Biathlon-WM:Die Erlösung Schwedens

Biathlon-WM: Olympiasiegerin von Pyeongchang und nun auch Weltmeisterin von Östersund: Hanna Öberg.

Olympiasiegerin von Pyeongchang und nun auch Weltmeisterin von Östersund: Hanna Öberg.

(Foto: Jonathan Nackstrand/AFP)

Hanna Öberg gewinnt am sechsten Tag der Biathlon-WM im Einzelrennen die erste Medaille für das Gastgeberland.

Von Saskia Aleythe, Östersund

Der Moment der Erlösung kam für ganz Schweden um 16.19 Uhr. Sechs Tage war die Biathlon-Weltmeisterschaft am Dienstagnachmittag alt, fünf Rennen ohne schwedische Medaille. Da rätselte die Presse im Land schon, warum den Athleten im entscheidenden Moment der Abzugfinger zitterte. Nun also stand Hanna Öberg, Olympiasiegerin im Einzel von Pyeongchang, vor den Zuschauern im Stadion, noch fünf Scheiben vor sich. Vier Patronen, vier Treffer. Und als auch die letzte Scheibe umklappte, grölte alles, was gelb und blau trug.

Laura Dahlmeier wird Vierte und sagt: "Ich glaube, es war wirklich ein gutes Rennen."

Das Einzel ist ein Rennen gegen die Uhr, erst wenn die letzte Athletin im Ziel ist, weiß die Erste, was ihre Zeit wert ist. Für Öberg, Startnummer 30, blieb die Position auch nach der Ankunft von Larisa Kuklina, Startnummer 95, die selbe: Sie sicherte sich Gold vor Lisa Vittozzi (0 Fehler, + 23,6 Sekunden) aus Italien. Laura Dahlmeier kämpfte um ihre dritte Bronzemedaille bei dieser WM in Östersund - musste sich aber um sieben Sekunden Justine Braisaz aus Frankreich geschlagen geben, die wie Dahlmeier eine Scheibe stehen ließ. "Ich glaube, es war wirklich ein gutes Rennen, aber kein sehr gutes", sagte Dahlmeier. Es hätte ihre 14. WM-Medaille in Serie sein können, doch die 25-Jährige konnte mit Platz vier auch gut leben. "Seit ich dabei bin, konnte ich zum Saisonhöhepunkt meine Bestleistung abrufen, auch in dieser schwierigen Saison. Das ist, finde ich, schon etwas Besonderes."

Schon im Sprint am vergangenen Freitag und in der Verfolgung am Sonntag war Dahlmeier zu Bronze gerannt, aufgrund einer Erkältung unter erschwerten Bedingungen. "Ich möchte nicht sagen, dass es sinnvoll ist, krank Rennen zu laufen", sagte Dahlmeier nun, "aber irgendwie hat es bei mir funktioniert, selbst durch die Rennen, dass der Gesundheitszustand auch immer besser geworden ist." Bei dieser WM war Dahlmeier bisher bei 30 abgegebenen Schüssen nur ein Fehler unterlaufen, das ist eine Trefferquote von fast 97 Prozent. Im Sprint fehlerfrei, in der Verfolgung blieb eine Scheibe stehen - da standen die Chancen gut für das Einzel. Es ist ein Rennen, das Dahlmeier mehr entgegenkommt als anderen Sportlerinnen im Feld: Weil sie eine sichere Schützin ist und jeder Patzer mit einer Minute Zusatzzeit bestraft wird, kommt es auf das Trefferbild ganz besonders an. Und nach diesem Einzel ließ sich dann auch feststellen: Wäre auch dieser 13. Schuss aus Dahlmeiers Waffe ins kleine schwarze Feld gegangen, hätte sie WM-Gold gewonnen. "Es war heute einiges möglich", sagte sie selber.

Läuferisch fühle sie sich noch nicht optimal, sagten die Trainer vor dem Rennen, doch die Beine machten kaum den Eindruck, als müssten sie einen kranken Körper über die Loipe schleppen. Für Dahlmeier war es vielmehr eine Frage der richtigen Taktik: Wie sollte sie sich die 15 Kilometer einteilen? "Es ist natürlich immer ein Kompromiss: Man darf nicht so langsam sein, sonst kann man es am Ende nicht mehr aufholen", erklärte sie, "man darf aber auch nicht zu viele Körner schon liegen lassen." Wer sich zu sehr verausgabt, bekommt ja auch am Schießstand Probleme. Davon blieb die Doppel-Olympiasiegerin drei Runden lang verschont. Drei Mal hetzte sie durch den Wald in Östersund, mit allen Medaillenchancen im Gepäck. Mit einem Fehler stürmte sie wieder los, blieb dann auch im vierten Durchgang fehlerfrei.

Eine Sekunde Rückstand hatte Dahlmeier zu diesem Zeitpunkt auf die da noch führende Paulina Fialkova, machte dann auf ihrer letzten Runde noch Zeit gut: Im Ziel stand vor ihrem Namen die Eins und ein Vorsprung von sechs Sekunden. Dahlmeier ballte die Faust, lächelte, wusste aber wohl schon, wer da nach ihr noch kommt: Öberg, die ihr die Führung nur ein paar Sekunden später wieder abluchste. Dahlmeier kam zur Gratulation vorbei, Öberg ließ sich feiern. Und dann folgten die Minuten, in denen Dahlmeier auf die Zwischenzeiten der Konkurrentinnen auf ihrem Handy starrte: Wer kommt da noch, wer entreißt ihr noch die Medaille?

Erst eine halbe Stunde später war klar, dass sich neben Vittozzi auch Braisaz, Startnummer 71, vor ihr platzierte. "Wenn man in jeder Runde noch ein bis zwei Sekunden rausquetscht, dann hätte es gereicht", sagte Dahlmeier, zu sehr an ihrem Fehler beim Schießen wollte sie sich nicht aufhalten. Gesundheitlich fühle sie sich von Tag zu Tag besser. Dass sie die Single-Mixed-Staffel am Donnerstag bestreiten wird, glaubte sie am Dienstag "eher nicht". Denise Herrmann hatte das Einzel ausgelassen, die anderen deutschen Frauen hatten am Schießstand mehr Probleme als Dahlmeier: Vanessa Hinz landete mit zwei Fehlern auf Rang 19, Franziska Hildebrand wurde 31. (drei Fehler), Franziska Preuß blieb mit vier Strafminuten Rang 38.

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