Süddeutsche Zeitung

Biathlon-WM:Fehlerfeuerwerk am Schießstand

Nicht richtig schlecht, aber auch nicht wirklich gut: Beim Sieg der favorisierten Norweger in der Mixed-Staffel verfehlen die deutschen Biathleten die angestrebte Medaille.

Von Saskia Aleythe, Antholz

Einen gelungenen WM-Start erkennt man bei Denise Herrmann an den Zähnen. Wenn sie lacht, funkelt ein Schmuckstein von einem Schneidezahn in die Umgebung, und dieses Funkeln hat man im vergangenen Jahr mehrmals beobachten können: Gold in der Verfolgung, Bronze im Massenstart, begonnen hatte die WM in Östersund aber mit Silber in der Mixed-Staffel - ein Erfolg, den die Deutschen nun zum Auftakt der Titelkämpfe in Antholz nicht wiederholen konnten.

Kein Funkeln gab es diesmal zu sehen, stattdessen hadernde Gesichter - nach einem Feuerwerk von Schießfehlern, fast alle im Stehen. Die Bilanz: Elf Ersatzpatronen und eine Strafrunde, unter den ersten Zehn war nur die Schweiz am Schießstand schlechter - für das deutsche Quartett reichte es immerhin zu Platz vier. Die Norweger wurden ihrer Favoritenrolle gerecht und gewannen die erste Goldmedaille dieser WM (0 Strafrunden/7 Nachlader) vor Gastgeber Italien (15,6 Sekunden zurück; 0/6); Tschechien schaffte es überraschend auf den Bronze-Rang (30,8 zurück; 0/2). "Am Ende ist es keine ganz schlechte Leistung", sagte Schlussläufer Benedikt Doll im ZDF, "bei einer WM geht es aber schon um die Medaillen, von einem vierten Platz kann man sich nicht allzu viel kaufen."

Mixed-Staffeln waren für die Biathleten des Deutschen Skiverbandes (DSV) in den vergangenen Jahren immer ein gutes Willkommensgeschenk: 2016 Silber, 2017 sogar Gold. Eine feine Gelegenheit, um "in den Flow" zu kommen, wie Herrmann es ausdrückt, womit sich so manches Rennen im Anschluss mit leichteren Beinen und sichererem Abzugfinger bestreiten lässt. Ein Umstand, auf den man in diesen Tagen in Südtirol auch wieder hoffte. Franziska Preuß musste dabei am Donnerstagnachmittag als erste Deutsche in die Loipe. Ein Nachlader liegend, zwei stehend, das war nicht richtig schlecht, aber auch nicht formidabel. "Ich habe mich heute am Schießstand ein bisschen schwer getan", sagte Preuß im ZDF: Auf Rang elf liegend beendete sie ihren Einsatz, alle davor platzierten Läuferinnen hatten besser geschossen.

Als Staffelläuferin hat man Preuß bisher eher mit Missgeschicken in Verbindung gebracht: 2014 bei Olympia in Sotschi stürzte sie in der Frauen-Staffel nach 600 Metern, der Stock brach, dazu kroch auch noch Schnee in den Gewehrlauf. Vier Jahre später in Pyeongchang traf sie liegend alle Scheiben; in dem Glauben, doch einen Fehler geschossen zu haben, fummelte sie aber irrtümlicherweise noch eine Patrone ins Gewehr. In diesem Winter schlug sie sich bei ihren Staffel-Einsätzen sehr gut, auch dieses Mal passierte ihr zumindest keine größeres Ungeschick.

Härter traf es in Antholz Herrmann. 34,9 Sekunden Rückstand hatte sie auf die führenden Norwegerinnen, doch sie pirschte sich ordentlich heran: Liegend traf die ehemalige Langläuferin alles, da hatte sie den Rückstand schon mehr als halbiert. Hermann war in diesem Winter bisher beste Deutsche, in 13 Rennen lief sie achtmal in die Top Sechs, gekrönt wurde das durch einen Einzelsieg Ende Januar. Da hatte sie zum ersten Mal alle 20 Scheiben versenkt. Fast zeitgleich mit der mittlerweile vorne liegenden Italienerin Dorothea Wierer und Katrin Innerhofer aus Österreich kam sie zum zweiten Schießen, da vermieste sie aber ihre Bilanz: Eine Scheibe stand noch, als sie den letzten Nachlader bemühte, "da geht einem natürlich der Arsch auf Grundeis". Eine Strafrunde musste Herrmann im Anschluss absolvieren, auf Rang sieben übergab sie schließlich an Arnd Peiffer, Rückstand: 41,4 Sekunden auf Norwegen. "Wenn man alleine verkackt, muss man damit alleine fertig werden. So zieht man die anderen mit rein", sagte Herrmann später.

Der Norweger Tarje Bö hatte sich schon auf die Matten gelegt und die erste Scheibe ins Visier genommen, als der zweitplatzierte Lukas Hofer aus Italien erst zum Schießstand kam. Bö traf alles, die Konkurrenz musste Gold entschwinden sehen. Oder doch nicht? Zwei Nachlader beim zweiten Schießen ließen den Vorsprung wieder schmelzen. Doch Peiffer musste nach fehlerfreiem Liegendschießen stehend gleich drei Ersatzpatronen bemühen, 42,7 Sekunden trennten ihn bei der Übergabe auf Benedikt Doll von Bö, Rang sechs.

Doll zeigte sich schließlich liegend unbeeindruckt von den Problemen seiner Kollegen, stehend musste aber auch er zweimal nachladen - da war Norwegens Schlussläufer Johannes Thingnes Bö schon in Gedanken auf dem Podium. Auf der letzten Runde erwehrte sich Doll noch einer Attacke von Dimitri Pidruschni aus der Ukraine, einsam glitt er schließlich als Vierter ins Ziel. Frankreich erwischte mit Rang sieben noch einen schlimmeren Tag. "Die vorne haben einfach keine Fehler mehr gemacht", sagte Doll im Anschluss, raffte sich aber schon wieder auf für die kommenden Aufgaben. "Wir haben noch genug Chancen. Jetzt kann es losgehen mit den Einzelrennen", sagte der Mann aus dem Schwarzwald, der in diesem Winter schon einen Sieg und zwei weitere Podiumsplätze gefeiert hatte. Und Herrmann? Muss erstmal noch ohne den Flow auskommen, stattdessen hatte sie ein neues Motto: die Mixed-Staffel einfach abhaken.

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Quelle:
SZ vom 14.02.2020
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