Biathlon-WM:Schlau auf der Ziellinie

Die deutsche Männer-Auswahl sichert sich zum Ende der WM mit Silber doch noch eine Medaille. Hauptdarstellerin des DSV bleibt Laura Dahlmeier, die mit Silber im Massenstart die fünfte Medaille erringt.

Von Volker Kreisl, Oslo

Die Hauptrollen haben sich nicht mehr geändert. Bei der Biathlon-WM in Oslo hatte sich zu Beginn eine bestimmte Besetzung eingespielt, und wie so oft trug der Fluss des Erfolges die vier Hauptdarsteller immer weiter. Auch am Ende war der Franzose Martin Fourcade mit vier Goldplaketten und einer Silbermedaille bester Biathlet, war die Massenstartsiegerin Marie Dorin-Habert aus Frankreich die beste Biathletin. Als Senior-Sieger, der immer noch mit den Jüngeren mithält, empfahl sich von Anfang bis Ende der Norweger Ole Einar Björndalen. Laura Dahlmeier schließlich, die zum Abschluss Silber im Massenstart gewann, blieb die konstanteste Deutsche, die schon mit 22 Jahren bei Großveranstaltungen abräumte. Das Schlusswochenende als Teilsequenz aber stand im Zeichen der Norweger. Fourcade hatte schon wie der Sieger im letzten Wettkampf, dem Massenstart, ausgesehen, doch dann fing ihn der 22-jährige Norweger Johannes Thingnes Bö noch ab. Er hatte zuvor vier vierte Plätze erlitten, seine Leistung begründete er so: "Ich wollte mein erstes Gold mehr als Fourcade sein fünftes." Björndalen als Dritter setzte den Schlusspunkt des Wochenendes, bei dem zuvor Norwegens Männer und Frauen die Staffeln gewonnen hatten. Björndalen, 42, hat nun 20 WM-Titel und 44 WM-Medaillen und derzeit viel Spaß. Auf die Frage, ob er nun aufhöre, sagte er: "An die Zukunft denke ich momentan nicht." Für die Mannschaft des Deutschen Skiverbandes (DSV) hatte die Männerstaffel Silber geholt und damit ihre bislang podestlosen WM-Wettkämpfe aufgebessert. Im Ensemble der Deutschen blieb es aber bei Hauptdarstellerin Dahlmeier aus Garmisch-Partenkirchen. Aus ihren fünf Einsätzen wurden fünf Podiumsplätze. Und auch wenn ihr Weg unter anderem wegen ihrer Krankheitsanfälligkeit schwer planbar ist, so deutete Dahlmeier in Oslo das Niveau der Rekord-Biathletinnen Petra Behle und Magdalena Neuner an. Zumindest in Oslo war ihr Auftritt wie eine eigene Geschichte, mit Einleitung, Spannungsaufbau und gelungenem Schluss. Dahlmeier hatte zu WM-Beginn mit einer Art Lauf um ihr Leben noch die fast sichere Dritte Gabriela Soukalova abgefangen und Bronze im Sprint geholt. Mit lockerer Darbietung stieg sie dann zur Verfolgungsweltmeisterin auf, holte zwei weitere Bronzemedaillen, im 15 Kilometer-Einzel und mit der Staffel. Dahlmeier war da erkennbar erschöpft von den Anstrengungen der Woche, aber sie erhöhte damit die Spannung für den Abschluss am Sonntag.

In Ruhpolding vergab Dahlmeier den Sieg im Schlussspurt, in Oslo behielt sie die Ruhe

Insgesamt stand jede dieser Dahlmeier-Medaillen also unter einem anderen Motto. Bronze 1 war reine Selbstüberwindung, Gold ein Trainingslauf, Bronze 2 brachte der WM-Schwung , Bronze 3 zeigte schon Müdigkeit, und Silber im Massenstart am Schlusssonntag gelang dann wieder dank kluger Laufeinteilung und gutem Wachs.

Dahlmeier, die jüngste und mit 1,63 Meter kleinste unter den zeitgleich davonstürmenden Massenstarterinnen, wählte die zweite und dritte Platzreihe im vorderen Gruppetto und schaute nur selten vorne vorbei, nämlich dann, wenn sie ihre gut präparierten Skier bergab nach vorne trugen. Im Liegendschießen zeigte sie keine Schwächen, erst der erste Treffer des ersten Stehendanschlags nahm sie aus dem Rennen um Gold.

Die sieben Jahre ältere Dorin-Habert war wie in den meisten Rennen zuvor auch im Massenstart erfahrener, abgeklärter und laufstärker. Sie setzte sich ohne Fehler vom Rest des Feldes ab und lief später einsam ins Ziel. Es ging nur noch um Platz zwei, und Dahlmeier profitierte nun von ihrer weisen Laufeinteilung. Zusammen war es nach dem letzten Schießen ein Trio, das sich um Silber und Bronze stritt: die Finnin Kaisa Mäkäräinen, die Tschechin Soukalova und deren Heimsuchung Dahlmeier. Sie erhöhte wie Mäkäräinen das Tempo, Soukalova - im Gesamtweltcup die Führende - kam ab Mitte der letzten Runde nicht mehr mit. Von der am Berg dynamischeren Finnin hat sich Dahlmeier dann nicht abhängen lassen. Sie erzählte später davon, wie ihr die Betreuer zuriefen, "die Kaisa schaut schon schlecht aus!", und wie sie selbst dachte: "Ich bin genauso k.o." Die Frage blieb: Wie schlau ist die Garmischerin nun auf der Ziellinie?

Sie hatte sich ja beim Weltcup in Ruhpolding im Januar schon einmal in einen Engpass zwischen Ziel-Spur und Bande locken lassen und einen sicheren Sieg vergeben, aber bei der WM in Oslo behielt sie nun die Ruhe. "Ich hab mir das vorher überlegt, man lernt ja aus Fehlern", sagte Dahlmeier. Sie hielt sich im Windschatten hinter Mäkäräinen, ließ sich in der letzten Abfahrt von ihren Skiern neben sie tragen, setzte sich auf der Mittelspur einen Meter vor die Gegnerin, kam als Zweite durchs Ziel, boxte in die Luft und fiel vornüber in den Schnee. Mäkäräinen war vermutlich trotzdem erschöpfter.

Auf dem Podium standen dann Dorin-Habert, die beste Medaillensammlerin dieser Weltmeisterschaft, und Dahlmeier, die müde, aber auch vielseitige 22-Jährige, die danach erst einmal zwölf Stunden lang gar nichts machen wollte, "nur überleben", ehe alles weitergeht und ihre vielversprechende Zukunft beginnt.

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