Staffeln bei der Biathlon-WM:"Wir haben es gerockt"

Biathlon - Weltmeisterschaft/Weltcup

Denise Herrmann, Franziska Preuss, Vanessa Hinz und Karolin Horchler (von links nach rechts) bejubeln den zweiten Platz.

(Foto: Hendrik Schmidt/dpa)
  • Die deutsche Staffel gewinnt bei der Biathlon-Weltmeisterschaft Silber hinter Norwegen.
  • Zunächst liegt das Team zurück - doch Franziska Preuß geht volles Risiko. Ihr gelingt eine beeindruckende Schnellfeuereinlage.
  • Die deutschen Männer liegen bis zum letzten Wechsel auf Gold-Kurs, kommen nach einer Strafrunde von Benedikt Doll schließlich noch auf den Bronze-Rang.

Von Saskia Aleythe, Antholz

Gegen die Geschwindigkeit von Dorothea Wierer hatten die Zuschauer auf der Tribüne keine Chance. Wierer versenkte die erste Scheibe im Stehendanschlag, das Stadion tobte, dann traf sie schon wieder, da war der Jubel über den ersten Treffer noch gar nicht abgeklungen. Und so mancher dachte sich: Kann man das noch besser machen als Wierer? Fünf Treffer in 19 Sekunden? Als Franziska Preuß später in diesem Staffelrennen auf die Matte in Antholz trat, wusste man: Das geht noch besser.

An eine Medaille war lange nicht zu denken für die deutschen Frauen an diesem Samstag, eine beeindruckende Schnellfeuer-Einlage von Preuß, der dritten Läuferin an diesem Tag, katapultierte das Team dann aber nach vorne. 18 Sekunden, alle Scheiben stehend fehlerfrei versenkt, plötzlich war Deutschland auf Rang zwei. "Franzi war heute der Matchwinner, sie hat ein fantastisches Rennen gemacht", sagte Denise Herrmann, die auf ihrer Schlussrunde von Platz vier noch auf den Silber-Rang hinter Norwegen sprintete. "Ich habe mitgekriegt, dass ein Wunder geschehen muss, wenn wir da vorn mitmischen wollen", sagte Preuß später, deswegen hieß die Devise: volles Risiko.

Italien überraschte die Konkurrenz zunächst mit der Aufstellung, mit Lisa Vittozzi und Wierer, die bereits zwei Gold-Medaillen und eine Silberne in Antholz gewonnen hatte, gingen die besten beiden Athletinnen gleich zu Beginn auf die Loipe. Karolin Horchler startete für die Deutschen bei ihrem ersten Staffel-Einsatz bei einer WM; "stehend habe ich am ganzen Körper gezittert", sagte sie, am Ende standen insgesamt vier Nachlader neben ihrem Namen, ausgepumpt übergab sie als 19. auf Vanessa Hinz.

"Es war ein geiles Rennen, richtig verrückt"

Schon bei Hinz konnte man erkennen, wie beflügelnd eine Medaille sein kann: Die Silber-Gewinnerin im Einzel schoss fehlerfrei und war beim Wechsel auf Preuß immerhin schon Zehnte. Vorne hatte Italien zur Halbzeit fast eine Minute Vorsprung auf die da noch zweitplatzierten Polinnen. Der Titel des Halbzeit-Weltmeisters wird allerdings auch im Biathlon nicht vergeben und so kam nun der Auftritt der Konkurrenz. Der Auftritt von Franziska Preuß.

"Ich habe gewusst: Wenn ich es jetzt probiere, haben wir wieder eine Chance", sagte Preuß, liegend brauchte sie zwar einen Nachlader, hatte den Durchgang aber trotzdem in 28 Sekunden erledigt. Mit einem Rückstand von 1:38 Minuten war sie ins Rennen gestartet, nach ihrer Glanztat hatte sie auch aufgrund mehrerer Strafrunden anderer Nationen beim Wechsel auf Schlussläuferin Herrmann nur noch 43 Sekunden auf die immer noch führenden Polinnen. Wenn sie sich nicht so sehr ins Risiko gewagt hätte, "wären wir wahrscheinlich Vierter geworden", sagte Frauen-Trainer Kristian Mehringer, der auch fand: "Sie sind im Team jetzt auch richtig zusammengewachsen." Auch Preuß war nach Silber in der Single-Mixed-Staffel am Donnerstag mit viel Selbstvertrauen ins Rennen gegangen. Und sie wusste ja, wer da nach ihr noch läuft: Denise Herrmann, über die Preuß sagt: "Da haben die anderen Konkurrenten Angst, wenn sie mit der Denise loslaufen."

Herrmann, die Silber in der Verfolgung gewonnen hatte, brauchte liegend und stehend zwar je zwei Nachlader, doch das Laufen verlernt sie deswegen ja trotzdem nicht. Mit 33,8 Sekunden Rückstand auf die nun in Führung liegenden Norwegerinnen ging Herrmann auf ihre Schlussrunde, zog noch an Tschechien und schließlich an der Ukraine vorbei. Marte Olsbu Roeiseland jubelte im Ziel über ihre dritte Gold- und insgesamt fünfte Medaille in Antholz, da bog Herrmann schon auf die Gerade ein, 10,8 Sekunden trennte die Deutschen (neun Nachlader) am Ende von Norwegen (eine Strafrunde, neun Nachlader), die Ukrainerinnen sicherten sich Platz drei (acht Nachlader).

"Es war ein geiles Rennen, richtig verrückt, weil die anderen so viel daneben geschossen haben", sagte Herrmann später in der ARD, "wir haben es gerockt." Dass die deutschen Frauen nach einer holprigen Saison nun mit vier Medaillen dastehen, verblüffte selbst Trainer Mehringer: "Das Gefühl ist unglaublich."

Strafrunde bringt die Männer-Staffel um Gold

Wie unterschiedlich Staffel-Rennen verlaufen können, zeigten wenig später die Männer: In Führung liegend vergab Schlussläufer Benedikt Doll die mögliche Gold-Medaille mit dem Gewehr, für zehn Scheiben brauchte er 17 Patronen, was Frankreich umso mehr freute: Das Quartett um Martin Fourcade hatte sich von Beginn an an die Skier der Deutschen geheftet, mit insgesamt nur vier Nachladern für Frankreich konnte Schlussläufer Quentin Fillon Maillet nach Dolls Patzern davonziehen und die nächste Gold-Medaille einsammeln.

"Benni hat es ganz schön spannend gemacht und unsere Nerven strapaziert", sagte Arnd Peiffer der ARD: "Er wird sich wahnsinnig ärgern, und in zwei Stunden wird er sich dann hoffentlich vielleicht auch ein bisschen über die Medaille freuen können." Im Ziel klagte der 29-Jährige über Kreislaufprobleme, die Pressekonferenz fand ohne ihn statt. "Irgendwie ist mein Selbstbewusstsein an dem Schießstand bei minus zehn und das macht es mir schwer", sagte er vorher der ARD; in Antholz hatte er in jedem Einzel-Rennen mindestens drei Fehler geschossen, nun tat es Doll für seine Kollegen leid: "Die haben es sehr überragend gemacht und mir einen Riesenvorsprung mitgegeben."

Startläufer Erik Lesser, der sich aufgrund seines starken Auftritts in der Single-Mixed-Staffel auch für die Männer-Staffel empfohlen hatte, erfüllte seinen Job fehlerfrei und bravurös, Philipp Horn und Peiffer mussten je nur einen Nachlader im Stehendanschlag bemühen, während die Konkurrenz strauchelte.

Es sah nach einer möglichen Gold-Medaille aus, doch Doll vermieste schließlich die Bilanz, am Ende standen eine Strafrunde und acht Nachlader in der Statistik. Kurz vor Johannes Thingnes Bö ging Doll nach seiner Extra-Runde wieder auf die Strecke, konnte der Geschwindigkeit des Norwegers aber nicht standhalten und musste nun auch Silber vorbeirauschen sehen. Beim dritten und letzten Wechsel hatte Norwegen (eine Strafrunde, 12 Nachlader) noch einen Rückstand von über einer Minute gehabt. "Das war nicht so mein Rennen heute", sagte Doll zerknirscht.

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