Süddeutsche Zeitung

Biathlon-WM:"Vize-Weltmeisterin hört sich verdammt geil an"

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Von Volker Kreisl, Antholz

Nach ihrem letzten Schießen, nachdem schon viele der Topläuferinnen wieder in Anoraks steckten, da wurde es auf einmal wieder laut im Antholzer WM-Stadion. Die Südtirolerin Dorothea Wierer hatte soeben alle Scheiben getroffen, und als sie sich auf die letzte Schleife Richtung Ziel machte, da ging es in diesem stundenlangen 15-km-Biathlon-Marathon, in dem die Läuferinnen nacheinander starteten, plötzlich nur noch um Zehntelsekunden.

2,2 Sekunden lag Wierer vor der Schlierseerin Vanessa Hinz. Dann, 1400 Meter vor dem Ziel, waren es 2,1 Sekunden. Und bei der letzten Zeitnahme - noch 300 Meter - nur noch 1,6. Aber im Ziel - vielleicht weil der italienische Streckenbetreuer einen Tick lauter geschrien hatte? - waren es wieder 2,2.

Gold für Wierer, Silber für Hinz, Bronze für die Norwegerin Marte Olsbu Röiseland - daran änderte sich auch nichts mehr in diesem langen Einzelrennen, das manche wegen seines schwer zu durchschauenden Formats für veraltet halten. Diesmal aber wurde daraus ein Krimi, der unter den Anhängern wohl noch häufiger erzählt werden wird, der bis zum Schluss Spannung bereithielt und mindestens feuchte Augen bei den Hauptdarstellerinnen auslöste. Hinz lag jedenfalls lange nach ihrem famosen Auftritt im Schnee, pumpte aus, schlug mit der Faust hinein ins Weiße, weil ihr diese Leistung schon jetzt keiner mehr nehmen konnte: 15 Treffer zunächst und dann, erst im letzten Anschlag mit der vorletzten Patrone, der eine Lapsus. Aber sie hatte sich auch die Kräfte hervorragend eingeteilt, weshalb zu diesem Zeitpunkt auch schon der Gedanke an eine Medaille, vielleicht sogar an Gold, berechtigt war.

Nachdem Wierer sie um die 2,2 Sekunden doch noch unterboten hatte ("Ich bin die Schlussrunde langsamer angegangen", sagte sie später), nachdem es noch einmal spannend geworden war, weil die spät gestartete Österreicherin Rieder und die Norwegerin Tandrevold ihren Zeitvorteil im letzten Moment noch verschossen, da war klar, dass nun auch Hinz aus dem Schatten der anderen deutschen Medaillengewinnerinnen getreten war - für einen Moment war sie im Mittelpunkt ihres Sports angekommen. "Ein Wahnsinn, ich kann es gar nicht glauben", sagte sie. Und auf Feierpläne angesprochen meinte sie: "Ich bin immer für einen Gin Tonic gut. Man muss die Feste feiern wie sie kommen, so einen Tag erlebt man vielleicht nie mehr wieder in seinem Leben. Deswegen muss man es genießen, weil ich über zehn Jahre lang darauf hingearbeitet habe."

Im Mittelpunkt des Biathlon-Milieus, am WM-Standort in Südtirol, und vielleicht diesmal auch darüber hinaus ist ja schon seit einer Woche ein Dorothea-Wierer-Fieber ausgebrochen, die 29-Jährige hat nun zwei Goldmedaillen und eine Silberne errungen. Für den Deutschen Skiverband hatte an diesem Tag auch Franziska Preuß eine beachtliche Leistung gezeigt, sie war Fünfte geworden. Denise Herrmann vergab mit zwei späten Fehlschüssen die Chance auf eine zweite Medaille.

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Quelle:
SZ vom 19.02.2020
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