Biathlon:Vollendung im Schneegestöber

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Alles im Blick und schnell in der Loipe: Denise Herrmann profitiert auch im WM-Massenstart von ihrer Vielseitigkeit. (Foto: TT News Agency/Reuters)

Denise Herrmann gewinnt Bronze im Massenstart und wird zur erfolgreichsten deutschen Biathletin bei der WM.

Von Saskia Aleythe, Östersund

Tägliche Überforderung. Denise Herrmann hat sie selber so bezeichnet: Ihre ersten Wochen und Monate am Schießstand, vor drei Jahren, als sie erst einmal den Umgang mit der Waffe lernen musste. "Das war ein Kopfsprung ins kalte Wasser", sagte Herrmann, die mit aufgemalten Scheiben an den Küchenschränken das Aufsetzen des Gewehrs übte, den Anschlag, das Zielen. Bei dieser Biathlon-WM in Östersund ist Herrmann aufgetaucht aus dem eiskalten Wasser, und nun kann sie sich von den insgesamt sieben deutschen Medaillen drei selber um den Hals hängen: Gold, Silber, Bronze. Überrascht von der eigenen Bilanz, Frau Herrmann? "Ich weiß ja, wenn ich treffe, wo es hingehen kann." Oho!

Da stand sie nun wieder, als eine der glücklichsten Frauen, die im Schneegestöber je gesichtet wurden: Die Flocken stürmten ihr nur so entgegen, als Herrmann ihre Bronzemedaille entgegennahm, erobert im Massenstart von Östersund. Mit vier Strafrunden hatte sie zwar zwei mehr absolvieren müssen als die Siegerin Dorothea Wierer aus Italien und Russlands Jekaterina Jurlowa-Percht, aber wieder einmal trugen sie ihre schnellen Beine trotzdem zur Medaille. "Ich freue mich extrem, dass mir so eine gute WM gelungen ist", sagte Herrmann, "da bin ich richtig stolz drauf."

Nach Silber mit der Mixed-Staffel zum WM-Start und ihrer Goldmedaille in der Verfolgung manövrierte sie sich zur erfolgreichsten Deutschen bei der WM, vor der zwischenzeitlich erkrankten Laura Dahlmeier. Und konnte sich nach einer Langlauf-Karriere ohne WM-Medaille nun belohnen. "Mit 30 Jahren weiß man, wie viel Arbeit da drin steckt", sagte Herrmann.

Zum Abschluss fallen die Männer des DSV zurück - den Massenstart gewinnt der Italiener Windisch

Na klar: Dieses Östersund ist ja auch ihre Stadt. Im Weltcup hat sie dort ihre ersten beiden Siege im Biathlon gefeiert, die Strecke liegt ihr wie keiner anderen im Feld. In jedem Einzelrennen, das sie in Mittelschweden bestritten hat, überzeugte Herrmann mit der besten Laufzeit. Auch am Schießstand lief es viel besser als während der Saison. Am Sonntag im Massenstart herrschten schwierige Bedingungen, die Herrmann aber auf ihre eigene Art interpretierte. "Du wusstest nach jedem Schießen nicht, was passiert dir beim nächsten", sagte sie, "es war deshalb vielleicht sogar ein bisschen leichter." Weil einen dann nicht jeder Patzer sofort weit zurückwirft und die Konkurrenz mit den Schneeböen ja auch erst mal klarkommen muss: "So konnte ich mich ohne große Gedanken auf die nächste Runde hangeln."

Weil sie sich wegen der Strafrunden ständig im Aufhol-Modus befand, ging in der Schlussrunde nicht mehr allzu viel; ohne den Fehler beim letzten Schuss wäre Gold möglich gewesen. Am ersten Anstieg habe sie noch mal "einen Schluck Cola vom Physiotherapeuten" genommen, aber der Energieschub reichte nicht, um weiter vorne zu landen. "Da springt man die Berge nicht mehr hoch wie ein junges Reh", sagte Herrmann. Laura Dahlmeier kam mit vier Fehlern auf Rang sechs, Franziska Preuß wurde 19. (sechs Fehler), Franziska Hildebrand 21. nach fünf Strafrunden. "Es waren auf jeden Fall zu viele Fehler heute", sagte Dahlmeier über ihre eigene Leistung, konnte aber mit ihrer Bilanz von zwei Bronzemedaillen in Sprint und Verfolgung gut leben. "Ich war krank, ich wusste gar nicht, ob ich an den Start gehen kann", sagte sie, "ich habe dann zwei super Ergebnisse erzielt, obwohl ich läuferisch nicht ganz in Topverfassung war. Es hat gezeigt, dass ich konstant vorne mitlaufen kann." Im Einzel war sie auf Rang vier gelandet, nur sieben Sekunden fehlten ihr da zu Bronze.

Auch Frauen-Bundestrainer Kristian Mehringer attestierte der Doppel-Olympiasiegerin nach einem schwierigen Jahr mit vielen Erkrankungen eine ansteigende Form, haderte aber mit den Leistungen der Kolleginnen jenseits von Dahlmeier und Herrmann, von denen keine in ihren Einzelrennen über einen 16. Platz hinausgekommen war. Die schwachen Leistungen mündeten am Samstag in einen vierten Platz in der Staffel, der auf dem Papier besser ausschaute als das tatsächliche Rennen. "Mit der Leistung, die wir am Schießstand gebracht haben, haben wir die Medaille nicht verdient", sagte Mehringer. Eine Strafrunde und 14 Nachlader hatten sich Hinz, Hildebrand, Herrmann und Dahlmeier geleistet, deutlich mehr als die Konkurrenz. Norwegen sicherte sich Gold (eine Strafrunde, acht Nachlader) vor Schweden (sechs Nachlader) und der Ukraine (fünf Nachlader). "Damit ist man dann ganz schnell in der Realität zurück", sagte Herrmann noch.

Die Realität für die deutschen Männer war am Samstag eine schönere: Erik Lesser, Roman Rees, Arnd Peiffer und Benedikt Doll sicherten sich Silber hinter Norwegen, Russland landete auf Rang drei. Am Schießstand lief es deutlich besser als bei den Frauen, Schlussläufer Doll zeigte beim letzten Besuch, dass er dem einstigen Dominator Martin Fourcade aus Frankreich standhalten kann. Doll benötigte nur einen Nachlader, Fourcade schoss derweil zwei Strafrunden. "Das war eine gemütliche Schlussrunde, das konnte ich richtig genießen", sagte Doll.

Im Massenstart kam dann keine deutsche Medaille mehr dazu: Bei extremen Böen gewann Dominik Windisch (drei Fehler) aus Italien vor Frankreichs Antonin Guigonnat (drei) und Julian Eberhardt (vier) aus Österreich. Arnd Peiffer landete als bester Deutscher auf Rang sechs (vier) vor Benedikt Doll (fünf) auf Platz acht. Philipp Nawrath (fünf) wurde 15., Erik Lesser (sechs) kam auf Platz 27. Für Peiffer war es mit Einzel-Gold und zwei Silbermedaillen mit der Mixed- und der Männer-Staffel aber wie bei Herrmann die erfolgreichste WM. Und das mit 31 Jahren. Da könnte man fast sagen: Die Reife und Östersund - das passte für die Deutschen ganz gut zusammen.

© SZ vom 18.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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