Süddeutsche Zeitung

Biathlon:David wer?

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Neue Regeln, neues Punkte- und Prämiensystem. Beim Weltcup-Auftakt in Kontiolahti zeigen die deutschen Biathleten, dass sie mit den Änderungen zurechtkommen - besonders einer.

Von Korbinian Eisenberger

Man muss sich schon etwas intensiver mit der Sportart Biathlon befassen, um auf den Namen David Zobel zu stoßen. David wer? Zumindest war das bis zum Dienstagnachmittag so. Bis zum letzten Schießen beim ersten Weltcup der neuen Saison. Der Biathlet David Zobel stand auf seinen Langlaufskiern am Schießstand von Kontiolahti. Er hatte gerade sein Gewehr von der Schulter genommen, atmete kräftig durch - und setzte dann zum Schuss an. Und traf. Und traf. Und traf. So hatte er einmal mehr fünf Scheiben erwischt - und konnte noch einen Mann vom Podium verdrängen: seinen deutschen Teamkollegen Rees.

Mit 1,5 Sekunden Vorsprung schob sich Zobel Momente später über die Ziellinie. Nach je 20 Kilometern und Schießscheiben im Einzel verzeichnete der 26 Jahre alte Zobel mit Platz drei den größten sportlichen Erfolg seiner Karriere. "Ich kann's noch gar nicht so richtig glauben und bin grad ein bisschen überfordert", erklärte der gebürtige Starnberger vom SC Partenkirchen nach dem Rennen am Mikrofon der ARD. "Was da jetzt heute rausgekommen ist, einfach geil."

Überhaupt war dieser Auftakt der Tage von Kontiolahti in Finnland von Überraschungen geprägt. Der Schweizer Niklas Hartweg etwa schaute beim Fernsehinterview nach seinem Lauf ähnlich unvorbereitet unter seinem Stirnband hervor wie kurze Zeit später Zobel es tat. Hartweg, 22, war noch schneller unterwegs, wurde Zweiter und verbuchte wie Zobel den ersten Podestplatz seiner Karriere. Besser war am Ende nur der Schwede Martin Ponsiluoma, den trotz diverser Erfolgsnachweise auf und neben dem Treppchen die wenigsten auf dem Zettel hatten.

"Es ist schon ein bisschen bitter, dass der eigene Teamkollege dich vom Podium stößt."

Roman Rees hatte sich mit dem vielleicht undankbarsten aller undankbaren vierten Plätze auseinanderzusetzen. "Ich gönne es ihm natürlich total", erklärte er. Wenngleich er seine Gönnerhaftigkeit auch gerne gegen 1,5 bis 1,6 Sekunden auf der Stoppuhr eingetauscht hätte. "Es ist schon ein bisschen bitter, dass der eigene Teamkollege dich vom Podium stößt." Immerhin: Rees hatte bereits einen dritten Platz bei einem Weltcup-Rennen verbucht - und nun mit der Premiere auf Rang vier sein zweitbestes Ergebnis erzielt.

Das Gesamtergebnis der deutschen Biathleten an Tag eins durfte Beteiligten wie Beobachtern zugesagt haben. Oder wie Johannes Kühn es nach dem Rennen ausrückte: "Ich glaube, dass wir gut drauf sind, nicht nur ich sondern die ganze Mannschaft." Für ihn persönlich hätte es besser laufen können - oder besser fliegen: Ähnlich wie Benedikt Doll (drei Fehler, 20. Platz) hatte Kühn (vier Fehler, 26.) Probleme am Schießstand. Justus Strelow und Philipp Nawrath (je zwei Fehler, 17. und 18.) komplettierten das deutsche Ergebnis von sechs Top-30-Ergebnissen.

Es war ein Tag der Premieren, auch für Mark Kirchner, den Biathlon-Bundestrainer der Männer. "Wenn man in so einem Feld auf dem Podium ist, war es immer ein guter Wettkampf", sagte Kirchner routiniert: "Wir sind zu 80 Prozent auf der guten Seite, das gibt uns ein gutes Selbstvertrauen."

Eine Saison voller Neuerungen im Regelwerk

Die böse Seite des Biathlons, der wollen sie beim DSV in den kommenden Monaten möglichst selten begegnen. Nicht zuletzt, weil im Februar ein etwas spezielleres Event ansteht, die Heim-WM der Deutschen in Oberhof. Die Eingewöhnungsphase von Coach und Mannschaft scheint bereits fortgeschritten zu sein. Die übrigen Neuerungen dieser Saison betreffen alle Athleten gleich.

Sie gelten auch für die Frauen, die ihrerseits am Mittwochmittag in die Saison starten - mit Denise Hermann-Wick an der Spitze als aussichtsreichste deutsche Kandidatin für vordere Platzierungen. Wie bei den Männern wird als Auftakt im Einzel gestartet. Nicht unwesentlich dabei: Ein Weltcupsieg zählt künftig mehr. Das liegt an dem Umstand, dass die Ergebnisse der Weltmeisterschaft künftig nicht mehr in die Weltcup-Gesamtwertung eingehen, ein WM-Sieg wird nicht mehr zusätzlich als Weltcupsieg gewertet. Weil demzufolge die Anzahl an Weltcup-Wertungen pro Saison sinkt, dürfte es noch schwieriger werden, die Bestmarke von Norwegens Ole Einar Björndalen von 94 Weltcup-Erfolgen zu übertreffen.

Wegen einer weiteren Änderung des Biathlon-Weltverbands IBU geht David Zobel in die Geschichte dieses Sports ein. Als erster Biathlet, der für 60 Weltcup-Punkte auf einen Schlag keinen Sieg benötigt. Der Weltverband nämlich hat mit Beginn der Saison die Punkteverteilung neu sortiert. Der Sieger erhält künftig deren 90, der Zweite 75 - und der Dritte 60. Roman Rees kassiert immerhin 50 Punkte - zwei Pünktchen mehr wie bisher für Podest-Rang drei, falls ihm das ein Trost ist.

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