2 / 2+10

9. Österreich 1:20,2 Min. / 1+ 8

Programm am Freitag

14.45 Uhr: Frauen, Sprint über 7,5 km

TV: Eurosport & ZDF (ab 14.30 Uhr)

"Der Kommentar von Martin ist legitim", sagt Peiffer. "Das war nichts Angreifbares", meint Schempp. Schipulin findet: "Das ganze Benehmen von Martin war nicht nett." Und weil sich das russische Team als Familie begreift, ergriff der Staffel-Olympiasieger als Familienoberhaupt eben Partei für das Familienmitglied Loginow, indem er Fourcade erst bei der Flower Ceremony brüskierte und anschließend bei der Pressekonferenz scharf angriff.

Spannendes Finale der Mixed-Staffel

Die deutschen Athleten hatten im Grunde nichts gegen die Diskussion. "Das gehört dazu in unserem Sport", sagte Arnd Peiffer und fügte hinzu: "Nicht jeder ist offen für Kritik." Die im Weltcup führende Laura Dahlmeier sieht das ähnlich: "Es ist gut, wenn das ausdiskutiert wird. Für uns ist es das Wichtigste, dass wir für einen sauberen Sport kämpfen." Andererseits sei es aber "schade, dass es relativ schnell um politische Dinge geht und nicht mehr um sportliche. Ich hoffe, dass es in den nächsten Tagen wieder mehr um Sport geht". Für Dahlmeier und die übrigen Frauen geht es bereits am Freitag weiter mit der Entscheidung im 7,5-Kilometer-Sprint (14.45 Uhr/ZDF und Eurosport). Ricco Groß, der deutsche Trainer der russischen Biathleten, versuchte die entstandenen Wogen wieder ein wenig zu glätten. Er empfahl: "Ruhe bewahren, Gespräche führen und das Ganze etwas diplomatischer angehen." Wenn er den Ratschlag bloß früher an seine Mannschaft weitergegeben hätte.

Das Rennen in der Mixed-Staffel hätte jedenfalls auch ohne den offen ausgetragenen Streit von Fourcade und Schipulin genug Gesprächsstoff geboten. Die 10 700 Zuschauer im Stadion wurden jedenfalls Zeugen eines spannenden Wettkampfs. Die deutsche Startläuferin Vanessa Hinz wechselte als Sechste auf Laura Dahlmeier; die musste zwar sowohl im Liegend- als auch im Stehendschießen je zweimal nachladen, übergab aber dennoch als Erste, knapp vor Titelverteidiger Frankreich.

Schempps Vorsprung schmilzt auf der Schlussrunde

Arnd Peiffer blieb anschließend fehlerlos am Schießstand, und weil der Franzose Quentin Fillon Maillet einmal in die Strafrunde musste, bekam der Schlussläufer Simon Schempp eine dreiviertel Minute Vorsprung mit auf den Weg. Der Uhinger, wie Peiffer schon beim letzten Titelgewinn 2010 dabei, konnte jede Sekunde gebrauchen: Er musste ja nicht nur Fourcade auf Distanz halten, den alle und alles überragenden Biathleten dieses Winters, sondern auch noch den stark aufkommenden Schipulin. Auf der Schlussrunde schmolz Schempps Vorsprung dahin, am Ende reichte es aber zum Titelgewinn, 2,2 Sekunden vor dem Franzosen und 3,2 vor dem Russen.

Die Kontrahenten hatten sich in der Loipe einen ähnlich verbissenen Zweikampf geliefert wie später auf dem Gesprächspodium. Das sportliche Duell der beiden hatte Schempp freilich nicht mitbekommen, er schaute stur geradeaus und behielt das Ziel im Blick.

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