Biathlon-WM in Lenzerheide:Völlig erschöpft, aber Bronze gerettet

Lesezeit: 3 Min.

Die deutsche Mixed-Staffel feiert Schlussläufer Justus Strelow (ganz unten). (Foto: Denis Balibouse/Reuters)

Schlussläufer Justus Strelow sichert der deutschen Mixed-Staffel zum WM-Auftakt in Lenzerheide die Bronzemedaille. Da fließen schon am ersten Tag Freudentränen.

Von Saskia Aleythe

Die Qualen von letzten Runden kennt Justus Strelow ziemlich gut. Der 28-Jährige ist ein überragender Schütze, 94 Prozent Trefferleistung gelang ihm über die vergangene Saison – ein Rekord. Doch auf der Loipe ist der Biathlet eher Marke Kämpfer als Marke Supersprinter. Und so hatte er am Mittwoch zum WM-Auftakt in Lenzerheide kaum Gelegenheit, die Bergkulisse zu genießen. Nachdem er als Schlussläufer der Mixed-Staffel, auf einem Silberrang liegend, den Schießstand verlassen hatte, pirschte sich von hinten unermüdlich die Gefahr heran. Sie hieß Michal Krcmar, kam aus Tschechien – und schnappte Strelow tatsächlich noch die Silbermedaille weg.

Mit 20 Sekunden Vorsprung war Strelow wieder auf die Loipe gegangen, Krcmar kam Meter um Meter heran. Überholt und ausgepumpt warf sich Strelow über die Ziellinie, Selina Grotian und Franziska Preuß liefen ihm da schon freudestrahlend entgegen, mit Philipp Nawrath im Gepäck gab es später eine Jubeltraube des erfolgreichen Quartetts: Zum ersten Mal seit sechs Jahren ist den Deutschen eine WM-Medaille in diesem Wettbewerb gelungen. Und das sorgte dann trotz verlorener Schlussrunde sogar für Freudentränen. „Man merkt, dass Druck da war, und der fällt jetzt ab“, sagte Franziska Preuß im ZDF.

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Strelow war da schon wieder zu Atem gekommen und natürlich: Diese letzten Kilometer gegen den sechs Jahre älteren Krcmar waren „unglaublich schmerzhaft“ gewesen, sagte der Deutsche, noch dazu war ihm auch noch Norwegens Johannes Thingnes Bö auf den Fersen. Die Bronzemedaille half als erstes Mittel gegen die Erschöpfung – und überhaupt: Es war seine Premiere als Schlussläufer. Frankreich lieferte eine Parade-Show ab (eine Strafrunde und sechs Nachlader) und gewann souverän Gold vor den überraschend auftrumpfenden Tschechen (0+9). Mitfavorit Norwegen schoss sich mit zwei Strafrunden schnell aus dem Medaillenrennen, wurde aber noch erstaunlich knapp Vierter hinter den Deutschen, die mit elf Zusatzpatronen nur partiell am Schießstand überzeugt hatten.

„Ich habe erst Nerven gezeigt und dann Nerven bewiesen“, sagt Nawrath

WM-Starts können oft die Richtung für die folgenden Wettbewerbe vorgeben, insofern kam dieser Mixed-Staffel besondere Bedeutung zu. Als erste Deutsche durfte Selina Grotian in der Roland-Arena auf die Spur gehen; sie gehört zu den jungen, aber schon fast unentbehrlichen Starterinnen im deutschen Team. Ihre große Stärke: Ruhe bewahren. Bei ihrer zweiten WM meisterte sie die Aufgabe dann auch routiniert, aber nicht fehlerfrei. Die erste Runde hatte es mit einem Sturz von Schwedens Anna Magnusson und Julia Simon aus Frankreich schon in sich, Grotian lief unbeteiligt vorneweg. Beim ersten Schießen musste die 20-Jährige zwei Nachlader bemühen, stehend ebenso. Ingrid Landmark Tandrevold hatte da schon mit zwei Strafrunden Norwegen auf den vorletzten Platz manövriert. Als Sechste übergab Grotian an Franziska Preuß.

Preuß hat bei diesen Wettbewerben in der Schweiz einiges vor, schließlich liegt sie in der Gesamtwertung in Führung, das weckt Begehrlichkeiten in Richtung Medaillen. Vorn lief Lou Jeanmonnot als zweite französische Starterin ihr eigenes Rennen, auch der Sturz von Simon konnte dem Team kaum etwas anhaben. Franziska Preuß fabrizierte je einen Nachlader liegend und stehend, als Vierte klatschte sie mit Philipp Nawrath ab (+54,9 Sekunden).

Nachdem die Frauen ihren Beitrag geleistet hatten, ging in Nawrath der in dieser Saison beste Deutsche auf die Loipe, und er machte es mit insgesamt fünf Nachladern noch einmal spannend. Beim zweiten Schießen musste Nawrath gegen die Strafrunde kämpfen, was durchaus als sein Trauma bezeichnet werden kann. Bei den Olympischen Spielen vor drei Jahren in Peking patzte er im letzten Schießen im Kampf um Olympiagold, nach einer Extrarunde wurde es nur Rang vier. Umso erleichterter war Nawrath, dass es ihm nun in Lenzerheide besser glückte. „Ich habe erst Nerven gezeigt und dann Nerven bewiesen, indem ich die Strafrunde abgewendet habe“, sagte er im ZDF.

Da die Konkurrenz patzte, blieben die Medaillen für Deutschland in Sichtweite, Nawrath wechselte auf Position vier auf Strelow. Eigentlich wäre Nawrath aufgrund seiner läuferischen Qualitäten der natürliche Schlussläufer für diese Staffel gewesen, doch im Deutschen Skiverband (DSV) war die Taktik eine andere: Lieber auf den sicheren Schützen Justus Strelow setzen. Zumal Nawrath zuletzt noch eine Erkältung geplagt hatte. „Ich hatte noch nie so weiche Knie schon beim Einlaufen. Ich war extrem aufgeregt“, sagte Strelow später.

Und dann war er es, der aus diesem Rennen noch mehr zaubern konnte als einen undankbaren vierten Platz. Während sich Emilien Jacquelin für Frankreich noch eine Strafrunde im letzten Schießen erlauben konnte und trotzdem als Weltmeister über die Ziellinie fuhr, traf Strelow alle zehn Scheiben und hob sich damit vom Rest des Teams ab. „Justus hat wahnsinnig abgeliefert am Schießstand. Wahnsinn, das so miterleben zu können“, sagte Philipp Nawrath. Er weiß selbst am besten, wie schwer das ist.

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