Die Deutschen bei der WM in Lenzerheide:Biathlon kann man hassen und am nächsten Tag wieder lieben

Lesezeit: 3 Min.

Am Ende war es ein Schussfehler zu viel: Philipp Horn. (Foto: Martin Schutt/dpa)

Philipp Horn zeigt mit Platz sieben im WM-Einzel in der Schweiz, dass die deutschen Männer Biathlon noch nicht verlernt haben. Eine Strafminute zu viel kostet ihn allerdings Bronze.

Von Saskia Aleythe, Lenzerheide

Ein komplett neuer Mensch wird man in ein paar wenigen Tagen nicht, aber Philipp Horn hat in der Schweiz doch eine größere Transformation durchgemacht. So empfindet es der Biathlet selbst, und so konnte man das auch beobachten nach dem Rennen am Mittwochnachmittag in Lenzerheide. Da stand Horn, 30 Jahre alt, nach seinem siebten Platz im Einzel über 20 Kilometer im Zielbereich und musste erst mal nachrechnen: Eine Strafminute weniger hätte den Deutschen zur Bronze-Medaille geführt. „Wenn ich so darüber nachdenke, ärgert mich das unfassbar“, sagte Horn und meinte damit seinen Fehler im letzten Schießen. Dann klarte sich sein Blick doch wieder auf: „Es war trotzdem ein gutes Rennen.“

Das war es tatsächlich, und es war auch das Ergebnis einer emotional anstrengenden Reise für Philipp Horn bei dieser WM: Nach Platz 44 im Sprint hatte er kurz darüber nachgedacht, ob er jetzt alles sein lässt, so tief saß der Frust. Nun musste er nur mal schauen, wen er hinter sich gelassen hatte: Norwegens Johannes Thingnes Bö etwa, der zwar schon zwei Goldmedaillen gewinnen konnte, nun aber mit fünf Strafminuten nur auf Rang 20 landete. Oder den Franzosen Emilien Jacquelin, nach Gold in der Mixed-Staffel diesmal nur 67., ebenfalls mit fünf Patzern. Diesmal lachte Horn, während hinter ihm im Schnee Jacquelin kauerte und den Tränen nah war. Biathlon kann man hassen und am nächsten Tag wieder lieben.

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So hatte es Horn auch selbst ausgedrückt, nachdem er im Sprint schon 27 Plätze hatte aufholen können. Im Einzel, dem körperlich anstrengendsten Rennen in seinem Sport, wollte der Thüringer nun beweisen, dass die bisherige Misere im deutschen Team kein Dauerzustand sein muss. Seine zwei Strafminuten waren zwar eine zu viel für eine Medaille, aber auch mit der elftbesten Laufzeit konnte Horn zeigen, dass er beide Teildisziplinen des Biathlons beherrscht. Bei wechselhaften Bedingungen am Schießstand hatte an diesem Tag auch die Konkurrenz Probleme. Weltmeister wurde Frankreichs Eric Perrot (ein Fehler) vor Tommaso Giacomel aus Italien (1) und Perrots Landsmann Quentin Fillon Maillet, der sich trotz dreier Strafminuten noch Bronze sichern konnten.

Einen deutschen Weltmeister im anstrengenden Einzel-Rennen hat es zuletzt 2019 gegeben

Einen Weltmeister aus Deutschland im Einzel hat es in den letzten 20 Jahren nur einen gegeben: Arnd Peiffer, der 2019 in Östersund in Schweden triumphierte. Peiffer trat damals als Professor in Schneekunde auf, hielt schon mal kleine Referate über die Feuchtigkeit des Untergrunds (16 Prozent!), was ihn Rückschlüsse über Material und Taktik ziehen ließ. Das Einzel war bis dahin ein eher unliebsamer Begleiter für ihn gewesen, aber, und daran konnte man sich jetzt in Lenzerheide erinnern: „Man muss es ja nicht immer lieben, um eine gute Leistung zu bringen“, sagte Peiffer damals.

Und so kämpfte sich Philipp Horn auch wieder ran an die erste Riege seines Sports, das Wichtigste dabei: „Sich nicht verrückt machen lassen.“ Das sei einfacher gesagt als getan, „wenn man von allen so ein bisschen eingeredet bekommt, dass das deutsche Männerteam eine große Schießproblematik hätte“. Zusammengenommen zehn Fehler im Sprint und 19 in der Verfolgung hatte die Männer weit weg von den Medaillen katapultiert. So standen die Vorzeichen für dieses Einzel alles andere als gut. So schlimm wie für Hwang Byung-dai 1985 beim WM-Einzel in Ruhpolding sollte es freilich nicht kommen: Der Koreaner hatte damals 18 Strafminuten bei 20 Schüssen fabriziert.

Die anderen deutschen Männer? Rang zwölf, Rang 22, Rang 28

Johannes Kühn, 33 Jahre alt, legte mit der Nominierung für das Einzel einen steilen Aufstieg hin, war er bisher in der Schweiz doch noch gar nicht zum Einsatz gekommen. Wie seine Zeit hier bisher gewesen sei? „Ich war Tourist“, sagte Kühn vor dem Rennen frustriert. Zwei Strafminuten und Rang zwölf machten ihn nun zum zweitbesten Deutschen. Danilo Riethmüller belegte mit drei Strafminuten Platz 22. Der nachnominierte David Zobel war erst am Montag für den erkrankten Philipp Nawrath ins Team gerutscht, er hielt sich bis zum letzten Schießen schadlos – wurde dann aber auch wegen läuferischer Defizite und zwei Fehlern 28. „Ich denke, es war heute ein anderes Gesicht, das ist ein Schritt nach vorne“, sagte Sportdirektor Felix Bitterling.

Ganz anders als bei den sonst so souveränen Norwegern: Ihr bester Mann war diesmal Endre Strömsheim, mit einer Strafminute nur auf Rang neun – Probleme mit dem Skiwachs sorgten noch an der Strecke für ernste Diskussionen. Verkehrte Biathlon-Welt in Lenzerheide.

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